Die Einführung der Kosten-Nutzen-Analyse für Kraft-Wärme-Kopplung und Abwärme im Immissionsschutzrecht – Was steckt dahinter?

10.03.2015

[Berlin, ] Fragen der Energieeffizienz sind in den letzten Jahren zunehmend von einem (rein) politischen zu einem auch rechtlich relevanten Thema geworden.

Die Bundesregierung hat sich im Energiekonzept vom 28. September 2010 auf das Ziel festgelegt, den Primärenergieverbrauch um 20 Prozent bis zum Jahr 2020 zu senken und hierzu die rechtlichen und finanziellen Bedingungen in Deutschland neu auszugestalten.

Auf Europäischer Ebene ist am 4. Dezember 2012 die Energieeffizienzrichtlinie (2012/27/EU) mit inhaltlichen Vorgaben zu Energieeffizienz in diversen Sektoren in Kraft getreten. Die Richtlinie musste bis zum 5. Juni 2014 in deutsches Recht umgesetzt werden.

Der Umsetzung beider Vorgaben dient die aktuelle KWK-Kosten-Nutzen-Vergleichs-Verordnung der Bundesregierung („KNV-V“) zur Umsetzung von Artikel 14 der Richtlinie zur Energieeffizienz und zur Änderung weiterer umweltrechtlicher Vorschriften v. 5. November 2014 (BR-Drs. 538/14). Die Verordnung betrifft Vorhaben in den Sektoren Stromerzeugung (KWK), Industrie (Abwärme), sowie Energietransport (Fernwärme / Fern-kältenetze).

Wichtig ist vor allem, dass die Durchführung einer Kosten-Nutzen-Analyse für Kraft-Wärme-Kopplung und Abwärme Bestandteil des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens und die KWK- und Abwärmenutzung (unter Einschränkungen) zur Genehmigungsvoraussetzung wird.

I. Umzusetzender Inhalt der Energieeffizienzrichtlinie

Zentrale Norm, die mittels der Verordnung umgesetzt werden soll, ist Artikel 14 Energieeffizienzrichtlinie, die den wesentlichen Rahmen für die Bundesregierung vorgibt. Für in der EU tätige Unternehmen ist die in Art. 14 Abs. 5 – 8 Energieeffizienzrichtlinie geregelte betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse für individuelle Anlagen relevant. Die Regelungen verpflichten die Mitgliedsstaaten zur Einführung einer vorhabenbezogenen Kosten-Nutzen-Vergleichs zur Ermittlung des kostenwirksamen Potentials möglicher Energiesparoptionen. Die betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse betrifft also die Phase der Projektzulassung für bestimmte Neubau- oder erhebliche Modernisierungsvorhaben (Stromerzeugung, Industrieanlagen, Fernwärme- oder Fernkältenetze).

Um die Unternehmen zur Durchführung dieser Analyse zu verpflichten, sollen die Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 7 Energieeffizienzrichtlinie Genehmigungs-oder Erlaubniskriterien und Verfahren für die Genehmigung der Errichtung oder wesentliche Modernisierung von Stromerzeugungsanlagen, sonstigen Industrieanlagen und Fernwärme- oder Fernkältenetzen beschließen.

II. Inhalt der Verordnung

Bislang existierten im deutschen Recht keine verbindlichen Vorgaben zur Bewertung des Potenzials für den Einsatz hocheffizienter KWK, für die Nutzung von Abwärme und für eine effiziente Fernwärme – oder Fernkälteversorgung in Genehmigungsverfahren, die den umfassenden Anforderungen der Energieeffizienzrichtlinie Rechnung tragen.

1. Betroffene Anlagen

Die Verpflichtungen aus der Verordnung gelten nach § 1 KNV-V für:

• Feuerungsanlagen zur Erzeugung von Strom mit einer Feuerungswärmeleistung von mehr als 20 MW (Stromerzeugungsanlagen),

• sonstige Anlagen, bei denen Abwärme mit einem nutzbaren Temperaturniveau entsteht, mit einer Feuerungswärmeleistung von mehr als 20 MW (Industrieanlagen),

• Feuerungsanlagen zur Erzeugung von Wärme mit einer Feuerungswärmeleistung von mehr als 20 MW in einem bestehenden Fernwärme- oder Fernkältenetz

• sowie bei der Planfeststellung für ein neues Fernwärme- oder Fernkältenetz.

Von der Verpflichtung zur Durchführung einer Kosten-Nutzen-Analyse befreit sind dagegen

• Anlagen, die in der Nähe einer nach § 11 des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes zugelassenen geologischen Speicherstätte angesiedelt werden müssen (§ 3 Abs. 4 Nr. 1)

• Feuerungsanlagen zur Erzeugung von Strom, die im gleitenden Durchschnitt über einen Zeitraum von fünf Jahren unter 1500 Betriebsstunden jährlich in Betrieb sind (§ 3 Abs. 4 Nr. 2)

• Anlagen, wenn die zur Verfügung stehende nutzbare Abwärme weniger als 10 MW beträgt (§ 3 Abs. 5 Nr. 1),

• Anlagen, wenn die Wärmenachfrage weniger als 10 MW beträgt (§ 3 Abs. 5 Nr. 2)

• Fernwärme-und Fernkältenetze nach § 1 Nr. 2, wenn ein Trassenausbau zwischen dem nächstmöglichen Einspeisepunkt des Fernwärme- oder Fernkältenetzes und der Anlage unzumutbar ist (§ 3 Abs. 6 Satz 1).

2. Erfasste Vorhaben und Zulassungsverfahren

Nach § 3 Abs. 1 KNV-V ist für die Errichtung oder erheblichen Modernisierung einer Stromerzeugungs- oder Industrieanlage nach § 1 KNV-V im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine Wirtschaftlichkeitsanalyse einschließlich eines Kosten-Nutzen-Vergleichs vorzulegen.

Bei diesen Anlagentypen, Stromerzeugungs- und Industrieanlagen, ist das Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) einschlägig. Die Verordnung erfasst, wie bereits von der Energieeffizienzrichtlinie vorgegeben, die Errichtung sowie die „erhebliche Modernisierung“ von Anlagen. Als erheblich gilt eine Modernisierung dann, wenn die Kos-ten mehr als 50 Prozent der Investitionskosten für eine neue vergleichbare Anlage betragen (§ 2 Nr. 7 KNV-V).
Die gleichen Pflichten gelten nach § 3 Abs. 2 KNV-V für die Errichtung eines Fernwärme-oder Fernkältenetzes. Hier ist die Wirtschaftlichkeitsanalyse einschließlich eines Kosten-Nutzen-Vergleichs im Planfeststellungs-verfahren vorzulegen.

Von zentraler Bedeutung für den Anwendungsbereich der Verordnung ist, dass nach § 3 Abs. 1 die Kosten-Nutzenanalyse im immissionsschutzrechtlichen Verfahren nur dann vorzulegen ist, wenn in der Planung für das Vorhaben (vor Einreichung der Antragsunterlagen bei der Genehmigungsbehörde) keine Abwärmenutzung vorgehen war. Gleiches gilt nach § 3 Abs. 2 für die Errichtung eines Fernwärme- oder Fernkältenetzes.

3. Inhalt der Analyse

Der Inhalt der Unterlagen, die den Genehmigungsbehörden vorgelegt werden muss, unterscheidet sich je nach Typ der geplanten Anlage.

a) Stromerzeugungsanlagen und Industrieanlagen

Nach § 4 Abs. 1 KNV-V sind bei Stromerzeugungsanlagen die Kosten und der Nutzen von Vorkehrungen für den Betreib der Anlage als hocheffiziente KWK-Anlage zu bewerten. Nach § 4 Abs. 2 KNV-V sind bei Industrieanlagen die Kosten und der Nutzen der Verwendung der Abwärme zur Deckung eines wirtschaftlich vertretbaren Bedarfs, auch durch Kraft-Wärme-Kopplung, und der Anbindung an ein Fernwärme-oder Fernkältenetz zu bewerten.

Der Vorhabenträger muss daher in einem ersten Schritt gem. § 5 Abs. 1 KNV-V geeignete Wärmebedarfspunkte ermitteln. Dazu gehören u.a. eigene und fremde Anlagen mit Wärmebedarf sowie bestehende Fernwärmenetze. Ergibt die Ermittlung dieser Wärmebedarfspunkte, dass eine Anbindung technisch nicht möglich ist, so sind die Prüfpflichten des Vorhabenträgers erschöpft, was er der Zulassungsbehörde mitzuteilen hat (§ 5 Abs. 3 KNV-V).

Sind Wärmebedarfspunkte gegeben, so muss der Vorhabenträger im zweiten Schritt die Wirtschaftlichkeitsanalyse durchzuführen (§ 6 KNV-V). Dabei hat er eine Analyse anzufertigen, in der die Kosten dem Nutzen der Anlage gegenübergestellt wird. Maßgeblicher Faktor auf der Nutzenseite sind insbesondere die Brennstoffersparnis, während auf der Kostenseite Investitionskosten, Betriebskosten, Finanzierungskosten etc. zu betrachten sind.

b) Fernwärme- und Fernkältenetze

Vor der Errichtung eines Fernwärme- oder Fernkältenetzes sind hingegen nach § 4 Abs. 3 KNV-V – spiegelbildlich - die Kosten und der Nutzen der Verwendung der Abwärme von nahegelegenen Anlagen (Industrieanlagen) zu bewerten. Der Vorhabenträger muss daher zunächst die zur Anbindung geeigneten Anlagen ermitteln, die bisher in seiner Planung nicht berücksichtigt wurden. Im Übrigen folgt die Kosten-Nutzen-Analyse im Wesentlichen den Maßstäben für Stromerzeugungs- und Industrieanlagen.

4. Rechtsfolgen der Analyse

Die Kosten-Nutzen-Analyse kann dementsprechend positiv oder negativ ausfallen (§ 7 KNV-V). Beachtlich sind die Konsequenzen eines positiven Ergebnisses. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 KNV-V ist dieses Ergebnis von der Behörde bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens zu berücksichtigen. Nach § 8 Abs. 2 S. 1 KNV-V kann die Behörde die Zulassung auch bei einem positiven Ergebnis nicht versagen, wenn Maßnahmen auf Grund von Rechtsvorschriften, bestehenden Eigentumsverhältnissen oder der Finanzlage nicht möglich sind.

Damit wird bei positivem Prüfungsergebnis in der Konsequenz eine grundsätzliche Pflicht zur KWK- und Abwärmenutzung festgelegt. Die KWK- und Abwärmenutzung wird zur Genehmigungsvoraussetzung. Dies ist eine beachtliche Neuerung gegenüber dem bisherigen Anlagenzulassungsrecht, das eine solche Abwägung bisher dem Vorhabenträger überlassen hat.

III. Praktische Konsequenzen

Das Bundeswirtschaftsministerium geht , gestützt auf die Aussage eines Verbandes, davon aus, dass ca. 2.500 Anlagen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 KNV-V existieren, von denen pro Jahr ca. 150 neu gebaut oder erheblich modernisiert werden (BR-Drs. 538/14, S. 24).

Fraglich ist insbesondere, wie sich die Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach § 8 Abs. 1 S. 1 KNV-V auf das präventive Verbot mit Erlaubnisvor-behalt gemäß § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) auswirkt. Wichtig ist, das in § 8 Abs. 2 S. 1 KNV-V statuierte intendierte Ermessen. Die Behörde die Zulassung darf auch bei einem positiven Ergebnis der Kosten-Nutzen-Analyse die Erteilung der Genehmigung nicht versagen, wenn die Durchführung der Energieeffizienz-Maßnahmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Heißt das umgekehrt, dass die Genehmigung in anderen Fällen zu versagen ist, wenn die Kosten-Nutzen-Analyse positiv ist?

IV. Stand des Verfahrens

Das Verfahren zum Erlass der Verordnung steht kurz vor dem Abschluss.

Der Bundesrat hat der Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Beschluss v. 6. März 2014 zugestimmt. Dies war notwendig, da es sich um eine zustimmungsbedürftige Verordnung gem. Art. 80 Abs. 2 GG handelt. Die Zustimmung durch den Bundesrat erfolgte aber nicht uneingeschränkt, sondern mit der Maßgabe einer punktuellen Änderung, der Bundesrat hält eine Änderung von § 3 KNV-V für notwendig. Er bemängelt, dass die Analyse nur dann vorzulegen ist, wenn nach der Planung des Vorhabenträgers überhaupt keine KWK oder überhaupt keine Abwärmenutzung geplant ist. Dies führt nach Einschätzung des Bundesrates dazu, dass die KNV-V leicht zu umgehen ist, da die meisten Vorhabenträger jedenfalls in geringem Umfang immer eine Abwärmenutzung planen.

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