Restrukturierung von Unternehmensanleihen. Vorgaben des neuen Schuldverschreibungsgesetz 2009

27.04.2010

[] Am 5. August 2009 ist das neue Schuldverschreibungsgesetz (nachfolgend auch „SchVG") in Kraft getreten.

Das neue Schuldverschreibungsgesetz tritt neben das Schuldverschreibungsgesetz aus dem Jahr 1899. Es soll – für Emissionen ab dem 5. August 2009 – das „alte" SchVG ablösen, und es räumt gleichzeitig für „Alt"-Unternehmensanleihen die Möglichkeit ein, sich dem „neuen" SchVG durch einen kollektiven Beschluss der Mehrheit der Anleihegläubiger zu unterwerfen (sog. „Opt-In-Beschluss").

Das „alte" SchVG hat in der Praxis erst in den letzten Jahren Bedeutung erlangt. Ausgangspunkt war der Debt-Equity-Swap in dem Verfahren EM.TV Merchandising AG, sodann folgten die Fallkonstellationen Deutsche Nickel AG, Augusta Technologie AG, Rinol AG u.a. Die praktische Bedeutung war aber begrenzt, weil das frühere SchVG nur auf Anleihen anwendbar war, die von Schuldnern im Inland begeben wurden. Der häufige Fall von Anleihen einer – meist niederländischen – Tochtergesellschaft, die mit einer Garantie der deutschen Muttergesellschaft unterlegt ist, war von dem Gesetz nicht erfasst.

Kern- aber auch zugleich Schwachpunkt des alten SchVG war folgender:

Ein Eingriff in die Stamm-/Nominalforderung (sog. „Haircut") war nicht möglich, ebenso wenig konnte in die Sicherungsrechte eingegriffen werden. Es war lediglich ein (beschränkter) Eingriff in die Zinsforderungen der Anleihegläubiger und damit nur ein geringer und oftmals nicht hinreichender Sanierungsbeitrag der Anleihegläubiger möglich.

Nach altem Recht hatten Klagen gegen die Wirksamkeit von Beschlüssen keine Kollektivwirkung, d.h. die Rechtskraft eines (stattgebenden) Urteils wirkte nur zwischen dem klagenden Anleihegläubiger und der Gesellschaft. Auch diesen Schwachpunkt soll das neue SchVG beseitigen.

Wesentliche Neuregelungen

Nach dem SchVG 2009 ist eine Anpassung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger möglich, wenn und soweit die Anleihebedingungen dies vorsehen. Eine solche Rechtsgrundlage ist für die nachträgliche Anpassung der Anleihebedingungen unerlässlich.
Eine Insolvenznähe – oder gar ein Insolvenzgrund – ist für die Anwendung des SchVG 2009 hingegen keine Voraussetzung.

Das SchVG 2009 enthält einen beispielhaften, aber nicht abschließenden Katalog an Restrukturierungsmaßnahmen: Die Prolongation der Unternehmensanleihe, die Herabsetzung der Zinsen, die Eingriffe in die Hauptforderung sowie die Formulierung eines Nachrangs sind möglich. Ferner ist die Umwandlung oder der Umtausch der Schuldverschreibung in Gesellschaftsanteile (sog. Debt-Equity-Swap) durch Beschluss der Anleihegläubigerversammlung denkbar. Entsprechendes gilt für den Austausch und die Freigabe von Sicherheiten. Hervorzuheben ist auch, dass das Kündigungsrecht der Gläubiger beseitigt bzw. eingeschränkt werden kann.

Vorbereitung und Fassung des Gläubigerbeschlusses

Beschlüsse werden grundsätzlich in der Versammlung der Anleihegläubiger und zwar – soweit wesentliche Änderungen der Anleihebedingungen, insbesondere Eingriffe in die Rechte der Anleihegläubiger im Raum stehen – mit der Mehrheit von mindestens 75 % der teilnehmenden Stimmen gefasst.

Die Versammlung der Anleihegläubiger ist beschlussfähig, wenn in einer ersten Versammlung mindestens 50 % der Stimmrechte (des Anleihekapitals) vertreten sind, oder wenn in einer - subsidiären - zweiten Versammlung mindestens 25 % der Stimmrechte (des Anleihekapitals) vertreten sind. Letztlich kann somit – bei entsprechender Gestaltung – ggf. schon mit nur 18,75 % aller Stimmrechte eine Anpassung der wesentlichen Anleihebedingungen bewirkt werden. Es kommt hinzu, dass das neue SchVG die Möglichkeit der Beschlussfassung im Umlaufverfahren einräumt. Ungeklärt ist, welche besonderen Anfechtungsrisiken aus einer solchen Abstimmung ohne Versammlung resultieren können, insbesondere wenn und soweit das Auskunftsrecht jedes Anleihegläubigers nicht hinreichend ausgeübt bzw. berücksichtigt werden kann.

Beschlusskontrolle / Gefahr durch Verzögerungen durch Anfechtungsklagen

Nach § 20 SchVG 2009 kann ein Beschluss der Anleihegläubigerversammlung wegen Verletzung des Gesetzes oder der Anleihebedingungen anfechtbar sein.

Anfechtungsbefugnis, Anfechtungsfrist und Formalia der Anfechtungsklage entsprechen weitgehend denjenigen des Aktienrechts.

Die Anfechtungsklage kann vor allem auf formelle Mängel gestützt werden, etwa auf die Verletzung des den aktienrechtlichen Vorschriften nachgebildeten Rede- und Fragerechts. Materielle Voraussetzungen für den Eingriff in die Rechte der Anleihegläubiger stellt das SchVG nicht auf. Ob und inwieweit eine Inhaltskontrolle stattfindet, bleibt daher zunächst abzuwarten.

Die Erhebung einer Anfechtungsklage löst nach § 20 Abs. 3 S. 3 HS. 2 SchVG 2009 eine Vollzugssperre aus. Verschärft wird die Problematik dadurch, dass eine Nebenintervention durch andere Anleihegläubiger zeitlich unbegrenzt möglich ist und deshalb erhebliches Obstruktionspotenzial besteht. Eine Pflicht zur Bekanntmachung der Anfechtungsklage (mit der Folge, dass eine Nebenintervention nur noch innerhalb einer Ausschlussfrist möglich ist) ist im SchVG nicht vorgesehen.

Diese demnach u.U. sehr hinderliche Vollzugssperre kann nur durch einen sog. Freigabebeschluss des zuständigen Landgerichts überwunden werden.

Das Freigabeverfahren ist entsprechenden Regelungen bei Anfechtungsklagen z.B. gegen Kapital- und Umwandlungsmaßnahmen nachgebildet. Allerdings wurden die Neuregelungen des ARUG (Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinien, 2009) bislang nicht in das SchVG übernommen. Es verbleibt damit z.B. bei der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Landgerichts.

Ein Freigabebeschluss ergeht, wenn die Anfechtungsklagen unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind oder ein überwiegendes Vollzugsinteresse der beklagten Gesellschaft besteht. Letzteres kann etwa bei zur Sanierung erforderlichen Restrukturierungen der Fall sein.

Praktisches Vorgehen im Sanierungsprozess / Minimierung von Anfechtungsrisiken

In der Regel wird die Restrukturierung der Anleihe durch Eingriff in die Rechte der Anleihegläubiger Teil eines Sanierungsprozesses sein. In diesem Zusammenhang bieten sich folgende Maßnahmen an, um das Verfahren zu beschleunigen und das Risiko von Anfechtungsklagen zu minimieren:

Abstimmung ohne Versammlung (§ 18 SchVG)

Zunächst bietet es sich an, den Weg der nach § 18 SchVG vorgesehenen Abstimmung ohne Versammlung zu wählen. Dieses Procedere muss allerdings in den Anleihebedingungen vorgesehen sein oder – im Zuge des Opt-In-Beschlusses – in Anleihebedingungen implementiert werden. Eine Abstimmung ohne Versammlung ist nicht nur mit geringerem Aufwand verbunden, sondern minimiert auch die möglichen Anfechtungsgründe (z.B. angebliche Verletzungen des Auskunftsrechts).

Sanierungskonzept

Ferner sollte ein Sanierungskonzept erarbeitet werden, damit im Streitfalle dargelegt und ggf. bewiesen bzw. glaubhaft gemacht werden kann, dass der Eingriff in die Rechte der Anleihegläubiger zur Sanierung des Emittenten erforderlich ist und der Sanierungsbeitrag der Anleihegläubiger – auch im Vergleich zu anderen Gläubigergruppen – angemessen ist.

Herantreten an wesentliche Anleihegläubiger / Ansprechen eines gemeinsamen Vertreters

Im Vorfeld der Einberufung sollte der Emittent wesentliche Anleihegläubiger ansprechen, um die erforderlichen Mehrheiten sicherzustellen. Erfahrungsgemäß ist es auch innerhalb der Versammlung sehr förderlich, wenn sich die „großen" Anleihegläubiger für das Sanierungskonzept und die damit verbundenen Eingriffe in die Rechte der Anleihegläubiger aussprechen.

Ferner wird häufig ein gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger erforderlich sein. Insoweit müssen potenzielle Kandidaten angesprochen werden. Der gemeinsame Vertreter ist – je nach Ermächtigung – befugt, mit Wirkung für und gegen alle Anleihegläubiger Erklärungen wie z.B. (befristete) Verzichte auf Kündigungsrechte etc. auszusprechen.

Fassung des Opt-In-Beschlusses

Anschließend ist der sog. Opt-In-Beschluss nach § 24 SchVG zu fassen, wenn und soweit die maßgebliche Unternehmensanleihe nicht bereits vollständig dem neuen SchVG unterliegt. Für den Opt-In-Beschluss gelten bereits die Vorschriften des neuen SchVG. In diesem Zusammenhang sind auch die Anleihebedingungen dahingehend zu ändern, dass bestimmte Eingriffe in die Rechte der Anleihegläubiger möglich sind.

Fassung der eigentlichen Beschlüsse

Nach der entsprechenden Anpassung der Anleihebedingungen kann dann in einem zweiten Beschlussverfahren der Eingriff in bestimmte Rechte der Anleihegläubiger (Haircut, Herabsetzen des Zinses, Ausschluss von Kündigungsmöglichkeiten, Laufzeitverlängerung etc.) beschlossen werden. Denkbar ist auch die Umsetzung eines sog. Debt-Equity-Swaps – eine solche Gestaltung wird erfahrungsgemäß auch von Anleihegläubigern bevorzugt, da diese auf diese Weise an dem möglichen Sanierungserfolg partizipieren können.

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