Lange Zeit war es umstritten, ob die Regelung des § 179a AktG auf die GmbH entsprechende Anwendung findet. Nach § 179a AktG bedarf ein Vertrag, durch den sich eine Aktiengesellschaft zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet, der Zustimmung der Hauptversammlung. Dabei führt die mangelnde Zustimmung der Hauptversammlung zur Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäftes, was zu komplizierten und aufwändigen Rückabwicklungen von solchen Verträgen führen kann. Bisher war in der rechtswissenschaftlichen Literatur weit überwiegend angenommen worden, dass dieser Zustimmungsvorbehalt nebst Rechtsfolgen aufgrund einer analogen Anwendung des § 179a AktG auch bei GmbH Anwendung findet. Nachdem keine einschlägige Rechtsprechung hierzu vorlag und eine gewisse Rechtsunsicherheit bestand, hatte nunmehr der Bundesgerichtshof (BGH) endlich Gelegenheit, diese Rechtsfrage zu klären.
BGH-URTEIL VOM 8. JANUAR 2019 (II ZR 364/18)
Grundlage für das Urteil des BGH vom 8. Januar 2019 war folgender Sachverhalt: Eine GmbH veräußerte im Rahmen der Liquidation ihr Betriebsgrundstück, welches ihr wesentliches Vermögen darstellte. Ob ein zustimmender Gesellschafterbeschluss vorlag, war zwischen den Parteien streitig. Vor Abschluss des Grundstückskaufvertrages informierte ein Gesellschafter der GmbH den Erwerber, dass nach seiner Auffassung ein zustimmender Beschluss nicht gefasst worden sei und er dem Verkauf nicht zustimme, sondern widerspreche. Nach Abschluss des Grundstückskaufvertrages verklagte die GmbH den Erwerber des Grundstücks auf Zustimmung zur Löschung der Auflassungvormerkung, da nach ihrer Auffassung der Grundstückskaufvertrag mangels Zustimmung gem. § 179a AktG unwirksam sei. Das OLG Brandenburg als Vorinstanz lehnte einen solchen Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafterversammlung gem. § 179a AktG analog ab, da sich die GmbH bereits in Liquidation befand und daher die Veräußerung wesentlicher Bestandteile des Vermögens mit der Auflösung beschlossen sei.
§ 179A AKTG NICHT AUF GMBH ANWENDBAR
Der BGH setzte sich sehr ausführlich mit der Frage auseinander, ob § 179a AktG – unabhängig von der Liquidation – bei der GmbH Anwendung findet. Im Ergebnis widersprach er der herrschenden Ansicht in der Literatur und verneinte mit einer Vielzahl von Gründen eine analoge Anwendung. So spreche nach Ansicht des BGH die Gesetzgebungsgeschichte zur Einführung des § 179a AktG gegen eine analoge Anwendung, da bewusst auf eine entsprechende Änderung des GmbHG verzichtet worden sei. Auch führe eine nach Sinn und Zweck der Norm berücksichtigende Interessenabwägung zwischen dem Schutz des Gesellschafterinteresses und dem Schutz des redlichen Rechtsverkehrs bei einer Veräußerung des gesamten Vermögens gegen eine analoge Anwendung. So seien die Gesellschafter einer GmbH nicht so schutzbedürftig wie Aktionäre und das Prinzip der unbeschränkten Vertretungsmacht der Geschäftsführer gem. § 37 Abs. 2 GmbHG wäre bei entsprechender Anwendung des § 179a AktG gefährdet. Demgegenüber sehe das Aktienrecht in den §§ 76 ff. und §§ 111 ff. AktG klare Zuständigkeitsabgrenzungen vor.
ZUSTIMMUNGSVORBEHALT BEI BESONDERS BEDEUTSAMEN GESCHÄFTEN
Als weiteres Argument führte der BGH an, dass das Schutzanliegen des § 179a AktG im Recht der GmbH bereits sichergestellt sei. So nahm er auf seine Rechtsprechung Bezug, wonach der Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet sei, besonderes bedeutsame Geschäfte der Gesellschaftsversammlung zur Zustimmung vorzulegen, § 49 Abs. 2 GmbHG. Unabhängig von einer Satzungsregelung der GmbH mit einem entsprechenden Zustimmungsvorbehalt sei daher ein Geschäftsführer jedenfalls bei einem Vertrag über die Veräußerung des ganzen Vermögens verpflichtet, vorab die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen. Dies gilt nach Auffassung des BGH insbesondere auch dann, wenn die GmbH bereits in Liquidation ist.
VERKEHRSSCHUTZ
Den grundsätzlichen Verkehrsschutz, wonach ein Geschäftsführer eine GmbH unbeschränkt vertretungsbefugt ist (§ 37 Abs. 2 GmbHG), schränkte der BGH sodann wieder für Ausnahmefälle ein. So stellt er klar, dass der Vertrag gleichwohl unwirksam sein kann, wenn ein Fall des sog. „Missbrauchs der Vertretungsmacht“ vorliege. Dies ist gegeben, wenn der Geschäftsführer bewusst seine interne Geschäftsführungsbefugnis überschreitet und der Vertragspartner dies wusste bzw. es ihm hätte aufdrängen müssen. Insoweit geht der BGH sogar von einer Erkundigungsobliegenheit des Erwerbers aus, wenn dem Vertragspartner klar sein muss, dass mit dem Vertrag das gesamte Vermögen verkauft wird. Im Ergebnis wird man daher davon ausgehen müssen, dass neben der Durchsicht der Satzung in Bezug auf etwaige Zustimmungsvorbehalte auch die Vorlage eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses erfolgen sollte, sofern das wesentliche Vermögen einer GmbH veräußert wird.
ZUSTIMMUNGSBESCHLUSS FORMBEDÜRFTIG?
Nicht weiter erörtert hat der BGH die Frage, in welcher Form ein Zustimmungsbeschluss aufgrund eines „besonders bedeutsamen“ Geschäfts gefasst werden muss. Insoweit liegt es aufgrund der Urteilsbegründung nahe, dass eine notarielle Beurkundung nicht erforderlich ist. So hat der BGH nämlich in seinem Urteil in keinster Weise die Frage aufgeworfen, ob das aus § 179a AktG abgeleitete Beurkundungerfordernis hinsichtlich des Zustimmungsbeschlusses auch für die Fälle eines „besonders bedeutsamen“ Geschäftes gilt. Daher wird man davon ausgehen müssen, dass im Rahmen einer üblichen Gesellschafterversammlung bzw. im schriftlichen Umlaufverfahren ein entsprechender Zustimmungsbeschluss gefasst werden kann. Mangels ausdrücklicher Klarstellung durch den BGH verbleibt jedoch insoweit eine gewisse Rechtsunsicherheit.