"Kauf bricht nicht Miete" - welche Rechte und Pflichten gehen im Rahmen des § 566 Abs. 1 BGB auf den Erwerber über?

13.10.2017

Einführung

"Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein" - so lautet der Wortlaut des § 566 Abs. 1 BGB.

Die Vorschrift ist Ausdruck des untechnisch formulier­ten Rechtssprichwortes "Kauf bricht nicht Miete", das sich auch in dieser Formulierung in ihrer amtlichen Überschrift wiederfindet. Durch die Verweisungsvor­schrift des § 578 BGB findet dieser Grundsatz auch auf alle Mietverträge über Grundstücke und (sonstige) Räume Anwendung. Gäbe es die Vorschrift des § 566 BGB nicht, übernähme der neue Eigentümer das Grundstück ledig­lich mit den sich aus dem Grundbuch ergebenden Lasten und Pflichten und könnte vom Mieter sogar Herausgabe des Grundstücks bzw. der vermieteten Räume verlangen. Gleichzeitig könnten z. B. Immobilieninvestoren kaum oder allenfalls schwierig Sicherheit erlangen, ob die für ein Gebäude bestehenden Mietverträge auf sie als Vermieter übergehen und ihnen daher die künftigen Miet­einnahmen zustehen.

Vor diesem Hintergrund kann man getrost davon spre­chen, dass das geschilderte Prinzip des gesetzlichen Übergangs von Mietverhältnissen rechtlich wie prak­tisch von höchster Relevanz ist. Umso wichtiger ist es für die beteiligten Parteien, sicher zu sein, was der Gesetzgeber eigentlich genau mit „sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechten und Pflichten“, in die der Erwerber per Gesetz eintritt, meint. Denn die insofern mehrdeutige Wortwahl des Gesetzes gibt Anlass zu höchst unterschiedlichen Auffassungen. Zum einen kann der Begriff „Mietverhältnis“ mit dem Mietvertrag gleichgesetzt und somit der Standpunkt vertreten werden, der gesamte Vertragsinhalt sei gemeint, den die konkreten vertragsschließenden Parteien vereinbart haben. Andererseits kann man unter „Mietverhältnis“ auch nur das verstehen, was als spezifisch mietrechtlich zu qualifizieren ist. Umkehrschluss wäre, dass alle ande­ren weniger mietrechtlich geprägten Vereinbarungen grundsätzlich nicht im Rahmen des § 566 Abs. 1 BGB automatisch auf den neuen Eigentümer übergehen.

Urteil des BGH vom 12. Oktober 2016

Der für das Gewerbemietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in seinem Urteil vom 12. Oktober 2016 eindeutig zu dieser Frage positioniert. Die zentrale Vorschrift des § 566 Abs. 1 BGB erfasse nur solche Rechte und Pflichten, die als mietrechtlich zu qualifizieren seien oder die in untrennbarem Zusam­menhang mit dem Mietvertrag stünden. Der Erwerber trete deshalb nicht in Rechte und Pflichten ein, die außerhalb des Mietverhältnisses liegen, selbst wenn sie als zusätzliche Vereinbarung im schriftlichen Mietver­trag geregelt seien.

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um einen gewerblichen Mietvertrag, den die Vermieterin durch den Kauf eines Grundstücks übernommen hatte. Im Mietvertrag war noch zwischen dem Voreigentümer und Mieterin zugunsten der Mieterin eine Option bzw. ein Ankaufsrecht vereinbart worden. Die Vermieterin begehrte vom Gericht die Feststellung, dass sie nicht aus dem vereinbarten Ankaufsrecht verpflichtet sei. DerBundesgerichtshof bestätigte ihre Auffassung. Zur Begründung führte er an, dass das Ankaufsrecht nicht als mietrechtlich qualifiziert werden könne.

Es stelle vielmehr als kaufrechtliche Regelung etwas Grundverschiedenes, ein Aliud, zur Miete dar. Es bezwe­cke nicht den Fortbestand des Mietverhältnisses, son­dern ersetze dieses vielmehr durch den Abschluss eines Kaufvertrags. Demnach trete im Ergebnis der Erwerber eines gewerblich vermieteten Grundstücks nicht kraft Gesetzes in ein zwischen dem Veräußerer und dem Mieter vereinbartes Ankaufsrecht ein.  

Standpunkt in der Literatur

In der juristischen Literatur werden unterschiedliche Auffassungen zu der hier diskutierten Frage vertreten.

Während sich die einen der Auffassung des Bundesgerichtshof anschließen, vertreten andere den Stand­punkt, dass es maßgeblich darauf ankomme, ob die konkreten Abreden nach dem Willen der Parteien einen Bestandteil des Mietvertrags bilden sollen oder nicht. Danach vermag die Rechtsprechung des Bundesgerichts­hofs nicht zu überzeugen, weil sie für die Abgrenzung mit zu unbestimmten Kriterien operiere.

Wiederum andere stellen auf die Kenntnis des Erwer­bers ab, der nicht an Nebenabreden ungewöhnlichen Inhalts gebunden sei, die er bei Erwerb weder kannte noch kennen musste. Dies ermögliche einen differen­zierten Erwerberschutz, ohne dass die damit verbun­dene Rechtsunsicherheit höher sei als bei den anderen Abgrenzungsmethoden.

Bewertung und Auswirkungen für die Praxis

Das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs verdeutlicht, dass nicht jede von den ursprünglichen Mietvertragsparteien in den Mietvertragstext aufgenommene Verein­barung bei Veräußerung auch zwischen dem Mieter und dem Erwerber als neuem Vermieter fortgelten muss. Dies wird nicht selten bei Anwendung des Prinzips „Kauf bricht nicht Miete“ übersehen.

Um zwischen den Parteien Klarheit bezüglich der Rechtslage nach Verkauf des Grundstücks bzw. der Immobilie zu schaffen, müssen Vermieter und Mieter eine genaue Prüfung dessen durchführen, was an vereinbarten Rechten und Pflichten aus dem Mietvertrag anhand der Rechtsprechungskriterien automatisch auf den Erwerber übergeht.

Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden von § 566 Abs. 1 BGB bzw. der Vorgängervor­schrift u. a. das Vermieterpfandrecht, die Übernahme der Kosten für Schönheitsreparaturen durch den Vermieter, der Anspruch des Veräußerers auf Leistung der Kaution, eine Schiedsvereinbarung und die Übernahme des Inven­tars durch den Verpächter als erfasst angesehen.

Als nicht erfasst angesehen werden u. a. der Eintritt des Erwerbers in die Regelung, wonach der Mietgegen­stand nach Eigenkapitalersatzregeln unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen ist, die Rückgabe der vom Mieter geleisteten Sicherheit, die Einräumung eines dinglichen Dauerwohnrechts und ein Belegungsrecht, das in einem Mietvertrag zugunsten des Arbeitgebers des Mieters begründet worden ist.

In manchen Fällen wird sich eine Bestimmung dessen, welche Abrede ggf. nicht automatisch mit übergeht, schwierig gestalten und kaum zielsicher treffen lassen. Daher sollte es im Interesse des Veräußerers liegen, den Erwerber im Rahmen des Kaufvertrages dazu zu ver­pflichten, in die Gesamtheit der Regelungen des Mietvertrags einzutreten. Zudem ist es insbesondere für die Vermieterseite vorteilhaft, im Mietvertrag vereinbart zu haben, dass die bestehenden Rechte und Pflichten rechtsgeschäftlich auf einen Rechtsnachfolger übertragen werden können.

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