Ein Grundstücksverkäufer muss grundsätzlich nicht über den Versicherungsbestand informieren – Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. März 2020 (V ZR 61/19)

02.03.2021

SturmschadenEinführung

Wird ein bebautes Grundstück veräußert, so tritt der Erwerber gemäß § 95 Abs. 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) grundsätzlich mit seiner Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch in die bestehenden grundstücksbezogenen Versicherungen wie zum Beispiel eine Wohngebäudeversicherung ein. Der Gesetzgeber will den Erwerber auf diese Weise vor einer fehlenden Versicherungsdeckung und den damit verbundenen Risiken schützen. 

Bei einem Grundstückserwerb besteht die Besonderheit, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung des Kaufgegenstands (sogenannter Gefahrübergang) grundsätzlich bereits mit der (wirtschaftlichen) Übergabe des Kaufgegenstands und zeitlich vor der Eigentumsübertragung eintritt. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gebäudeversicherungsvertrag daher auch ohne ausdrückliche Regelung dahingehend auszulegen, dass der Käufer bereits in der Zeit zwischen dem Gefahrübergang und der Eigentumsübertragung den Versicherungsschutz mit genießt. Der Erwerber eines bebauten Grundstücks ist daher grundsätzlich ausreichend abgesichert. 

Welche Kaufvertragspartei ist aber verantwortlich, wenn ein bei Kaufvertragsabschluss noch versichertes Gebäude im Anschluss seinen Versicherungsschutz verliert, ohne dass der Verkäufer hierauf hinweist, und das Gebäude sodann nach Gehfahrübergang beschädigt wird? Über einen solchen Fall hatte nunmehr der Bundesgerichtshof zu entscheiden.

Was war passiert?

Der Beklagte als Verkäufer und der Kläger als Käufer hatten einen Grundstückskaufvertrag betreffend ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück unter Ausschluss der Sachmängelhaftung geschlossen. In dem Vertrag war geregelt, dass alle Verpflichtungen aus den den Grundbesitz betreffenden Versicherungen auf den Kläger übergehen. Zum Zeitpunkt der Beurkundung bestand eine Wohngebäudeversicherung für das Wohnhaus. Nach der Beurkundung kündigte der Versicherer diese Versicherung, die sodann kurze Zeit später endete. Hierüber informierte der Beklagte den Käufer nicht. Nachdem der Gefahrübergang auf den Kläger erfolgt war, erlitt das Dach des Hauses infolge eines Unwetters einen Schaden in Höhe von ca. EUR 40.000,00. Der Kläger machte diesen Betrag als Schadensersatz gegen den Beklagten geltend.

Die Entscheidung des Gerichts

Mit Urteil vom 20. März 2020 (V ZR 61/19) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass dem Kläger keine Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wegen des beschädigten Dachs zustehen.

Der Beklagte war nach Auffassung des Bundesgerichtshofs – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – nicht verpflichtet, eine im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses bestehende Gebäudeversicherung aufrechtzuerhalten bzw. das Gebäude nach der Kündigung der Versicherung im Interesse des Käufers neu zu versichern. Auch wenn der Käufer ein Interesse daran habe, dass eine im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags bestehende Gebäudeversicherung aufrechterhalten bleibt, könne hieraus keine entsprechende Pflicht des Verkäufers abgeleitet werden.  

Eine andere rechtliche Bewertung ergäbe sich gemäß dem Gericht nur, sofern sich der Beklagte kaufvertraglich zu der Aufrechterhaltung einer bestehenden bzw. zu dem Abschluss einer neuen Gebäudeversicherung verpflichtet hätte. Eine solche Verpflichtung wurde in dem Kaufvertrag jedoch gerade nicht aufgenommen.

Der Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Kläger über den Wegfall der Gebäudeversicherung zu unterrichten. Zwar könne nach Treu und Glauben auch noch nach Vertragsabschluss bzw. -erfüllung eine Pflicht bestehen, den Vertragspartner auf bestimmte Umstände hinzuweisen, damit diesem nicht mit der vorangegangenen Vertragserfüllung zusammenhängende Schäden entstehen. Eine solche Informationspflicht bestehe aber nicht, wenn es sich um Umstände handelt, die in den eigenen Verantwortungsbereich des Vertragspartners fallen und dieser entsprechend keine Mitteilung erwarten durfte. 

Ausweislich des Bundesgerichtshofs muss der Verkäufer eines bebauten Grundstücks den Käufer daher grundsätzlich nicht ungefragt darüber unterrichten, dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine Gebäudeversicherung besteht oder ihn über eine nach Vertragsabschluss erfolgte Beendigung einer solchen Versicherung informieren. Es obliege mithin dem Käufer, sich zu erkundigen, ob eine Versicherung (noch) existiert: Unterbleibt eine entsprechende Nachfrage bei dem Verkäufer, fallen die hieraus entstehenden Nachteile nach Ansicht des Gerichts in die Risikosphäre des Käufers. An dieser Risikoverteilung ändere sich nichts, wenn eine Gebäudeversicherung nach der Verkehrsanschauung üblich ist. Ein Käufer dürfe sich nicht darauf verlassen, dass der (erwartete) Versicherungsschutz für die erworbene Immobilie fortbesteht. 

Lediglich wenn ein Verkäufer vor oder bei Abschluss des Kaufvertrags erklärt, dass eine Gebäudeversicherung besteht, könnte dies gemäß dem Bundesgerichtshof zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen. Wird in einem solchen Fall das Versicherungsverhältnis vor Eigentumsumschreibung beendet, so hätte der Verkäufer in aller Regel die vertragliche Nebenpflicht, den Verkäufer hierüber unverzüglich zu unterrichten. Denn er habe insoweit einen Vertrauenstatbestand gesetzt. Eine solche Nebenpflicht besteht laut Ansicht des Gerichts sodann auch unabhängig davon, ob die Erklärung über das Bestehen einer Gebäudeversicherung in den Kaufvertrag aufgenommen worden ist. Der Beklagte hatte jedoch keine derartigen Aussagen getätigt. Auch in dem Kaufvertrag seien keine Erklärungen dahingehend aufgenommen worden, dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine Gebäudeversicherung tatsächlich besteht.

Bewertung und Relevanz für die Praxis 

Der Erwerber eines bebauten Grundstücks wird ab Gefahrübergang zwar über den § 95 VVG mitversichert, dies jedoch nur, wenn ein solcher Versicherungsschutz zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs auch tatsächlich noch besteht. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs besteht allerdings keine grundsätzliche Pflicht des Verkäufers, den Käufer über eine fehlende Gebäudeversicherung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder über eine nach Vertragsschluss erfolgte Beendigung einer Versicherung zu unterrichten. Der vorliegende Fall illustriert somit, dass durchaus Konstellationen eintreten können, in denen ein Grundstückserwerber trotz des weitreichenden Schutzes nach § 95 VVG keinen Versicherungsschutz genießt und sich infolge nach Gefahrübergang eintretender Schäden sodann nicht an den schweigsamen Verkäufer halten kann. 

Um ein solches Risiko zu vermeiden, empfiehlt es sich auf Käuferseite, den Verkäufer vor Beurkundung aktiv auf den Versicherungsschutz anzusprechen und eine entsprechende Erklärung des Verkäufers in den Kaufvertrag aufzunehmen. Idealerweise könnte dies über eine Zusicherung des Verkäufers, dass klar definierte Versicherungsverträge nach Vertragsabschluss (ungekündigt) fortbestehen, oder zumindest über eine Aufklärungspflicht des Verkäufers vertraglich abgebildet werden. 

Abschließend sei noch angemerkt, dass in der Grundstückskaufvertragspraxis ein Käufer oftmals auch das Interesse hat, bestehende Versicherungsverträge gerade nicht zu übernehmen und sich selbst um den Versicherungsschutz des bebauten Grundstücks zu kümmern. Der in § 95 VVG verankerte Eingriff in die Vertragsfreiheit kann wiederum durch den § 96 Abs. 2 VVG korrigiert werden. Hiernach ist der Erwerber berechtigt, ein bestehendes Versicherungsverhältnis binnen eines Monats nach dem Eigentumserwerb mit sofortiger Wirkung oder für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen. Kaufvertraglich können die Parteien sogar unter sich vereinbaren, dass der Versicherungsschutz zum Gefahrübergang endet und es Sache des Käufers ist, den Kaufgegenstand ab Gefahrübergang selbst ausreichend zu versichern.

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