Green Lease – der Weg zur Entstehung eines neuen Marktstandards

Berlin, 05.03.2024

Bild Bausteine NachhaltigkeitAuch vor dem Hintergrund von gestiegenem Kapitalbedarf und stagnierendem Neubaugeschäft in Teilen des Immobilienmarkts sind Anforderungen in Bezug auf die Themen ESG (zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) und allgemeine Nachhaltigkeit weiterhin unverrückbare Teile der Realität, mit der sich die Marktteilnehmer in der Immobilienbranche konfrontiert sehen. Das regulatorische Umfeld, aber auch Kostenfaktoren lassen mittlerweile kaum mehr Zweifel daran, dass Nachhaltigkeitsstrategien implementiert werden müssen.

Nachhaltigkeitsvorgaben

Taxonomie und nationale Gesetzgebung

Vorrangig die EU-Taxonomie-Verordnung wie auch teilweise erratische nationale Regelungsvorhaben bewirken das Erfordernis, bei der Immobilienbewirtschaftung ein besonderes Augenmerk auf Nachhaltigkeitsaspekte zu richten.

Die Taxonomie-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852) richtet sich als unmittelbare Adressaten an Finanzmarktteilnehmer und große Unternehmen (seit 1. Januar 2024 ab 500 Mitarbeitern). Die Taxonomie-Verordnung soll Kriterien zu der Bestimmung liefern, ob eine Wirtschaftstätigkeit ökologisch als nachhaltig und somit in dieser Hinsicht ESG-konform anzusehen ist (eine ausführlichere Darstellung der Wirkung der Taxonomie-Verordnung erfolgte in der Ausgabe 01/2022 unseres Newsletters). 

Im Hinblick auf Immobilien und ihre Bewirtschaftung erlangt die danach zu bemessende ESG-Konformität zunehmende Bedeutung. Dies betrifft zum einen die Bewertung einer Immobilie im Hinblick auf Finanzierungen durch die direkt betroffenen Finanzmarktteilnehmer. Mangelnde ESG-Konformität kann zum anderen jedoch auch darüber hinaus als Risikoposition im Rahmen von Marktwertbestimmungen, insbesondere im Hinblick auf wachsende Anforderungen, an Relevanz gewinnen.

Auf die im Januar 2023 in Kraft getretene EU-Richtlinie zur Berichterstattung von Nachhaltigkeit in Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)) und die sich daraus ergebenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sei hier aufgrund der ausstehenden nationalen Umsetzung vorerst nur hingewiesen.

Auf nationaler Ebene sind überdies Bestrebungen hinsichtlich Anpassungen des Gebäudeenergiegesetzes sowie das CO2-Kostenaufteilungsgesetz zu benennen.

Auswirkung auf Mietverträge 

Green Lease in der deutschen Mietvertragspraxis

Im Hinblick auf Bedürfnisse nach einer ESG-Konformität wachsen gleichlaufend die Anforderungen an die Ausgestaltung von Mietverträgen als bestimmende Faktoren der Nutzung und Bewirtschaftung von Immobilien.

Aus diesem Zusammenhang nähren sich nunmehr seit einigen Jahren die Bestrebungen, Green-Lease-Regelungen als Standard in der deutschen Mietvertragspraxis zu implementieren. 

Auch angesichts dieser starken Faktoren, die das „Ob“ der Implementierung von Green Lease-Regelungen betreffen, bestehen weiterhin erhebliche Vorbehalte und Unklarheiten, die das „Wie“ einer Umsetzung betreffen.

Gesetzliche Festlegungen, welche Aspekte oder Klauseln ein Green Lease enthalten muss, oder auch nur die Fragestellung, welche diesbezüglichen Regelungen in musterartig verwendeten Mietverträgen zulässig sein sollen, sind noch nicht erlassen worden.

Gestaltung individueller Green Leases

Trotz dieser noch vorhandenen Unklarheiten mehren sich die Argumente für die Aufnahme von Green-Lease-Klauseln. Immobilieneigentümer motivieren dabei die eingangs beschriebenen Auswirkungen auf Immobilienbewertungen, Finanzierungen und das Streben nach Zukunftssicherheit in Bezug auf regulatorische Neuerungen.

Auch wächst die Häufigkeit, dass Mieter aufgrund der diversen Nachhaltigkeits- (Berichterstattungs-)Anforderungen, denen sie sich ausgesetzt sehen, die Partei sind, die im Rahmen von Mietvertragsverhandlungen Nachhaltigkeitsklauseln vorschlägt. Nicht zuletzt kommen hierbei Verpflichtungen aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zum Tragen (zu dem wir bereits in der Ausgabe 02/2023 unseres Newsletters berichteten).

In der erläuterten Abwesenheit der Rechtssicherheit durch verlässliche Standards ist den vorgenannten Bedürfnissen durch individuelle Gestaltung von Green-Lease-Klauseln zu begegnen. 

In Ermangelung gesetzlicher Festlegungen besteht dabei aktuell häufig noch ein Zielkonflikt. Einerseits kann es geboten sein, die Klauseln so zu gestalten, dass ihrer rechtlichen Wirksamkeit nicht der Vorwurf einer unsachgerechten Belastung einer Mietvertragspartei entgegengehalten werden kann. Andererseits gilt es zu vermeiden, dass eine Unverbindlichkeit an ungeeigneter Stelle dazu führt, dass für die Nachhaltigkeitsaspekte wichtige Vertragspflichten nicht rechtlich bindend vereinbart und in der Folge im Bedarfsfall nicht durchsetzbar sind.

In diesem Spannungsfeld erfüllt derzeit nicht eine Lösung alle etwaigen Bedürfnisse. Stattdessen müssen individuelle Lösungen für die jeweilige Situation erarbeitet werden.

Der Individualisierungsbedarf weitet sich zudem weiter aus. Während bisher maßgeblich das Thema der Nachhaltigkeit (Environmental) Beachtung fand, sind zwischenzeitlich auch die Themen „Social“ und „Governance“ (als „S“ und „G“ aus dem Akronym ESG) weiter in den Fokus gerückt und bedürfen immer häufiger auch vertraglicher Berücksichtigung.

Aus der Praxis

Aus der praktischen Erfahrung lassen sich jedoch auch Aspekte benennen, für die eine Regelung im Rahmen des Strebens nach einem Green Lease häufig als sinnvoll erachtet werden.

Hierzu gehört die Vereinbarung einer geeigneten Berichterstattung des Mieters über CO2-Emissionen und andere ESG-relevante Faktoren, die sich aus der Nutzung des Mieters ergeben. Rechtliche Problemstellungen aufgrund von standardmäßig vorgegebenen Pflichten sind hierbei seltener zu befürchten. Zugleich haben Eigentümer ohne diesbezügliche Regelungen kaum Zugriff auf die Daten, die sich überwiegend aus der Nutzung durch den Mieter ergeben (beispielhaft seien hier der Energiemix- und Verbrauch des Mieters sowie vom Mieter verwendete Leucht- und Putzmittel benannt).

Die jeweils erforderliche Berichterstattung steht dabei in Wechselwirkung zu dem weiteren, in der Praxis häufig wiederkehrenden Aspekt, der darin besteht, passende Regelungen in Bezug auf für das Mietobjekt erlangte oder angestrebte Zertifizierungen mit dem Mieter zu vereinbaren. Vorgaben, die sich aus aktuell gebräuchlichen oder neuen Zertifizierungsanforderungen ergeben, müssen Eingang in die Vereinbarungen mit den Mietern finden, soweit sie für die Mieter verbindlich sein sollen. 

Fazit

Zur Schaffung geeigneter Green-Lease-Klauseln bleibt es erforderlich, die fortwährenden Änderungen der Regelungen auf nationaler und europäischer Ebene zu beachten. Der Prozess der Festigung des regulatorischen Rahmens ist sehr dynamisch. „Den“ Green Lease im Sinne eines potenziellen neuen (Markt-)Standards gibt es daher nicht.

Es ist dahingehend mit Ausblick auf die Zukunft zu berücksichtigen, dass neben den bislang im Vordergrund stehenden ökologischen Gesichtspunkten der ESG-Konformität künftig auch die darin enthaltenen Kriterien „Soziales“ sowie die „Prinzipien guter Unternehmensführung“ zusätzliches Gewicht erlangen dürften.

Um zukünftigen und bestehenden Bedürfnissen von Vermietern und Mietern gerecht zu werden, sind durchdachte – häufig einzelfallbezogene – Regelungen erforderlich. Bei deren Gestaltung sind objektbezogene Faktoren (wie beispielsweise Zertifizierungsbestrebungen) ebenso zu berücksichtigen wie die regulatorischen Anforderungen, denen die jeweiligen Vertragsparteien ausgesetzt sind, einschließlich etwaiger freiwilliger oder obligatorischer Verhaltensregeln für die Unternehmensführung. 

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