Der unpünktliche Arbeitnehmer: Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln

01.05.2009

[] Kommt ein Arbeitnehmer wiederholt in erheblichem Umfang zu spät zur Arbeit, so kann dies jedenfalls dann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn zuvor mehrere Ermahnungen und Abmahnungen erfolglos geblieben sind. Voraussetzung für eine Kündigung ist ein Verschulden des Arbeitnehmers. Von einem Verschulden ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer bereits mehrfach in erheblicher Weise verschlafen hat (LAG Köln, Urteil vom 20.10.2008, Az.: 5 Sa 746/08).

Sachverhalt

Der Kläger war seit über sechs Jahren als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Er war verpflichtet, im Schichtdienst tätig zu werden. Dies umfasste auch die Beschäftigung in der Frühschicht, die regelmäßig um 5:00 Uhr morgens begann. Bereits im Jahre 2006 erschien der Kläger mehrfach erst mit mehrstündiger Verspätung zur Arbeit. Aus diesem Grunde wurde ihm im April 2006 eine Ermahnung erteilt. Nachdem er in den folgenden Wochen erneut zu spät zur Arbeit gekommen war, wurde seitens der Personalabteilung ein Kritikgespräch mit dem Kläger geführt. Ferner wurde ihm ärztliche Hilfe angeboten, sofern er persönliche oder gesundheitliche Probleme haben sollte. Dieses Angebot nahm er nicht an. Auch in der Folgezeit änderte der Kläger sein Verhalten nicht, so dass ihm im Jahre 2007 zwei Abmahnungen erteilt wurden. Ihm wurde vor Augen gehalten, dass er im Wiederholungsfalle mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen müsse. Im Oktober schließlich war der Kläger erneut zur Frühschicht eingeteilt. Als er mit 3,5-stündiger Verspätung zur Arbeit erschien, kündigte der Arbeitgeber nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates das Arbeitsverhältnis ordentlich.

Der Kläger erhob gegen die Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht. Er führte aus, dass er das Zuspätkommen nicht zu vertreten habe. Er habe alle Maßnahmen ergriffen, um ein Verschlafen zu verhindern. Er führte aus, dass er bereits seit Dezember 2006 ein Schmerzmittel einnehme, was zu erhöhter Schläfrigkeit führe. Darüber hinaus habe er mehrere Wecker und Handys programmiert. Schließlich seien Frau und Schwiegermutter angewiesen gewesen, ihn um 4:00 Uhr morgens – auch telefonisch – zu wecken. Außerdem sei das Verschlafen für den Arbeitgeber nicht erheblich gewesen. Durch den Einsatz der Kollegen habe ein Produktionsausfall vermieden werden können. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Köln hat klargestellt, dass die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt war. Der Arbeitgeber sei aufgrund des mehrfachen erheblichen Zuspätkommens berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu beenden. Der Arbeitgeber habe davon ausgehen können, dass weitere Verspätungen in der Zukunft zu befürchten seien, nachdem mehrere Ermahnungen und Abmahnungen erfolglos geblieben seien. Es bestätigte damit die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Das Landesarbeitsgericht Köln hat ausgeführt, dass es die Hauptleistungspflicht eines Arbeitnehmers sei, die Arbeitsleistung pünktlich innerhalb der festgelegten Arbeitszeit zu erbringen. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung stelle einen verhaltensbedingten Mangel dar. Daher könne im Wiederholungsfalle eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen werden. Zugleich hat das Gericht jedoch auch klargestellt, dass eine verhaltensbedingte Kündigung nur dann Bestand haben kann, wenn der Arbeitnehmer das Zuspätkommen zu verschulden hat. Zugunsten des Arbeitgebers hat es jedoch angenommen, dass eine Vermutung für ein Verschulden besteht, wenn zuvor bereits erfolglos Ermahnungen bzw. Abmahnungen ausgesprochen worden sind. Der Kläger könne sich überdies nicht auf die von ihm dargestellten Maßnahmen zur Vermeidung eines Zuspätkommens berufen. Das Landesarbeitsgericht Köln hat über die Behauptungen des Klägers keinen Beweis erhoben, sondern die Richtigkeit des Vortrages unterstellt. Gleichwohl habe der Kläger noch weitergehende Mittel in Betracht ziehen müssen, um ein Verschlafen zu verhindern. Ihm hätte bewusst sein müssen, dass die Mittel nicht effektiv genug seien, nachdem auch die Wirkung mehrerer Handys, Wecker und nächtliche Anrufe seitens der Schwiegermutter „verpufft" seien. Der behaupteten Einnahme eines Schmerzmittels hat das Landesarbeitsgericht Köln keine entscheidende Bedeutung zukommen lassen, nachdem auch vor dessen Einnahme bereits mehrfach Verspätungen aufgetreten waren.

Anmerkung

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln ist im Ergebnis nicht überraschend und bestätigt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Landesarbeitsgericht Köln hat jedoch deutlich herausgearbeitet, dass an die Sorgfaltspflichten eines Arbeitnehmers hohe Anforderungen zu stellen sind. Im vorliegenden Fall hat der Kläger – wenngleich hierüber kein Beweis erhoben worden ist – eine Vielzahl von Gegenmaßnahmen ergriffen, um ein Verschlafen zu vermeiden. Gleichwohl hat das Gericht die Bemühungen nicht ausreichen lassen. Für den Arbeitgeber bedeutet dies, dass regelmäßig eine Vermutung für ein Verschulden besteht, wenn ein Arbeitnehmer mehrfach zu spät zur Arbeit kommt. Liegt mithin ein solcher Vermutungstatbestand vor, ist es die Sache des Arbeitnehmers, das Nichtverschulden darzulegen und zu beweisen. Im Umkehrschluss folgt aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln, dass eine Kündigung wegen wiederholten Zuspätkommens nicht gerechtfertigt ist, wenn es an einem Verschulden fehlt. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn äußere Einflüsse zur Verspätung geführt haben, z.B. Glatteis oder ähnliche unvorhersehbare Umstände. Allerdings besteht auch in derartigen Fällen kein Anspruch auf Lohnzahlung. Zu beachten ist überdies, dass vor einer verhaltensbedingten Kündigung zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden muss.

Schließlich ist in Bezug auf die Anhörung des Betriebsrats auf Folgendes hinzuweisen: Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat alle Umstände schildern, die aus seiner Sicht die Kündigung rechtfertigen. Hierbei ist eine subjektive Sicht maßgeblich. Kennt ein Arbeitgeber bestimmte Umstände nicht, ist die Anhörung nicht unwirksam, auch wenn sich der Arbeitnehmer später darauf beruft. Im vorliegenden Fall hat sich der Kläger erst im Prozess darauf berufen, er habe Medikamente genommen und zahlreiche Maßnahmen zum Aufwecken ergriffen. Da der Arbeitgeber diese Umstände bis dahin nicht kannte, war die Anhörung des Betriebsrats nicht wegen „Unvollständigkeit" unwirksam. Behält ein Arbeitgeber jedoch wider besseres Wissen entlastende Tatsachen für sich, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.

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