BAG: Altersdiskriminierung durch Urlaubsanspruch (Birkenstock)?

19.01.2015

Leitsatz

Gewährt ein Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern jährlich mehr Urlaubstage als den jüngeren, kann diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zulässig sein. Bei der Prüfung, ob eine solche vom Arbeitgeber freiwillig begründete Urlaubsregelung dem Schutz älterer Beschäftigter dient und geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG ist, steht dem Arbeitgeber eine auf die konkrete Situation in seinem Unternehmen bezogene Einschätzungsprärogative zu.

Sachverhalt

Die nicht tarifgebundene Beklagte stellt Schuhe her. Sie gewährt ihren in der Schuhproduktion tätigen Arbeitnehmern nach Vollendung des 58. Lebensjahres jährlich 36 Arbeitstage Erholungsurlaub und damit zwei Urlaubstage mehr als den jüngeren Arbeitnehmern. Die 1960 geborene Klägerin vertrat die Ansicht, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Beklagte habe deshalb auch ihr jährlich 36 Urlaubstage zu gewähren.

Entscheidung

Das BAG wies die Revision der Klägerin mit Urteil vom 21. Oktober 2014 (9 AZR 965/12) zurück. Die Beklagte habe mit ihrer Einschätzung, die in ihrem Produktionsbetrieb bei der Fertigung von Schuhen körperlich ermüdende und schwere Arbeit leistenden Arbeitnehmer bedürften nach Vollendung ihres 58. Lebensjahres längerer Erholungszeiten als jüngere Arbeitnehmer, ihren Gestaltungs- und Ermessensspielraum nicht überschritten. Dies gelte auch für ihre Annahme, zwei weitere Urlaubstage seien aufgrund des erhöhten Erholungsbedürfnisses angemessen, zumal auch der Manteltarifvertrag der Schuhindustrie vom 23. April 1997, der mangels Tarifbindung der Parteien keine Anwendung fand, zwei zusätzliche Urlaubstage ab dem 58. Lebensjahr vorsah.

Anmerkung

Ein erhöhter Urlaubsanspruch für ältere Arbeitnehmer ist in arbeits- und tarifvertraglichen Regelungen immer wieder anzutreffen. So stellte das BAG in einem im Jahre 2012 zu entscheidenden Fall (Urteil vom 20. März 2012 - 9 AZR 529/19) eine Altersdiskriminierung wegen unterschiedlicher Urlaubsansprüche anknüpfend an das Alter der Arbeitnehmer fest. In der Entscheidung ging es um Regelungen des TVöD, die vorsahen, dass ältere Arbeitnehmer mehr Urlaubstage als jüngere Kollegen beanspruchen können. Der erhöhte Urlaubsanspruch knüpfte an die Vollendung des 30. sowie des 40. Lebensjahres an. In der vorliegenden Entscheidung ging das BAG jedoch nicht von einer Altersdiskriminierung jüngerer Arbeitnehmer auf Grund des erhöhten Urlaubsanspruches älterer Arbeitnehmer aus. Dennoch stehen die beiden Entscheidungen des BAG nicht im Widerspruch zueinander.

Grundsätzlich ist einer altersbedingte Diskriminierung gem. §§ 1, 7 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) unzulässig. Allerdings kann eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern wegen des Alters ausnahmsweise gem. § 10 AGG zulässig sein. Voraussetzung hierfür ist, dass die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters objektiv und angemessen sowie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Ferner müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein.

Eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Anzahl der Urlaubstage kann grundsätzlich mit einem erhöhten Erholungsbedarf älterer Arbeitnehmer gerechtfertigt werden. Dieses Argument trug in der Entscheidung aus dem Jahr 2012 jedoch nicht, da ein gesteigerter Erholungsbedarf bereits mit Erreichung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres nicht plausibel erscheint. Anders liegt der Fall jedoch in der vorliegenden Entscheidung. Die Ungleichbehandlung hinsichtlich der Urlaubsansprüche auf Grund des Alters war gerechtfertigt und damit keine unzulässige Diskriminierung. Zwar gibt es keine feste Grenze, ab der ein gesteigerter Erholungsbedarf der Arbeitnehmer anerkannt ist, jedoch erscheint der Schutz von Arbeitnehmern, die bereits das 58. Lebensjahr vollendet haben, als legitimes Ziel. Die Tätigkeit in der Schuhfabrik der Beklagten ist eine körperlich ermüdende und schwere Arbeit, so dass die Beklagte von einem gesteigerten Erholungsbedarf mit Vollendung des 58. Lebensjahres ausgehen durfte. Weiterhin erscheint die Gewährung eines um zwei Tage erhöhten Urlaubsanspruches als angemessenes Mittel.

Festzuhalten ist also, dass es grundsätzlich im Ermessen des Arbeitgebers liegt, wie viele Mehrurlaubstage er älteren Arbeitnehmern gewährt und wo er die Altersgrenze zieht. Seine Festlegungen müssen lediglich nachvollziehbar und angemessen sein.

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