Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Tariffähigkeit einer christlichen Gewerkschaft verstärkt Rechtsunsicherheit im Bereich der Leiharbeit

02.05.2011

[] Die Tariffähigkeit einer von Gewerkschaften gebildeten Spitzenorganisation im Sinne des § 2 Abs. 3 TVG setzt voraus, dass deren Organisationsbereich mit dem ihrer Mitgliedsgewerkschaften übereinstimmt (BAG, 14.12.2010, 1 ABR 19/10).

Sachverhalt

Gegenstand der Entscheidung war ein Antrag der Gewerkschaft ver.di auf Feststellung der Tariffähigkeit bzw. Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP). Die CGZP wurde im Dezember 2002 gegründet. Laut Satzung besteht ihre Aufgabe ausschließlich darin, für die Mitglieder der ihr zugehörigen Gewerkschaften Tarifverträge auf dem Gebiet der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zu schließen. Der Tätigkeitsbereich der derzeitigen Mitgliedsgewerkschaften Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), Berufsgewerkschaft (GHV) sowie Gewerkschaft öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD) beschränkt sich indes jeweils nicht auf den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, sondern geht darüber hinaus.

Seit einer Satzungsänderung der CGZP im Jahr 2009 war es den Mitgliedsgewerkschaften zudem erlaubt, selbst Tarifverträge mit Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden der Zeitarbeitsbranche zu schließen. Das Arbeitsgericht Berlin hatte der CGZP in erster Instanz die Tariffähigkeit mit der Begründung abgesprochen, dass sie nicht über eine ausreichende soziale Mächtigkeit verfüge. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg stimmte dem im Ergebnis zu, führte jedoch die fehlende Tariffähigkeit der CGZP auf die Satzungsänderung im Jahr 2009 sowie darauf zurück, dass der satzungsmäßige Zuständigkeitsbereich der CGZP über denjenigen der jeweiligen Satzung der Mitgliedsgewerkschaften hinausgehe.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg im Wesentlichen bestätigt und damit die Tariffähigkeit der CGZP verneint. Zur Begründung stellte das Bundesarbeitsgericht ebenfalls darauf ab, dass sich der satzungsmäßige Zuständigkeitsbereich der CGZP von demjenigen der jeweiligen Mitgliedsgewerkschaften unterscheide. Zum einen hätten die Mitgliedsgewerkschaften ihre Tariffähigkeit der CGZP nicht vollständig vermittelt, da der satzungsmäßige Zuständigkeitsbereich in allen Fällen über den Bereich der Leiharbeit hinausgehe.

Zum anderen gehe die Zuständigkeit der CGZP wiederum über diejenige ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus, da diese nicht im kompletten Bereich der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung zuständig seien. In erster Linie aufgrund dieser Umstände hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die CGZP eine Tariffähigkeit als Spitzenorganisation innerhalb des satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereiches nicht von ihren Mitgliedsgewerkschaften ableiten könne. Das Bundesarbeitsgericht hat hierbei bewusst offen gelassen, ob die einzelnen Mitgliedsgewerkschaften selbst tariffähig sind. Auch zu der Frage der erforderlichen sozialen Mächtigkeit der CGZP enthielt sich das Gericht einer Stellungnahme.

Anmerkung

Die nunmehr endgültige Klärung der (fehlenden) Tariffähigkeit der CGZP hat gravierende Auswirkungen auf die gesamte Zeitarbeitsbranche. Die hiermit einhergehende Unwirksamkeit der von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge führt dazu, dass viele Leiharbeitnehmer auch für die Vergangenheit eine Bezahlung fordern können, welche vergleichbare Arbeitnehmer in dem jeweiligen Entleiherbetrieb erhalten (vgl. § 9 Nr. 2 AÜG). Daher können sich Leiharbeitgeber massiven Gehaltsnachforderungen ausgesetzt sehen. Gleiches gilt für die dadurch notwendig werdende Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen. Problematisch ist darüber hinaus, dass die Frage nach der sozialen Mächtigkeit und damit auch nach der Tariffähigkeit der einzelnen Mitgliedsgewerkschaften weiterhin unbeantwortet bleibt. Dementsprechend besteht auch für die zukünftige Entwicklung eine enorme Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Einhaltung des Equal-Pay-Grundsatzes des § 9 Nr. 2 AÜG. Von einer Inbezugnahme von Tarifverträgen der CGZP oder einer der ihr zugehörigen Mitgliedsgewerkschaften kann derzeit nur abgeraten werden. Hinzu kommt, dass sich Regierung und Opposition mittlerweile im Hartz-IV-Vermittlungsausschuss auf einen gesetzlichen Mindestlohn für Leiharbeitnehmer auch in verleihfreien Zeiten von voraussichtlich mindestens € 7,60/Std. (West) bzw. € 6,65/Std. (Ost) geeinigt haben.

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