[] Weigert sich ein Arbeitnehmer aus religiösen Gründen, eine Arbeitsaufgabe zu erfüllen, zu der er sich vertraglich verpflichtet hat, kann dies eine Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen (BAG, 24.02.2011, 2 AZR 636/09).
Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten als „Ladenhilfe" in einem großen Warenhaus beschäftigt. Im Februar 2008 weigerte er sich, auf Anweisung der Beklagten im Getränkebereich zu arbeiten. Der Kläger ist gläubiger Moslem und berief sich darauf, dass sein Glaube es ihm verbiete, in irgendeiner Form an der Verbreitung von alkoholischen Getränken mitzuwirken. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis, wogegen der Kläger Kündigungsschutzklage einreichte. Die Wirksamkeit der Kündigung wurde in zweiter Instanz durch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein bestätigt.
Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurück. Zur Begründung führte der Senat aus, dass nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt noch nicht abschließend beurteilt werden könne, ob die Weigerung des Klägers zur Mitarbeit in der Getränkeabteilung die Kündigung durch die Beklagte rechtfertigte. Grundsätzlich könne zwar eine Weigerung des Arbeitnehmers aus religiösen Gründen zur Erfüllung einer Arbeitsaufgabe, zu welcher er vertraglich verpflichtet ist, gerechtfertigt sein.
Der Kläger müsse jedoch – sofern er sich aus religiösen Gründen an der Ausübung vertraglich geschuldeter Tätigkeiten gehindert sieht – dem Arbeitgeber mitteilen, worin genau die religiösen Gründe bestehen und an welchen Tätigkeiten genau er sich deswegen gehindert sieht. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung sei indes, dass die Beklagte dem Kläger keine anderweitigen naheliegenden Beschäftigungen zuweisen kann, welche den religiös bedingten Einschränkungen Rechnung tragen. Vorliegend habe der Kläger schon nicht hinreichend deutlich vorgetragen, welche Tätigkeiten genau ihm aufgrund seiner religiösen Überzeugung unmöglich seien. Daher sei auch eine abschließende Beurteilung über etwaige anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten nicht möglich.
Anmerkung
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist in praktischer Hinsicht großen Bedenken ausgesetzt. Zwar ist die juristische Argumentation in Bezug auf die Bedeutung des Schutzgutes der Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG dem Grunde nach durchaus nachvollziehbar. In Bezug auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen und die Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts ist die Rechtsprechung jedoch nicht unproblematisch. Der Arbeitgeber könnte versuchen, einer potentiellen Arbeitsverweigerung aus religiösen Gründen mit einer derart eng umrissenen Vereinbarung hinsichtlich des arbeitsvertraglichen Pflichtenkreises zu begegnen, dass eine Arbeitsverweigerung mangels anderweitiger arbeitsvertragsgemäßer Einsatzmöglichkeiten zwangsläufig zur (wirksamen) Kündigung führt. Hiermit wäre jedoch gleichzeitig das Weisungsrecht des Arbeitgebers während des Arbeitsverhältnisses enorm eingeschränkt.
Dies ist weder im Interesse des Arbeitgebers noch des Arbeitnehmers, da dieser auch unabhängig von religiös motivierter Arbeitsverweigerung hiermit ein deutlich höheres Risiko etwa einer betriebsbedingten Kündigung hinnehmen muss. Ob der vorliegend entschiedene Sachverhalt letztlich die Kündigung rechtfertigen kann, werden erst die neuerliche Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein und die vermutlich erneut folgende Revision zum Bundesarbeitsgericht zeigen.