Legt das BAG "AGG-Hoppern" nun das Handwerk?

31.08.2015

Entscheidung

Die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, schrieb ein Trainee-Programm aus, in dem sie als Anforderung einen kürzlich erworbenen oder demnächst erfolgenden sehr guten Hochschulabschluss und qualifizierte berufsorientierte Praxiserfahrung durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudenttätigkeit verlangte. Für die Fachrichtung Jura wurden außerdem eine arbeitsrechtliche Ausrichtung oder medizinische Kenntnisse erwünscht. Der Kläger, der bereits 2001 seine Zweite Juristische Staatsprüfung abgelegt hatte, bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle. In seinem Bewerbungsschreiben wies er u.a. darauf hin, dass er aufgrund seiner früheren leitenden Position bei einem Rechtsschutzversicherer über Führungserfahrung verfüge. Er besuche derzeit den Fachanwaltskurs Arbeitsrecht und verfüge im Medizinrecht über einen erweiterten Erfahrungshorizont, da er wegen des Todes seines Vaters ein umfangreiches medizinrechtliches Mandat betreue. Nachdem der Kläger eine Absage erhielt, verlangte er eine Entschädigung i.H.v. 14.000 € wegen Altersdiskriminierung. Daraufhin lud ihn die Beklagte zu einem Gespräch mit ihrem Personalleiter ein. Die Einladung lehnte der Kläger ab.

Das BAG ist der Auffassung, dass aufgrund der Formulierung der Bewerbung und dem weiteren Verhalten des Klägers davon auszugehen sei, dass er sich nicht mit dem Ziel einer Einstellung beworben habe. Die Bewerbung sei so formuliert, dass die Beklagte den Kläger nicht als Trainee einstellen würde. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger eine Absage provoziert habe. Deshalb sei er nicht als "Bewerber" i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu qualifizieren.

Das AGG beruhe, so der BAG weiter auf der Umsetzung einer europarechtlichen Richtlinie. In dieser heiße es, dass der "Zugang zur Beschäftigung" geschützt werden solle. Insoweit ist die Formulierung weiter als die des AGG. Das BAG entschied, den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Die Vorlagefrage des BAG ist darauf gerichtet zu klären, ob die Richtlinie so verstanden werden muss, dass der Zugang zur Beschäftigung vom Bewerber tatsächlich gesucht wird, eine Einstellung also tatsächlich gewollt sein muss oder eine formale Bewerbung genügt, um dem Schutz der Richtlinie zu unterfallen.

Praxisrelevanz

Das BAG möchte offensichtlich der Praxis von "AGG-Hoppern" Einhalt gebieten. AGG-Hopper sind Personen, die sich gezielt auf Stellenangebote bewerben, um nach erfolgter Absage eine Entschädigung gemäß dem AGG geltend zu machen. Nach derzeitiger Rechtsprechung sind schon jetzt Entschädigungsansprüche von Bewerbern ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt an dieser Stelle jedoch dem Arbeitgeber. Er muss Indizien vortragen, die den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit zulassen. Die Hürde ist an dieser Stelle sehr hoch.

Selbst wenn der Europäische Gerichtshof die Vorlagefrage zu Gunsten der Arbeitgeber beantworten sollte - ein Schutz nach dem AGG mithin nur dann gegeben wäre, wenn der Bewerber tatsächlich Zugang zu der Beschäftigung gesucht hat - ändert dies nichts daran, dass dem Arbeitgeber auch in Zukunft die Darlegungs- und Beweislast für eine nicht ernsthafte Bewerbung obläge. Die dogmatische Herleitung für die Verneinung des Entschädigungsanspruchs wäre dann jedoch eine andere. In der Vergangenheit wurden Entschädigungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs abgelehnt. Bei Bejahung der Vorlagefrage wäre hingegen schon der Anwendungsbereich des § 15 AGG nicht eröffnet. Ob die Anforderungen hinsichtlich der Hürde der fehlenden Ernsthaftigkeit in Zukunft geringer sind, bleibt abzuwarten. Dem Vorlagebeschluss lässt sich eine solche Tendenz nicht entnehmen. Insoweit ist unabhängig vom Ausgang des Verfahrens weiterhin Vorsicht bei der Formulierung von Stellenanzeigen sowie der Durchführung des gesamten Bewerbungsverfahren bzgl. etwaiger Diskriminierungen geboten.

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