Neues zur Massenentlassungsanzeige

22.12.2016

[Frankfurt, ] Gemäß § 17 KSchG ist ein Arbeitgeber verpflichtet, eine sog. Massenentlassungsanzeige zu erstatten, wenn die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer das in der Norm bestimmte Quorum erreicht. Das komplizierte Massenentlassungsanzeigeverfahren enthält diverse, vor allem formale Stolpersteine, sei es im Hinblick auf die Beteiligung des Betriebsrats, sei es im Hinblick auf den Inhalt der gegenüber der Bundesagentur für Arbeit zu erteilenden Auskünfte.

Mit Beschluss vom 08. Juni 2016 – 1 BvR 3634/13 – hat sich nun das Bundesverfassungsgericht zu der Frage geäußert, ob auch in Elternzeit befindliche Arbeitnehmer/innen unter die Massenentlassungsanzeigepflicht fallen, selbst wenn deren Kündigung nicht innerhalb des maßgeblichen 30-Tage-Zeitraums (§ 17 Abs. 1 a.E. KSchG) ausgesprochen wird.

Hintergrund der Entscheidung ist, dass Arbeitnehmer/innen in Elternzeit gem. § 18 BEEG besonderen Kündigungsschutz genießen und der Ausspruch einer Kündigung der Zustimmung der zuständigen Behörde bedarf. Da ein solches Zustimmungsverfahren in der Regel einige Zeit in Anspruch nimmt, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Ausspruch von Kündigungen in solchen Fällen nicht zeitgleich mit den übrigen Arbeitnehmern des Betriebs, nicht einmal innerhalb der relevanten 30-Tage-Frist erfolgen wird. In der Praxis hatte dies bisher vielfach zur Folge, dass Arbeitnehmer/innen in Elternzeit im Rahmen der Massenentlassungsanzeige keine Berücksichtigung fanden.

Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr entschieden, dass in der Nichtberücksichtigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Elternzeit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG liege. Die Nichtberücksichtigung sei verfassungswidrig. Grund hierfür sei, dass es sich bei der weit überwiegenden Anzahl von Personen, die Elternzeit in Anspruch nehmen, noch immer um Frauen handele, und diese durch die Nichtberücksichtigung ungerechtfertigt Nachteile erlitten.

Handlungsempfehlung

Es ist jedem Arbeitgeber dringend anzuraten, bei zukünftigen Massenentlassungsanzeigen auch diejenigen Arbeitnehmer/innen einzubeziehen, deren Kündigung nicht innerhalb der 30-Tage-Frist ausgesprochen werden kann, sondern noch der Zustimmung von Behörden aufgrund des Bestehens von Sonderkündigungsschutz bedarf. Dies gilt nicht nur für den Sonderkündigungsschutz gem. § 18 BEEG, sondern – über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinaus – für sämtliche Personengruppen, die Sonderkündigungsschutz genießen, wenn dieser Sonderkündigungsschutz an ein Merkmal des Art. 3 Abs. 3 S.1 GG anknüpft. Dies sind insbesondere Schwerbehinderte (§ 85 SGB IX), Schwerbehinderten Gleichgestellte (§§ 68 Abs. 3; 85 SGB IX) und Schwangere (§ 9 MuSchG).

Ob auch sonstige Personengruppen, die aufgrund erforderlicher behördlicher Zustimmung (bspw. § 5 PflegeZG; § 2 Abs. 3 FPfZG) regelmäßig außerhalb des 30-Tage-Zeitraumes gekündigt werden müssen, immer Berücksichtigung im Rahmen einer Massenentlassungsanzeige finden müssen, ist bis jetzt nicht entschieden.

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