BAG: Feiertagszuschlag richtet sich nach regelmäßigem Arbeitsort

München, 05.09.2024

Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht stets am selben Ort, kann unklar sein, ob ihm Zuschläge für Feiertagsarbeit zustehen. Schuld sind die länderspezifischen Feiertagsregelungen. Welche Feiertage sind z.B. maßgeblich, wenn der Arbeitnehmer in einem anderen Bundesland im Homeoffice arbeitet? Oder: Was gilt, wenn der Arbeitnehmer an Allerheiligen in ein Bundesland geschickt wird, in dem dieser Tag kein Feiertag ist? 

Sachverhalt

Letzteren Fall hatte der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu entscheiden (6 AZR 38/24). Der Kläger war seit 1996 als technische Fachkraft in einer Klinik in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fand auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. An Allerheiligen (01.11.2021) besuchte der Kläger auf Anordnung seines Arbeitgebers eine Fortbildung in Hessen. Allerheiligen ist in Nordrhein-Westfalen, nicht aber in Hessen gesetzlicher Feiertag (§ 1 Abs. 1 Hessisches Feiertagsgesetz, § 2 Abs. 1 Feiertagsgesetz NW). Der Kläger erbrachte seine Arbeitsleistung also in einem Bundesland, in dem der Arbeitstag gar kein gesetzlicher Feiertag war. Trotzdem begehrte der Kläger einen Feiertagszuschlag nach § 43 Nr. 5 Abs. 1, § 8 Abs. 1 lit. d TV-L. Zu Recht?

Die Entscheidung des BAG

Ja, entschied das BAG. Maßgeblich ist der regelmäßige Beschäftigungsort. Der lag hier in Nordrhein-Westfalen. Arbeitet der Arbeitnehmer an einem Tag, der nach den Vorschriften, die an seinem regelmäßigen Beschäftigungsort gelten, ein Feiertag ist, sind Feiertagszuschläge zu zahlen. Ob sich der Arbeitnehmer an dem Feiertag tatsächlich dort befindet, darauf kommt es nicht an. 

Zwingend war die Entscheidung des BAG keinesfalls. Der TV-L selbst bietet wenig Anhaltspunkte: § 8 Abs. 1 lit. d TV-L spricht schlicht von „Feiertagsarbeit“, ohne dass dieser Begriff anderweitig näher definiert wird. Der beklagte Arbeitgeber hatte in den Vorinstanzen argumentiert, der Begriff der „Feiertagsarbeit“ setze voraus, dass am Arbeitsort ein gesetzlicher Feiertag bestimmt sei. Arbeitsort sei im Sinne des Erfüllungsortes zu verstehen, welcher für die Dauer der Fortbildung in Hessen gewesen sei. Da allerdings aus dem Wortlaut gerade nicht hervorgeht, ob an den tatsächlichen Ort der Arbeitsleitung (Hessen) oder den arbeitsvertraglich vereinbarten regelmäßigen Beschäftigungsort (Nordrhein-Westfalen) angeknüpft werden sollte, war dieser Schluss keinesfalls zwingend.

Abzustellen war deswegen auf den Sinn und Zweck der Vorschrift. Die erste Instanz, das Arbeitsgericht Münster, hatte hierzu eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus 2021 herangezogen, wonach derartige Zuschlagsregelungen dem Ausgleich der mit Sonderformen der Arbeit einhergehenden Mehrbelastungen dienen (10 AZR 130/19). Daraus ergebe sich, dass auf den regelmäßigen Arbeitsort abzustellen sei. Wenn der Arbeitstag dort ein Feiertag sei, bedeute die Erbringung der Arbeitsleitung eine Mehrbelastung, weil das persönliche Umfeld und die Kollegen des Arbeitnehmers an seinem regelmäßigen Arbeitsort nicht arbeiten müsste, der Arbeitnehmer hingegen schon. 

Das Landesarbeitsgericht Hamm ist dem in zweiter Instanz nicht gefolgt (11 Sa 936/23). Hätte auf das Umfeld des Arbeitnehmers abgestellt werden sollen, hätten die Tarifparteien auf den Wohnsitz des Arbeitnehmers abgestellt. Sinn und Zweck der Vorschrift könne nur sein, einen Ausgleich für ausnahmsweise getätigte tatsächliche Arbeit zu gewähren, die andernfalls unter das Beschäftigungsverbot des § 9 ArbZG fallen würde. Damit sei es nicht vereinbar, auf den regelmäßigen Beschäftigungsort abzustellen. Der Arbeitgeber könne sonst ohne Zuschlagspflicht Feiertagsarbeit in einem anderen Bundesland, in dem, wie hier in Hessen, der Arbeitstag kein gesetzlicher Feiertag sei, anordnen. 

Das hat das BAG nicht überzeugt.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil ist zu begrüßen. Zwar urteilte das Bundesarbeitsgericht schon 2005 (5 AZR 475/04), dass tarifliche Feiertagszuschläge in Abwesenheit deutlich erkennbarer, abweichender Regelungen an die gesetzlichen Feiertage am Beschäftigungsort anknüpfen. Dass indes mit der Formulierung „Beschäftigungsort“ an Klarheit wenig gewonnen war, zeigen die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Hamm, wonach sich aus dem allgemeinen Sprachverständnis ergebe, dass der Beschäftigungsort als der Ort zu verstehen sei, an dem tatsächlich Arbeit verrichtet wird. Dass stattdessen der regelmäßige Beschäftigungsort gemeint war, stellte das BAG nun erfreulicherweise klar. 

Unmittelbare Relevanz hat das Urteil für Beschäftigte, die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallen. Ob die insoweit wortgleichen §§ 8 der TVöD Bund und TVöD VKA ebenso auszulegen sind, wird sich erst anhand der Urteilsgründe klären lassen. 

Unabhängig davon sind Arbeitgeber gut beraten, bei der Gewährung von Feiertagszuschlägen eindeutige Regelungen in ihre Arbeitsverträge mit aufzunehmen - besonders dann, wenn ihre Mitarbeiter häufig auf Dienstreisen, Fortbildungen oder im Rahmen von Home-Office in anderen Bundesländern tätig werden.

Das Urteil könnte aber auch für die Auslegung des gesetzlichen Verbots der Feiertagsarbeit, § 9 ArbZG, und der Entgeltfortzahlung an Feiertagen, § 2 EFZG relevant werden. So vertritt der 5. Senat des BAG, für das Verbot der Feiertagsarbeit komme es auf den tatsächlichen Arbeitsort an (5 AZR 483/12). Der regelmäßige Beschäftigungsort spielte in diesem Zusammenhang bisher keine Rolle. Die ganz überwiegende Literatur nimmt darüber hinaus an, dass es für die Entgeltfortzahlungspflicht nach § 2 EFZG ebenso darauf ankommt, ob am tatsächlichen Arbeitsort ein gesetzlicher Feiertag bestimmt ist. Auch hier kam es bislang nicht auf den regelmäßigen Beschäftigungsort an. Ob sich nun eine Rechtsprechungsänderung anbahnt, bleibt ebenfalls bis zur Veröffentlichung der Urteilsgründe abzuwarten. 

Autoren

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Dr. Julian Stassek

Associate

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