Neue Rechtsprechung zum Unternehmensvertrag: Verzahnung von „EAV“ und Cash-Pooling, Beendigung bei Beteiligungsveräußerung und stille Gesellschaft als Teilgewinnabführungsvertrag

24.09.2014

[Köln, ] Interessante Praxisfragen des Unternehmensvertrags (§§ 291 ff. AktG) beschäftigen immer wieder die Gerichte (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29. Oktober 2013 - 3 W 82/13; BFH, Urteil vom 13. November 2013 - IR 45/12; KG, Beschluss vom 24. März 2014 - 12 W 43/12). Vor allem die folgenden Gestaltungsfragen sind hierbei von Bedeutung:

1. Verzahnung des Gewinnabführungsvertrags mit einem Cash Pooling-System (oder vergleichbaren Finanzierungsleistungen),

2. Beendigung eines Unternehmensvertrags während des laufenden Geschäftsjahres ("unterjährige" Beendigung), insbesondere bei Veräußerung der Untergesellschaft im Wege des Share Deals, und

3. Einstufung der stillen Gesellschaft als Teilgewinnabführungsvertrag.

1. Verzahnung von EAV und Cash-Pooling

Häufig sollen Verlustausgleichsansprüche (§ 302 Abs. 1 AktG) durch die Verwendung gegenläufiger Finanzierungsforderungen erledigt werden. Solche ergeben sich vielfach aus einem Cash-Pooling, mittels dessen die (cash-wirksamen) Verluste der Untergesellschaft während des Geschäftsjahrs finanziert wurden.

Seit der grundlegenden Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2006 zur Aufrechnung gegenüber einem Verlustausgleichanspruch (NJW 2006, 3279) gilt, dass Erklärungen im Zusammenhang mit der Erfüllung eines solchen Anspruchs klar und eindeutig sein müssen. Gleichwohl ist es bis heute immer wieder anzutreffen, dass Verlustausgleichsansprüche allein durch buchhalterische Verrechnungen erledigt werden sollen. Auch wenn kein Schriftformerfordernis gilt, ist von einer solchen Praxis abzuraten. Vielmehr ist zu empfehlen, wenn grundsätzlich vorzugswürdige Erledigungsinstrumente ausscheiden und nur eine Ver- oder Aufrechnung übrig bleibt, diese in jedem Falle durch entsprechende schriftliche Erklärungen vorzunehmen. Denn in diesem Fall lässt sich im Streitfall sicher nachweisen, dass es eine klare und eindeutige Erfüllungserklärung gab. Zumindest ist darauf zu achten, dass vorgenommene Buchungen auf einer eindeutigen Absprache unter vertretungsberechtigten Personen der beteiligten Gesell­schafter folgen, die zumindest durch ein Gesprächs­protokoll o.ä. belegt ist.

Unter den Erledigungsinstrumenten ist die Anrechnung unterjähriger Leistungen gegenüber der Auf- oder Verrechnung dringend vorzugswürdig, weil auch eine ordnungsgemäß erklärte Aufrechnung gegenüber einem Verlustausgleichsanspruch nur wirksam ist, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung werthaltig ist. Im praktisch relevanten Fall der Krise der Untergesellschaft lässt sich dies selten sicher feststellen. Im Falle der Anrechnung findet hingegen ebenso wie bei ertragsgenerierenden Maßnahmen vor Bilanzstichtag (Forderungsverzicht) keine Werthaltigkeitsprüfung statt.

Diese Zusammenhänge verdeutlichen, dass ein Cash Pool-System aus konzernrechtlicher Sicht so aus­gestaltet sein sollte, dass die Cash Pool-Beziehungen entlang der EAV-Verhältnisse verlaufen. Die Probleme, die durch Dreipersonenverhältnisse entstehen, werden hierdurch vermieden.

2. Unterjährige Beendigung des Unternehmens-vertrags (OLG Zweibrücken)

Interessante Beendigungsfragen behandelt die Entscheidung des OLG Zweibrücken. Der Entscheidung lag ein Betriebspachtvertrag nach § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG zu Grunde, wobei die Verpächterin (ebenso wie die Pächterin) eine GmbH war. Im Rahmen einer umfangreichen Vergleichsvereinbarung hatten die Pächterin und die Verpächterin vereinbart, den Betriebspachtvertrag zu einem Zeitpunkt im laufenden Geschäftsjahr (also „unterjährig“) aufzuheben. Ferner sollte dieser Zeitpunkt rund zwei Monate in der Vergangenheit liegen; somit war zudem eine rückwirkende Aufhebung vereinbart.

Wäre die Verpächterin eine AG gewesen, läge die Lösung des Falles auf der Hand: Die Aufhebungsregelung wäre wegen ihrer unterjährigen Wirkung gemäß § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG unwirksam und wegen der vorgesehenen Rückwirkung nach § 296 Abs. 1 Satz 2 AktG unwirksam. § 296 gehört zum allgemeinen Recht des Unternehmensvertrags und gilt daher ohne weiteres auch für einen Betriebspachtvertrag.

Da die Verpächterin aber als GmbH organisiert war, stellte sich die Frage, ob die beiden Vorschriften für einen Betriebspachtvertrag mit einer GmbH in gleicher Weise gelten. Ob ein Unternehmensvertrag im GmbH-Konzern entgegen § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG unterjährig aufgehoben werden kann, ist für den Fall des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag lebhaft diskutiert. Das OLG Zweibrücken folgt für den Betriebspachtvertrag der Auffassung, nach der die unterjährige Aufhebung im GmbH-Konzern – anders als im AG-Konzern – zulässig ist.

Auf der Grundlage dieser Auffassung ist die unterjährige Auffassung zulässig, ohne dass im Zusammenhang mit der Aufhebung ein Rumpfgeschäftsjahr gebildet werden muss. Gestalterisch kann hierzu jedoch nach wie vor nicht geraten werden, da eine BGH-Entscheidung zu dieser Frage weiterhin aussteht. Außerdem ist die Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres häufig ohnehin aus steuerlichen Gründen gewünscht, um eine rückwirkende Beendigung der Organschaft zum Beginn des Geschäftsjahres zu vermeiden.

Dieses steuerliche Interesse an einer Aufhebung ist damit abzuwägen, dass eine Aufhebung häufig insolvenzrechtlich nachteilig ist gegenüber eine Kündigung der Obergesellschaft aus wichtigem Grund wegen Beteiligungsveräußerung. Fällt die Untergesellschaft später in die Insolvenz, kann die Beteiligung der Untergesellschaft an einer Aufhebung Anknüpfungspunkt für eine Insolvenzanfechtung sein. Im Falle einer Kündigung der Obergesellschaft kommt dies nicht in Betracht.

Bei der Kündigung aus wichtigem Grund ist anerkannt, dass der Fall der Beteiligungsveräußerung im EAV als wichtiger Grund ausgestaltet werden kann. Die meisten Unternehmensverträge enthalten heute eine solche Regelung. Enthält der EAV eine solche solche Regelung jedoch nicht, kommt es darauf an, ob die Beteiligungsveräußerung einen wichtigen Grund im Sinne der gesetzlichen Kündigungsregelung des § 297 Abs. 1 Satz 1 AktG ausmacht. Dies wird von der herrschenden Meinung verneint; eine (ausdrückliche) Entscheidung des BGH steht auch hierzu aus.

Diese Zusammenhänge führen nochmals deutlich vor Augen, dass bei der Gestaltung eines Unternehmens­vertrags auch den Regelungen zur Vertrags­beendigung große Sorgfalt zu schenken ist. Im Regelfall sollte eine klare Regelung zur Kündigung aus wichtigem Grund bei Beteiligungsveräußerung aufgenommen werden.

Schließlich gibt die Entscheidung des OLG Zweibrücken Anlass zu dem Hinweis, entgegen teils anzutreffender Vorstellung die Eintragung der Beendigung in das Handelsregister keine Heilungswirkung hat. Allein aus der Eintragung ergibt sich somit keine Rechtssicherheit.

3. Beendigung bei konzerninterner Veräußerung (BFH)

Die eingangs genannte Entscheidung des BFH behandelt die ebenfalls immer wieder aufkommende Frage, ob auch eine rein konzerninterne Veräußerung der Beteiligung an der Untergesellschaft einen wichtigen Grund für die Beendigung des Vertrages darzustellen vermag. Der BFH behandelt diese Frage allein für das Steuerrecht (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG) und entschied sie dahin, dass in der nur konzerninternen Veräußerung jedenfalls dann kein wichtiger Grund liege, wenn der Grund für die Veräußerung nur ist, dass der Vertrag für Zwecke der Verlustverrechnung nicht mehr benötigt wird.

Von dieser steuerrechtlichen Perspektive ist die Frage zu trennen, ob die rein konzerninterne Beteiligungs­veräußerung einen wichtigen Grund zur Kündigung des Vertrags im Sinne von § 297 Abs. 1 Satz 1 AktG oder einer entsprechenden Klausel im Vertrag darzustellen vermag. Auch hier ist Vorsicht geboten. Dass für § 297 Abs. 1 Satz 1 AktG selbst die Beteiligungsveräußerung an einen Dritten nach herrschender Meinung nicht genügt (vgl. oben 1.), wird zumeist damit begründet, dass es die Obergesellschaft anderenfalls allein in der Hand hätte, einen Grund für eine sofortige Beendigung des Vertrags zu schaffen. Dies gilt bei einer konzerninternen Veräußerung in noch deutlicherem Maße. Diese Gesichtspunkte können auch für die Auslegung einer Klausel im Vertrag, nach der die Beteiligungsveräußerung einen wichtigen Grund darstellen soll, von Bedeutung sein. Andererseits ist es auch auf Grund der BFH-Entscheidung nicht nötig, in einer solchen Klausel konzerninterne Übertragungen ausdrücklich auszunehmen. Vielmehr bedarf es bei der Anwendung der Klausel im Einzelfall der Würdigung, ob hinreichend gewichtige Umstände gegeben sind, um einen wichtigen Grund annehmen zu können.

4. Stille Gesellschaft und Teilgewinnabführungsvertrag (KG)

Einen weiteren interessanten Beitrag zum Verhältnis zwischen Aktien- und GmbH-Konzernrecht liefert die eingangs zitierte Entscheidung des KG. Sie betrifft die Frage, ob eine stille Gesellschaft an einer GmbH als Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne von § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG und damit als Unternehmensvertrag einzustufen ist. Folge wäre insbesondere, dass der Vertrag zu seiner Wirksamkeit der Eintragung in das Handelsregister der GmbH bedürfte (§ 294 Abs. 2 AktG).

Auch insoweit ist die Rechtslage bei der AG klar. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung und einer breiten Auffassung im Schrifttum ist die stille Gesellschaft mit einer AG als Teilgewinnabführungsvertrag einzustufen (insbesondere BGH, NZG 2006, 540). Für die GmbH überwiegt hingegen die Auffassung, nach der eine stille Gesellschaft nicht als Teilgewinnabführungsvertrag einzustufen bzw. eine Analogie zu § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG abzulehnen sei. Dieser Auffassung schließt sich das KG an.

Hieran ist erfreulich, dass die Entscheidung mit ihren Ergebnis einen Beitrag dazu liefert, in diesem Bereich Rechtsicherheit zu erzielen. Sie reiht sich ein in einige weitere Entscheidungen, in denen Gerichte für die stille Gesellschaft eine Analogie zu § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG im GmbH-Konzern ablehnen (u.a. BayObLG, NZG 2003, 636). Allerdings wird in der Rechtsprechung, ebenso wie im Schrifttum, auch das Gegenteil vertreten (z.B. FG Hessen, BeckRS, 2006, 26023653); eine Entscheidung des BGH steht aus. In seiner Begründung liefert das Urteil des KG keine nennenswerten Fortschritte, da sich das Gericht fast nur mit der Frage beschäftigt, ob der zugrunde liegende Vertrag, der weitreichende Zustimmungsvorbehalte zugunsten des stillen Gesellschafters enthielt, als verdeckter Beherrschungsvertrag einzustufen war. Zur eigentlichen Frage der analogen Anwendbarkeit von § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG findet sich in den Gründen kaum etwas.

Damit verbleibt für stille Gesellschaften mit einer GmbH immer noch Restunsicherheit, ob der Vertrag als Teilgewinnabführungsvertrag den §§ 291 ff. AktG unterliegt. Da auch ein rechtskräftig abgelehnter Eintragungsantrag diese Frage nicht abschließend entscheidet, ist auch in diesem Zusammenhang zu hoffen, dass der BGH die Frage bald abschließend klärt.

5. Fazit

Das Unternehmensvertragsrecht, insbesondere im GmbH-Konzern, ist weiter in Bewegung. Aufmerksamkeit ist nicht nur bei der Gestaltung eines Unternehmensvertrags geboten, sondern vor allem auch bei der Erfüllung von Verlustausgleichsansprüchen und der Beendigung eines Unternehmensvertrags, gerade im Falle der Beteiligungsveräußerung, weil mit dieser die Kontrolle über den “EAV-Träger” verloren geht. Bei der – in der Praxis häufig beabsichtigten – Verzahnung von Verlustausgleichsansprü­chen mit gegenläufigen Forderungen aus Finan­zierung ist die Anrechnung gegenüber der Aufrechnung in aller Regel deutlich vorzugswürdig, weil bei der Anrechnung kein Werthaltigkeitserfordernis gilt. Sie muss jedoch im Vorhinein und eindeutig vereinbart sein. Allgemein ist es typischerweise aus konzernrechtlicher Sicht zweckmäßig, die Cash-Pool-Verhältnisse im Konzern entlang den EAV-Verhältnissen verlaufen zu lassen.

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