Aktuelle Rechtsprechung zu Preisanpassungsklauseln in Wärmelieferverträgen

10.10.2014

Einführung

Den Urteilen des BGH vom 25.06.2014 (VIII ZR 344/13) und des OLG Naumburg vom 08.05.2014 (2 U 95/13) lassen sich wichtige Aussagen zur Rechtmäßigkeit von Preisanpassungsklauseln in Wärmelieferverträgen entnehmen, die einerseits die rechtskonforme Ausgestaltung von Preisanpassungsklauseln, andererseits die Konsequenzen von nicht rechtskonform ausgestalteten Klauseln betreffen.

Der BGH hatte im Jahr 2011 in der Praxis weit verbreitete Preisanpassungsklauseln einerseits aufgrund von Verstößen gegen das Transparenzgebot in § 24 Abs. 4 S. 2 AVBFernwärmeV (BGH, Urt. v. 06.04.2011, VIII ZR 66/09), andererseits aufgrund der Unvereinbarkeit mit den inhaltlichen Anforderungen des § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV (BGH, Urt. v. 06.04.2011, VIII ZR 273/09; BGH, Urt. v. 06.07.2011, VIII ZR 37/10; BGH, Urt. v. 13.07.2011, VIII ZR 339/10) für unzulässig erklärt.

Dies hat zu erheblichen Rechtsunsicherheiten geführt. Das Legal Update stellt dar, inwieweit durch die jüngste Rechtsprechung diese Unsicherheiten behoben worden sind.

Das Urteil des BGH hat die Vereinbarkeit von Preisanpassungsklauseln mit den Vorgaben des § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV zum Inhalt. Hiernach müssen Preisanpassungsklauseln sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Der BGH hat im Urteil vom 25.06.2014 entschieden, dass eine von einem Versorger eingeführte Preisanpassungsklausel mit dieser Vorschrift vereinbar ist. Zudem äußert er sich recht ausführlich zu den Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Vorschrift und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Preisanpassungsklausel (auch) nur für einen Teil der Vertragslaufzeit wirksam sein kann.

Das OLG Naumburg beschäftigt sich dagegen mit der weiterführenden Frage inwiefern die aufgrund einer unwirksamen Klausel entstehenden Rückforderungsansprüche bei langfristigen Lieferverhältnissen der Höhe nach zu begrenzen sind.

Inhaltlichen Anforderungen an Preisanpassungsklauseln

Eine Preisanpassungsklausel muss sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen (sog. Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (sog. Marktelement) angemessen berücksichtigen. Ist dies nicht sichergestellt, ist die Klausel unwirksam und der Kunde kann die überzahlte Vergütung zurückfordern.

Kostenelement

Wesentlicher Gegenstand der bisherigen höchstrichterlichen Entscheidungen war, unter welchen Voraussetzungen die Abbildung der Kostenentwicklung bei Erzeugungs- und Bereitstellungskosten gewährleistet wird (§ 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV).

Der BGH hatte im Jahr 2011 sämtliche Klauseln für unwirksam erklärt, die zur Darstellung der Kostenentwicklung für die Erzeugungskosten auf einen allgemeinen Index oder Referenzwert des statistischen Bundesamtes verwiesen. Ob in diesen Klauseln auf einen Index für den tatsächlich eingesetzten Brennstoff oder einen anderen Index verwiesen wurde, spielte dabei keine Rolle (BGH, Urt. v. 06.07.2011, VIII ZR 37/10; BGH, Urt. v. 06.04.2011, VIII ZR 273/09) abgestellt. Die grundlegende Überlegung des BGH lautete, dass die Wahl eines solchen abstrakten Kostenindikators nicht ausreiche, da die Entwicklung des Indikators von der konkreten Kostenentwicklung des Versorgers unabhängig sei.

Der BGH hat nunmehr ausdrücklich erklärt, dass auch bei Verwendung von solchen Referenzgrößen die Kostenentwicklung zutreffend dargestellt wird, wenn in tatsächlicher Hinsicht feststeht, dass der Versorger seinerseits gegenüber seinem Brennstofflieferanten einer Preisbindung unterliegt, die nach Art und Umfang im Wesentlichen der vom Versorger gegenüber ihren Endkunden praktizierten Preisbindung entspricht. Diese Aussage ist beachtlich, weil der BGH positiv Kriterien benennt, bei deren Vorliegen die Preisanpassungen als identisch angesehen werden können, nämlich bei der Verwendung derselben sachlichen (z.B. HEL) und örtlichen (z.B. Marktort Rheinschiene) Referenzgröße, einschließlich Verbrauchssteuern, sowie beim Gleichlauf der Berechnungszeiträume.

Zusammengefasst: Die Preisanpassungsklauseln in den Verträgen zwischen Versorger und Vorlieferant müssen mit den Preisanpassungsklauseln zwischen Versorger und Endkunde gleichlaufen. Aus den Ausführungen des BGH folgt zudem, dass es bei Verwendung identischer Referenzgrößen nicht darauf ankommen dürfte, welcher Brennstoff vom Versorger tatsächlich zur Wärmeerzeugung verwendet wird, da sich die Frage der deckungsgleichen Weitergabe der Kosten insofern allein nach der vertraglichen Ausgestaltung der beiden Rechtsverhältnisse richtet.

Marktelement

Inwiefern die verwendete Preisanpassungsklausel hingegen auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigte (§ 24 Abs. 4 S. 1, 2. HS AVBFernwärmeV), hat der BGH offen lassen. Schon in anderen Fällen hatte er sich dahin geäußert, dass mit dem Wärmemarkt in rechtlicher Hinsicht der allgemeine, das heißt der sich auch auf andere Energieträger erstreckende, Wärmemarkt gemeint ist, der sich außerhalb der Einflusssphäre des marktbeherrschenden Fernversorgungsunternehmers entwickelt hat (BGH, Urt. v. 13.07.2011, VIII ZR 339/10). Ob dieser Wärmemarkt alleine durch den Verweis auf einen HEL-Index – vor dem Hintergrund dieses Marktbegriffes insofern als Leitindex für andere Einsatzenergien – zutreffend abgebildet werden kann, bleibt unklar. Dies ist aufgrund der heutigen Vielfalt der möglichen Einsatzenergien zur Wärmeerzeugung und der zunehmenden Entkopplung der Preise anderer Einsatzenergien vom Ölpreis natürlich zweifelhaft.

Weil der BGH die Preisanpassungsklausel insgesamt für rechtmäßig erklärt, lässt sich der Entscheidung entnehmen, dass durch die Aufnahme nur einer einzelnen Referenzgröße sowohl das Kosten- als auch das Marktelement in der Klausel zutreffend ausgestaltet waren; einer Verwendung zweier verschiedener Referenzgrößen für beide Elemente bedarf es daher bei der Vertragsgestaltung wohl nicht.

Rechtsfolgen eines Verstoßes

Soweit einer Preisanpassungsklausel unwirksam ist hat dies zur Folge, dass der Kunde die überzahlte Vergütung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zurückzufordern kann.

Umfang der Unwirksamkeit

Der BGH musste sich in seinem Urteil aufgrund der Besonderheiten des Falles ebenfalls mit der Frage auseinandersetzen welche rechtlichen Folgen es hat, wenn der nach dem Marktelement erforderliche Gleichlauf der Preisanpassungen nur für einen Teil der Vertragslaufzeit gegeben ist.

Nach dem BGH ist für die Wirksamkeit einer an § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV zu messenden Preisanpassungsklausel auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Eine Preisanpassungsklausel kann jedoch auch im Verlauf eines Vertragsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft nichtig werden, wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt Umstände einstellen, die zu einer Änderung der Kosten und/oder Marktverhältnisse führen.

Dies ergibt sich aus dem Ziel des Verordnungsgebers, unter Beachtung eines angemessenen Ausgleichs der gegenläufigen Interessen die geforderte Kosten- und Wärmemarktorientierung der Fernwärmepreise möglichst über die gesamte Vertragsdauer zu sichern.

Umfang des Rückforderungsanspruches

Aufgrund der langen Vertragslaufzeiten von Fernwärmelieferverträgen mit in der Regel jährlichen Preisanpassungen ist sehr umstritten, ob Versorgungsunternehmen ihren Kunden den gesamten überzahlten Betrag erstatten müssen. Zu der parallelen Frage bei unwirksamen Preisanpassungsklauseln in Gaslieferverträgen mit Sonderkunden hatte der BGH in einem Grundsatzurteilim Jahr 2012 (BGH, Urt. v. 14. 03.2012, VIII ZR 113/11) entschieden, dass Kunden alle Preisanpassungen hinnehmen müssen, die von ihnen nicht innerhalb von 3 Jahren ab Zugang der jeweiligen Jahresendabrechnung beanstandet wurden.

Dem OLG Naumburg hat zu dieser Frage entschieden, dass die vom BGH aufgestellten Grundsätze auch auf Fernwärmelieferverträge übertragbar sind. Abweichend gilt nach Ansicht des OLG jedoch in diesem Bereich eine kürzere Frist. Die Beanstandung von unwirksamen Preiserhöhungen für Fernwärmelieferungen ist nach diesem Urteil nur innerhalb von 2 Jahren ab Zugang der jeweiligen Jahresendabrechnung möglich. Danach kann die Preiserhöhung nicht mehr beanstandet werden.

Das Gericht leitet diese kürzere Frist aus den besonderen Rechtsgedanken der §§ 21 Abs. 2, 30 Nr. 2 AVBFernwärmeV her, die für Fälle von fehlerhaften Rechnungen oder Messungen bei Fernwärmelieferungen eine solche zweijährige Frist vorsehen. Der BGH hatte sich bei der Festlegung einer 3-Jahres-Grenze in seiner Entscheidung hingegen maßgeblich auf Vorschriften aus dem Gasliefervertragsrecht bezogen, die entsprechend längere Fristen vorsahen.

Das Urteil des OLG ist noch nicht rechtskräftig, das Revisionsverfahren ist derzeit vor dem BGH anhängig (Az. VIII ZR 174/14).

Kontext der Entscheidungen und Praxisrelevanz

Das Urteil ist eine Bestätigung und Präzisierung der BGH Rechtsprechung aus 2011 hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an Preisanpassungsklauseln in Wärmelieferverträgen. Es schafft jedoch nur insofern Rechtssicherheit, als dass Preisanpassungsklauseln in Wärmelieferverträgen, die mit den Preisanpassungsklauseln in dem vom Wärmelieferanten mit dem Brennstofflieferant geschlossenen Vertrag identisch sind, die von § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV geforderte Kostenorientierung grundsätzlich erfüllen. Rechtsunsicherheit besteht jedoch nach wie vor, inwieweit Spielräume für die Berücksichtigung weiterer kostenbezogener Preisänderungsfaktoren bestehen. Vor allem bleibt weiterhin ungeklärt, wie die Anforderungen bzgl. der Abbildung des Wärmemarktes gem. § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV zu erfüllen sind.

Weiterhin höchstrichterlich ungeklärt bleibt, wie die Anforderungen bzgl. der Abbildung des Wärmemarktes vertragsgestalterisch zu erfüllen sind. Die Ausführungen zur Teilnichtigkeit aufgrund der Veränderung der maßgeblichen Kostensituation während der Vertragslaufzeit dürften dabei auch für Änderungen der Marktlage während der Vertragslaufzeit von Wärmelieferverträgen relevant werden.

Eine in diesem Zusammenhang möglicherweise zu erwartende Tendenz, die Rückforderungsansprüche gegen Versorgungsunternehmen bereits auf Tatbestandsseite zu beschränken, ist dem Urteil des BGH allerdings nicht zu entnehmen. Vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung stellt dieses Urteil in wesentlichen Teilen eine Bestätigung und Präzisierung der inhaltlichen Anforderungen an Preisanpassungsklauseln dar. Insofern begrenzt erst die vom OLG Naumburg thematisierte zeitliche Grenze den Spielraum für die Durchsetzung von Rückforderungen der Endkunden.

Es bleibt abzuwarten, ob sich der BGH der Entscheidung des OLG Naumburg zur Begrenzung der Rückforderungsansprüche anschließt. Die Begründung des OLG ist zumindest überzeugend.

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