Im Kündigungsschutzprozess entscheidet häufig die Frage, ob eine Kündigung dem Arbeitnehmer rechtzeitig zugegangen ist. Arbeitgeber verlassen sich seit Jahren auf das Einwurf-Einschreiben als sichere Zustellungsform. In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht jedoch klargestellt, dass dieser Weg erhebliche Unsicherheiten birgt. Das Urteil setzt neue Maßstäbe für die Praxis und zwingt Arbeitgeber dazu, ihre Strategien zur wirksamen Zustellung von Kündigungen kritisch zu prüfen.
Problemaufriss
Die Zustellung von Kündigungserklärungen im Arbeitsrecht ist ein kritischer Vorgang, da der Erfolg im Kündigungsschutzprozess davon abhängt, dass der Zugang beim Empfänger nachweisbar ist. Besonders bei fristgebundenen Kündigungen, wie der außerordentlichen Kündigung, die innerhalb von zwei Wochen ausgesprochen werden muss (§ 626 Abs. 2 BGB), ist der Nachweis des Zugangs entscheidend. Arbeitgeber haben mehrere Zustelloptionen, darunter die Beauftragung eines Anwalts, Kurierdienste, die Nutzung eigener Mitarbeiter oder den Versand per Einschreiben. Das Einwurf-Einschreiben erscheint auf den ersten Blick als kostengünstige und praktikable Lösung, birgt jedoch erhebliche Risiken. Wählt der Arbeitgeber die Zustellung per Einwurf-Einschreiben, richtet sich der Zugang der Kündigungserklärung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 31. Januar 2025 – 2 AZR 68/24) verdeutlicht, dass der Nachweis des Zugangs bei dieser Zustellungsart strenge Anforderungen erfüllen muss, die oftmals unterschätzt werden. Ohne eine präzise Dokumentation, insbesondere einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs, ist der Zugang nicht gerichtsfest nachweisbar, was die Kündigung unwirksam machen kann. Dies stellt Arbeitgeber vor die Herausforderung, die komplexen Anforderungen der Zustellung zu erfüllen, ohne rechtliche Risiken einzugehen.
Urteil des Bundes-
arbeitsgerichts vom 31. Januar 2025 – 2 AZR 68/24
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 30. Januar 2025 (Az. 2 AZR 68/24) klargestellt, dass der bloße Versand einer Kündigungserklärung per Einwurf-Einschreiben in Kombination mit dem Sendungsstatus „zugestellt“ keinen ausreichenden Anscheinsbeweis für den tatsächlichen Zugang beim Empfänger bzw. Arbeitnehmer darstellt.
Im konkreten Fall hatte eine Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis einer Mitarbeiterin gekündigt und sich für den Beweis des Zugangs der Kündigungserklärung auf den Einlieferungsbeleg sowie den Online-Status „zugestellt“ bei der Deutschen Post berufen. Die Arbeitnehmerin bestritt jedoch den Erhalt des Schreibens. Das Bundesarbeitsgericht wies die Revision der Arbeitgeberin zurück und bestätigte die Vorinstanzen: Ohne zusätzlichen Auslieferungsbeleg oder weitere Beweise wie Zeugenaussagen könne der Zugang nicht als bewiesen gelten. Die Beweislast liege beim Kündigenden. Der Einlieferungsbeleg sei nur ein Nachweis für die Absendung des Kündigungsschreibens, nicht jedoch für den Zugang. Auch der Sendungsstatus biete keinen ausreichenden Nachweis für den Zugang, da insbesondere Angaben zur Person des Zustellers und weitere Details der Zustellung fehlen.
Für den Beweis des Zugangs sei vielmehr der sog. Auslieferungsbeleg erforderlich. Dies ist ein interner Zustellnachweis der Deutschen Post, welcher zusätzlich zur Sendungsnummer auch die Uhrzeit, die konkrete Zustellanschrift, das Zustelldatum sowie die Unterschrift des zustellenden Mitarbeiters der Deutschen Post ausweist. Die Arbeitgeberin war zur Vorlage nicht (mehr) in der Lage, da der Beleg nur für eine bestimmte Zeit abrufbar ist.
Im Ergebnis stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis mangels bewiesenen Zugangs der Kündigungserklärung nicht beendet worden ist.
Praxisrelevanz und Fazit
Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Arbeitgeber und löst Diskussionen über sichere Kündigungsverfahren aus. Für die Praxis bedeutet es, dass der Versand per Einwurf-Einschreiben allein nicht mehr als zuverlässiger Nachweis dient, insbesondere wenn der Empfänger den Erhalt bestreitet – was in Kündigungsschutzprozessen häufig vorkommt.
Daher empfehlen wir: Kündigungen sollten idealerweise persönlich am Arbeitsplatz und im Beisein von Zeugen übergeben werden. Alternativ bietet sich ein lückenlos dokumentierter Einwurf durch einen Boten als sichere Zustellmethode an.
Sollte die Kündigung dennoch per Einwurf-Einschreiben übermittelt werden, ist unverzüglich nach Zustellung die Reproduktion des Auslieferungsbelegs bei der Post anzufordern und zu dokumentieren. Dies ist etwa telefonisch
(0228 4333112) oder per E-Mail
(kundenservice [at] deutschepost.de) möglich.
Anderenfalls kann der fehlende Beweis des Zugangs der Kündigungserklärung zu der Fortsetzung ungewollter Arbeitsverhältnisse und Lohnnachzahlungen führen
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung –wir unterstützen und beraten Sie gern!