Direktvermarktung: Der Leitfaden zum Einspeisemanagement 3.0 der BNetzA nach dem Urteil des Landgericht Bayreuth vom 19. März 2018 (Az. HK O 29/16)

Köln, 22.08.2018

Praxisgruppe Energierecht GÖRG

Im Juni 2018 hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) den Leitfaden zum Einspeisemanagement (Version 3.0) veröffentlicht. Dieser beinhaltet weitere Ausführungen zu der praktischen Umsetzung des Einspeisemanagements gemäß § 14 EEG sowie zur Ermittlung der Entschädigungshöhe gemäß § 15 EEG. Ausdrücklich unbeantwortet gelassen hat die BNetzA jedoch die praxisrelevante Frage, ob einem Direktvermarkter, welcher durch eine Einspeisemanagementmaßnahme finanzielle Einbußen erlitten hat, Ansprüche gegen den Netzbetreiber zustehen.

Leitfaden zum Einspeisemanagement 3.0

Der neue Leitfaden löst die Vorgängerfassung 2.1 (Stand: 7. März 2014) ab. Der Veröffentlichung des Leitfadens ist ein umfangreiches Konsultationsverfahren sowie ein Workshop vorausgegangen, in dem die Marktteilnehmer Gelegenheit erhielten, zu der Entwurfsfassung des Leitfadens Stellung zu nehmen. Der Leitfaden entfaltet grundsätzlich keine Bindungswirkung, sondern stellt vielmehr eine behördliche Anwendungshilfe dar. Er gibt die Ansicht der BNetzA in Bezug auf die Auslegung und Anwendung der Einspeisemanagement-Regelungen wieder und soll der Praxis als Orientierung für die Auslegung und Anwendung dienen. Die Ausführungen sind rechtlich nicht verbindlich. Ein wesentlicher Inhalt des Leitfadens stellt die Direktvermarktung dar. Die BNetzA nimmt Stellung zu der Frage, wie die Entschädigungssumme für direkt vermarkteten Strom aus Erneuerbaren Energien oder der Kraft-Wärme-Kopplung ermittelt wird. Bewusst offen gelassen hat die BNetzA jedoch die Frage, ob und in welcher Höhe Direktvermarktern ein Anspruch auf Entschädigungszahlung gegen den Netzbetreiber zusteht. Sie verweist auf das im März diesen Jahres ergangene Urteil des Landgericht Bayreuth (siehe dazu sogleich) und führt aus, dass eine abschließende Klärung dieser Fragestellung nicht in dem Leitfaden erfolgen könne.

Stellungnahme der BNetzA

Zuvor hat die BNetzA die Ansicht vertreten, dass Direktvermarkter eine Kompensation ihrer Schäden, die sie durch das Einspeisemanagement erleiden, im Wege der Drittschadensliquidation von den Netzbetreibern ersetzt bekommen müssten (vgl. dazu bereits die Mitteilung der Beschlusskammer 6 der BNetzA vom 14. April 2016 zum Festlegungsverfahren zur energetischen und bilanziellen Abwicklung von Einspeisemanagement-Maßnahmen bei EEG-Anlagen – Az. BK6-13-049). Auch im Anschluss an das Konsultationsverfahren zu dem Leitfaden 3.0 hatte die BNetzA noch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass einem Direktvermarkter, welcher durch eine Einspeisemanagementmaßnahme Schäden erlitten hat, ein Anspruch gegen den Netzbetreiber über das Institut der Drittschadensliquidation zustehe (vgl. BNetzA, Ergänzende Konsultationsfassung des Leitfadens bzgl. des Textteils zur Direktvermarktung, Kap. 2.4.2.).

Urteil des LG Bayreuth vom 19. März 2018 (Az. HK O 29/16)

Mit Urteil vom 19. März 2018 hat das Landgericht Bayreuth die Frage entschieden, ob einem Direktvermarkter gegen den Netzbetreiber ein gesetzlicher Anspruch auf Kompensation seiner aufgrund einer Einspeisemanagementmaßnahme erlittenen Einbußen zusteht. Das Landgericht Bayreuth hat dies verneint.

Keine direkte oder analoge Anwendung des § 15 EEG

Das Landgericht ist der Ansicht, dass eine direkte Anwendung der Härtefallregelung gemäß § 12 EEG 2012 (aktuell § 15 EEG 2017) aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes ausscheide. Für eine analoge Anwendung der Regelung fehle es wiederum an einer planwidrigen Regelungslücke. Das Landgericht stützt sich dabei auf den Umstand, dass der Direktvermarkter als fester Marktteilnehmer anerkannt sei (vgl. § 33a EEG 2012) und dennoch nicht im Anwendungsbereich des § 12 EEG 2012 berücksichtigt wurde. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber klargestellt, dass im Rahmen der Entschädigung nach § 12 EEG 2012 zu Gunsten des Anlagenbetreibers, welcher seinen Strom direkt vermarktet, lediglich ein Verlust der Marktprämie zu kompensieren sei (BT-Drs. 17/6071, Seite 81). Auch hier beziehe der Gesetzgeber den Direktvermarkter nicht mit ein. All dies spreche gegen die Planwidrigkeit der Regelungslücke und schließe somit eine Analogie aus.

Keine Kompensation nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation

Auch die Frage, ob dem Direktvermarkter ein Anspruch auf Kompensation über das Institut der Drittschadensliquidation zustehen könnte, lehnt das Landgericht im Ergebnis ab. Nach Ansicht des Landgericht Bayreuth handelt es sich bei der Kompensation von Einbußen, welche dem Direktvermarkter im Zuge des Einspeisemanagements gemäß § 11 EEG 2012 entstehen, nicht um einen Schadensersatzanspruch, „der billigerweise ausgeglichen werden müsste“. Das Einspeisemanagement sei unter den Voraussetzungen des § 11 EEG 2012 ein rechtmäßiger Eingriff seitens des Netzbetreibers, wohingegen sich die Anwendungsfälle der Drittschadensliquidation stets auf vertrags- bzw. rechtswidrige Verletzungshandlungen des Schädigers bezögen. Das Landgericht führt weiter aus, dass die Kompensation gemäß § 12 EEG 2012 im Ergebnis nicht die Netzbetreiber, sondern die Letztverbraucher treffe, da der Netzbetreiber die Kompensationsleistungen gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 EEG 2012 auf diese umlegen könne. Danach führte die fehlende Berücksichtigung der Einbußen der Direktvermarkter nicht zu einer ungerechtfertigten Besserstellung des Netzbetreibers. Nach Ansicht des Landgerichts bestehe daher keine unbillige Schadensverlagerung, die mittels der Drittschadensliquidation korrigiert werden müsse.

Wie stellt sich die rechtliche Situation des Direkt-vermarkters nach der derzeitigen Gesetzeslage dar?

Gesetzliche Entschädigungsansprüche

Ein Anspruch des Direktvermarkters unmittelbar aus § 15 Abs. 1 EEG ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Regelung ausgeschlossen. Adressaten des Entschädigungsanspruchs sind danach lediglich Anlagenbetreiber im Sinne des § 3 Nr. 2 EEG sowie Betreiber von KWK-Anlagen.Auch eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 1 EEG erscheint äußerst zweifelhaft, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Wie das Landgericht Bayreuth zutreffend ausführt, deuten die gesetzgeberischen Erwägungen darauf hin, dass es sich um eine von dem Gesetzgeber bewusst hingenommene Gesetzeslücke handelt. Dies wird dadurch bestärkt, dass § 15 Abs. 1 EEG einen gesetzlichen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch darstellt. Dem Adressaten steht ein Anspruch auf Kompensation in Höhe von 95% der entgangenen Einnahmen zu. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Netzbetreiber die Einspeisemanagementmaßnahme entsprechend der Vorgaben des § 14 EEG ausgeübt hat oder nicht (BT-Drs. 17/6071, S. 65). Aufgrund dieses weitreichenden Haftungstatbestandes darf der Anwendungsbereich dieser gesetzlichen Haftungsregelung nicht ungebührend ausgeweitet werden und bedarf einer restriktiven Handhabung. Diese Erwägungen sprechen gegen eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 1 EEG auf Direktvermarkter.

Entschädigung im Wege der Drittschadensliquidation

Eine Kompensation über das Institut der Drittschadensliquidation ist ebenfalls kritisch zu sehen. Die Drittschadensliquidation ist ein von der Rechtsprechung entwickeltes Instrument, um zufällige Schadensverlagerungen zu korrigieren. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Schädiger keinen unberechtigten Vorteil erlangt, weil der Schaden aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles zufällig einem Dritten entstanden ist, der wiederum keinen Anspruch gegen den Schädiger hat. Die Drittschadensliquidation wurde entwickelt, um die unberechtigte Begünstigung eines Schädigers im Zuge einer zufälligen Schadensverlagerung zu vermeiden. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Unterschiede zwischen den bislang anerkannten Anwendungsfällen der Drittschadensliquidation und dem hier in Rede stehenden Fall bestehen: Bei der vorliegenden Fallgestaltung folgt die Kompensationspflicht des Netzbetreibers nicht aus einer vertrags- oder gesetzeswidrigen Handlung, sondern ist vielmehr die Rechtsfolge einer regulatorisch vorgeschriebene Maßnahme, zu deren Durchführung der Netzbetreiber sogar gesetzlich verpflichtet ist. Dies dürfte mit einer „Schädigungshandlung“ im schadensrechtlichen Verständnis schwerlich gleichzustellen sein. Darüber hinaus dürfte es im Ergebnis auch an einer unberechtigten Bevorteilung des „Schädigers“ fehlen. Wie das LG Bayreuth richtig ausführt, führt die fehlende Berücksichtigung von Schäden des Direktvermarkters nicht zu einer unberechtigten Besserstellung des Netzbetreibers, da dieser die Kompensationskosten regelmäßig auf die Letztverbraucher umlegt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EEG). Dass davon grundsätzlich Kosten ausgenommen sind, deren Entstehung der Netzbetreiber zu vertreten hat, vermag keine andere Bewertung zu rechtfertigen. Es erscheint mithin eher nicht vertretbar, dass der vorliegende Sachverhalt eine dem Anwendungsbereich der Drittschadensliquidation vergleichbare Interessenlage darstellt.

Entschädigung mittels vertraglicher Regelungen

In Ermangelung gesetzlicher Ansprüche sowie der fehlenden Anwendbarkeit des Instituts der Drittschadensliquidation, steht einem Direktvermarkter daher aktuell nur die Möglichkeit offen, sich im Wege vertraglicher Regelungen in den Direktvermarktungsverträgen gegenüber den Anlagenbetreibern schadlos zu halten. Je nach Ausgestaltung dieser vertraglichen Regelungen könnte dies zur Konsequenz haben, dass die Kosten des Direktvermarkters zunächst einmal von dem Anlagenbetreiber zu tragen sind. Die Frage, ob dieser die Kosten, die er im Zuge einer solchen vertraglichen Absprache mit dem Direktvermarkter zu tragen hat, gegenüber dem Netzbetreiber gemäß § 15 Abs. 1 EEG geltend machen kann, ist fraglich und bedarf einer gesonderten Bewertung. Zum Teil wird dies in der Fachliteratur durchaus bejaht (vgl. Kment, NVwZ 2016, 1439, 1443; Breuer, REE 2013, 81, 87). Eine gerichtliche Entscheidung zu dieser Frage existiert bislang noch nicht.

Gesetzgeberischer Handlungsbedarf

Die geltende Rechtslage führt für die Direktvermarkter in Bezug auf die ihnen im Zuge des Einspeisemanagements entstehenden finanziellen Einbußen zu einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko. Gesetzlich sind sie vor derartigen Schäden nicht geschützt. Warum Direktvermarkter durch das Einspeisemanagement erlittene Einbußen hinnehmen müssen und damit ihre Interessen gesetzlich hinter die der Anlagenbetreiber gestellt werden sollen, ist nicht ersichtlich. Es ist möglich, dass der Gesetzgeber das Schutzbedürfnis der Anlagenbetreiber im Interesse der Förderung der Produktion erneuerbarer Energien höher bewertet als das der Direktvermarkter als Akteure des Energiehandels.

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