Arbeitgeber müssen abgelehnten Stellenbewerbern keine Auskunft über die erfolgte Stellungbesetzung erteilen

11.07.2013

Leitsatz

Abgelehnte Stellenbewerber haben keinen Anspruch auf Auskunft darüber, ob der Arbeitgeber einen anderen Bewerber eingestellt hat und aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist (BAG, Urteil vom 25. April 2013 - 8 AZR 287/08).

Sachverhalt

Die Klägerin hatte sich auf eine Stelle als Software-Entwicklerin beworben, war jedoch nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Sie war aber davon überzeugt, die Voraussetzungen für die Stelle bestens zu erfüllen und schloss daraus, dass ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre osteuropäische Herkunft der wahre Grund für die nicht erfolgte Einladung gewesen seien. Weder in der Stellenausschreibung noch in dem Absageschreiben waren jedoch objektive Anhaltspunkte enthalten, die den Schluss auf eine Benachteiligung aus einem dieser Gründe nahe gelegt hätten. Vor diesem Hintergrund verlangte die Klägerin von dem Arbeitgeber Auskunft darüber, ob und nach welchen Auskunftskriterien er die ausgeschriebene Stelle besetzt habe. Von dieser Auskunft versprach sich die Klägerin einen Beleg dafür, dass sie im Bewerbungsverfahren unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz diskriminiert worden sei und ihr daher eine angemessene Entschädigung in Geld zustehe.

Entscheidung

Die Klage wurde in allen Instanzen, nunmehr letztinstanzlich durch das Bundesarbeitsgericht, abgewiesen. Abgelehnten Stellenbewerbern steht nach Maßgabe von § 15 Abs. 2 AGG nur dann ein Entschädigungsanspruch zu, wenn der Arbeitgeber bei seiner Einstellungsentscheidung gegen ein Diskriminierungsverbot verstößt, weil er den Bewerber aus Gründen der Rasse oder wegen der ethischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt. Kann der Arbeitnehmer für eine solche Benachteiligung Indizien vorbringen, beispielsweise weil in der Stellenausschreibung nicht geschlechtsneutral formuliert wird oder explizit „junge“ Bewerber angesprochen werden, obliegt gemäß § 22 AGG dem Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass er die Auswahl dennoch anhand objektiver – nicht diskriminierender – Kriterien vorgenommen hat. Da entsprechende Indizien aber nicht vorlagen, versuchte die Klägerin über die verlangte Auskunft Anhaltspunkte für eine Benachteiligung zu erlangen. Bereits im Jahr 2010 hatte das Bundesarbeitsgericht in diesem Verfahren darüber entschieden, dass aus dem nationalen deutschen Recht ein derartiger Auskunftsanspruch nicht folgt. Der Gesetzgeber habe dem abgelehnten Bewerber schließlich bereits eine Erleichterung im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast zugebilligt, ohne einen noch darüberhinausgehenden Auskunftsanspruch zu regeln. Vor diesem Hintergrund hat das Bundearbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob ein solcher Auskunftsanspruch aus dem Gemeinschaftsrecht folge. Mit Urteil vom 19. April 2012 verneinte der Europäische Gerichtshof diese Frage, wies aber zugleich darauf hin, dass die Verweigerung jeglicher Informationen durch den Arbeitgeber ein Gesichtspunkt sein kann, der als mögliches Indiz für eine Benachteiligung herangezogen werden kann. Welches Gewicht einer Auskunftsverweigerung als Indiz zukomme, müsse jedoch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls gewürdigt werden. Im Anschluss an diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hat das Bundearbeitsgericht die Klage der abgelehnten Stellenbewerberin nun abgewiesen. Diese habe eine angebliche Diskriminierung bloß ins Blaue hinein behauptet, ohne dass hierfür objektive Anhaltspunkte bestanden hätten. Nachdem geklärt sei, dass ein Auskunftsanspruch nicht bestehe, müsse sich auch der Arbeitgeber zu der erfolgten Stellenbesetzung nicht weiter äußern. Da objektiv keine sonstigen Indizien eine Diskriminierung der Klägerin nahelegen, könne der Auskunftsverweigerung allein kein entscheidendes Gewicht zukommen.

Anmerkung

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts wie auch die zugrunde liegende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sind zu begrüßen und überzeugen auch in ihrer rechtlichen Begründung. Der Gesetzgeber hat in Umsetzung der Europäischen Richtlinie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht nur die materiellen Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs definiert, sondern auch zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast abschließende Regelungen vorgesehen. In Abweichung der Grundregel, wonach jede Partei die für sie günstigen Umstände darzulegen und zu beweisen hat, sieht das AGG dabei bereits eine deutliche Erleichterung für abgelehnte Bewerber vor. Der vermeintlich diskriminierte Bewerber muss nicht die Benachteiligung als solche darlegen und beweisen, sondern es genügt bereits, wenn er hierfür bloße Anhaltspunkte vorbringen kann. Derartige Indizien können meist nur aus dem Bewerbungsverfahren selbst, in der Regel aus ungeschickt formulierten Stellenausschreibungen oder Absageschreiben, abgeleitet werden. Um eine Inanspruchnahme nach dem AGG zu vermeiden, ist daher unverändert zu empfehlen, auf die Formulierung von Stellenausschreibungen wie auch von Absageschreiben besonderen Wert zu legen, um jeden Anschein einer diskriminierenden Auswahl auszuschließen. Bietet das Bewerbungsverfahren objektiv keine Anhaltspunkte für eine Diskriminierung, können Anfragen abgelehnter Stellenbewerber zu der erfolgten Besetzung der Stelle unbeantwortet bleiben. Bietet das Bewerbungsverfahren aber dem abgelehnten Bewerber objektive Anhaltspunkte für eine Diskriminierung nach dem AGG und liefert es ihm damit entsprechende „Munition“, sollte ein Auskunftsbegehren beantwortet werden. Andernfalls läuft der Arbeitgeber Gefahr, dass seine Auskunftsverweigerung in Summe als möglicherweise entscheidendes Indiz für eine Diskriminierung herangezogen wird.

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