Der Leitfaden zum Einspeisemanagement 3.0 und der ergänzende Hinweis zur Entschädigung bei direktvermarkteten EE-Anlagen der BNetzA

05.11.2018

Praxisgruppe Energierecht GÖRG

Im Juni 2018 hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) den Leitfaden zum Einspeisemanagement (Version 3.0) veröffentlicht. Dieser beinhaltet weitere Ausführungen zu der praktischen Umsetzung des Einspeisemanagements gemäß § 14 EEG sowie zur Ermittlung der Entschädigungshöhe gemäß § 15 EEG. Ausdrücklich unbeantwortet gelassen hatte die BNetzA jedoch bislang die praxisrelevante Frage, wie die Entschädigung im Falle der Stromvermarktung über einen Direktvermarkter zu ermitteln ist. Diese Zurückhaltung ist in der Branche sehr kritisch aufgenommen worden. Nun hat die BNetzA im Oktober einen „Ergänzenden Hinweis zur Entschädigung bei direktvermarkteten EE-Anlagen nach dem Einspeisemanagement-Leitfaden 3.0“ veröffentlicht, in welchem sie auf diese Fragestellung eingeht.

Dieser Beitrag befasst sich mit dem wesentlichen Inhalt des Leitfadens sowie des ergänzenden Hinweises in Bezug auf die Frage, ob durch Einspeisemanagementmaßnahmen gemäß § 14 EEG erlittene Einbußen der Direktvermarkter im Rahmen der Entschädigung gemäß § 15 EEG berücksichtigt werden.

Der Leitfaden zum Einspeisemanagement 3.0

Der Leitfaden zum Einspeisemanagement 3.0 löst die Vorgängerfassung 2.1 (Stand: 7. März 2014) ab. Der Veröffentlichung des Leitfadens sind ein umfangreiches Konsultationsverfahren sowie ein Workshop vorausgegangen, in denen die Marktteilnehmer Gelegenheit erhielten, zu der Entwurfsfassung des Leitfadens Stellung zu nehmen.

Rechtscharakter und Intention des Leitfadens
Der Leitfaden entfaltet keine rechtliche Bindungswirkung, sondern stellt lediglich eine behördliche Anwendungshilfe dar. Er gibt die Ansicht der BNetzA in Bezug auf die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Einspeisemanagement-Regelungen wieder und soll der Praxis als Orientierung dienen (vgl. Seite 4 des Leitfadens). Dennoch wird man den erheblichen Einfluss des Leitfadens auf die Praxis nicht abstreiten können. Bereits die Vorgängerfassungen des Leitfadens dienten in der Branche und in der Rechtsprechung als wesentliche Orientierungs- und Anwendungshilfe.

Aussagen des Leitfadens bzgl. der Entschädigungsermittlung in Fällen der Beteiligung von Direktvermarktern
Die Entschädigungsermittlung für EE-Anlagen in der Direktvermarktung stellt einen wesentlichen Inhalt des Leitfadens dar. Dabei hat die BNetzA jedoch bewusst offen gelassen, ob und in welcher Höhe Einbußen, welche Direktvermarkter im Zuge einer Einspeisemanagementmaßnahme erleiden, von den Netzbetreibern zu kompensieren sind.

Bislang hat die BNetzA die Ansicht vertreten, dass Direktvermarkter ihre Schäden, die sie durch das Einspeisemanagement erleiden, im Wege der Drittschadensliquidation von den Netzbetreibern ersetzt bekommen könnten (vgl. dazu bereits die Mitteilung der Beschlusskammer 6 der BNetzA vom 14. April 2016 zum Festlegungsverfahren zur energetischen und bilanziellen Abwicklung von Einspeisemanagement-Maßnahmen bei EEG-Anlagen – Az. BK6-13-049). Auch nach Abschluss des Konsultationsverfahrens zu dem Leitfaden 3.0 entsprach dies der Ansicht der BNetzA (vgl. BNetzA, Ergänzende Konsultationsfassung des Leitfadens bzgl. des Textteils zur Direktvermarktung, Kap. 2.4.2.).

Unter Verweis auf das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 19. März 2018 führt die BNetzA in dem Leitfaden nun aus, dass eine abschließende Klärung dieser Fragestellung nicht in dem Leitfaden erfolgen könne (Seite 42 des Leitfadens).

Urteil des LG Bayreuth vom 19. März 2018 (Az. HK O 29/16)
Mit Urteil vom 19. März 2018 hat das Landgericht Bayreuth die Frage verneint, ob einem Direktvermarkter gegen den Netzbetreiber ein gesetzlicher Anspruch auf Kompensation seiner aufgrund einer Einspeisemanagementmaßnahme erlittenen Einbußen zusteht.

Das Landgericht ist der Ansicht, dass eine direkte Anwendung der Härtefallregelung gemäß § 12 EEG 2012 (aktuell § 15 EEG 2017) aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes ausscheide.

Auch eine analoge Anwendung der Regelung komme nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz fehle. Es spreche einiges dafür, dass der Gesetzgeber den Direktvermarkter bewusst nicht in den Anwendungsbereich des § 12 EEG 2012 aufgenommen habe. Dies folgert das Landgericht insbesondere aus der Gesetzesbegründung, in welcher der Gesetzgeber ausführt, dass im Rahmen der Entschädigung nach § 12 EEG 2012 zu Gunsten des Anlagenbetreibers, welcher seinen Strom direkt vermarktet, lediglich ein Verlust der Marktprämie zu kompensieren sei (BT-Drs. 17/6071, Seite 81). Der Gesetzgeber beziehe die Direktvermarktung damit ausdrücklich mit ein, lasse eine Drittbeteiligung hingegen außen vor.

Darüber hinaus schließt das Landgericht auch eine Kompensation über das Institut der Drittschadensliquidation aus. Das Landgericht führt in der Urteilsbegründung aus, dass die Kompensation im Falle von Einspeisemanagementmaßnahmen keine mit den sonstigen Anwendungsfällen der Drittschadensliquidation vergleichbare Situation darstelle und die Grundsätze der Drittschadensliquidation daher nicht anwendbar seien. Dies begründet das Gericht insbesondere damit, dass das Einspeisemanagement gemäß § 11 EEG 2012 (aktuell § 14 EEG 2017) ein rechtmäßiger Eingriff des Netzbetreibers sei, wohingegen die Drittschadensliquidation stets vertrags- bzw. rechtswidrige Verletzungshandlungen des Schädigers voraussetze. Darüber hinaus führt das Landgericht aus, dass die Kompensation gemäß § 12 EEG 2012 letztendlich nicht die Netzbetreiber, sondern die Letztverbraucher berühre, da die Netzbetreiber die Kompensationsleistungen gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 EEG 2012 auf diese umlegen könnten. Nach Ansicht des Landgerichts bestehe daher keine unbillige Schadensverlagerung, die mittels der Drittschadensliquidation korrigiert werden müsse.

III. Ergänzender Hinweis

Nun hat die BNetzA am 17. Oktober 2018 einen ergänzenden Hinweis zur Entschädigung bei direktvermarkteten EE-Anlagen nach dem Einspeisemanagement-Leitfaden 3.0 veröffentlicht. Es scheint, dass sie damit auf die Reaktionen der Branche bzgl. der zurückhaltenden Haltung der BNetzA in dem Leitfaden zu der Frage der Entschädigungsberechnung in Konstellationen, in welchem der Anlagenbetreiber ein Drittunternehmen mit der Vermarktung seines Stromes beauftragt und dieser im Ergebnis die Bilanzkreisverantwortung trägt (also dem Normalfall), reagiert.

Die BNetzA bringt in dem ergänzenden Hinweis zum Ausdruck, dass sie nach wie vor die Ansicht vertritt, dass die Anwendung der Grundsätze zur Drittschadensliquidation zu sachgerechten Ergebnissen führe (Seite 3 des ergänzenden Hinweises). Sie verweist jedoch auf gegenteilige Meinungen – wie die des LG Bayreuth – und betont, dass diese ebenfalls vertretbar erscheinen. Vor diesem Hintergrund habe die BNetzA in dem Leitfaden bewusst davon Abstand genommen, zu dieser Problematik eine abschließende Anwendungsvorgabe zu formulieren. In dem ergänzenden Hinweis setzt sie sich mit den beiden Alternativen auseinander.

Anwendung der Drittschadensliquidation
Sollten die Grundsätze der Drittschadensliquidation anwendbar sein, so wäre die Entschädigung nach der Maßgabe des Kapitels 2.4.2.1 zu ermitteln. Dies hat insbesondere zur Folge, dass ersparte und zusätzliche Aufwendungen durch Bilanzkreisabweichungen – unabhängig davon, ob diese von dem Anlagenbetreiber oder dem Direktvermarkter zu tragen sind – berücksichtigt werden können. Eine Berücksichtigung des Monatsmarktwerts erfolgt hingegen nicht.

Keine Anwendung der Drittschadensliquidation
Lehnte man die Anwendung der Drittschadensliquidation hingegen ab, so sei im Wesentlichen auf die zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Direktvermarkter bestehenden Absprachen abzustellen. Dabei werden zwei Fallkonstellationen unterschieden:
a) Fall 1: Der Anlagenbetreiber trägt keine Bilanzkreisrisiken
Sieht die zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Direktvermarkter bestehende Vertragslage vor, dass das Bilanzkreisrisiko im Falle von Einspeisemanagementmaßnahmen nicht bei dem Anlagenbetreiber liegt, so gelten für die Ermittlung der Entschädigung gemäß § 15 EEG die Ausführungen des Kapitels 2.4 ohne die besonderen Ausführungen unter Kapitel 2.4.2.1 des Leitfadens.
Demnach können neben der entgangenen Marktprämie auch entgangene Erlöse aus dem Vertragsverhältnis mit dem Direktvermarkter (d.h. der entgangene vertraglich vereinbarte Preis für den wegen des Einspeisemanagements nicht gelieferten Strom) geltend gemacht werden. Zusätzliche Aufwendungen, welche wegen der durch die Einspeisemanagementmaßnahme verursachten Bilanzkreisabweichung anfallen, werden hingegen nicht berücksichtigt. Diese Kosten treffen den Direktvermarkter, welcher nach Maßgabe des Leitfadens für diese Kosten keine Kompensation erhält.
b) Fall 2: Der Anlagenbetreiber trägt die Bilanzkreisrisiken
Ist zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Direktvermarkter vereinbart, dass die durch eine Einspeisemanagementmaßnahme verursachten Bilanzkreisabweichungen dem Verantwortungsbereich des Anlagenbetreibers zugeordnet werden, so können sich diese Abweichungen grundsätzlich auf die Entschädigungssumme gemäß § 15 EEG auswirken. Allerdings sind die damit einhergehenden Aufwendungen nur dann berücksichtigungsfähig, soweit diese angemessen sind.
Eine Angemessenheit der Aufwendungen liegt nach Ansicht der BNetzA vor, soweit sich die Entschädigungssumme im Rahmen der Entschädigungshöhe befindet, welche nach Maßgabe des Kapitels 2.4.2.1 des Leitfadens zu zahlen wäre.
Gemäß Kapitel 2.4.2.1 des Leitfadens ist danach zu unterscheiden, ob es sich um eine Direktvermarktung mit Marktprämie oder um eine sonstige Direktvermarktung handelt. Erhält der Anlagenbetreiber für seinen veräußerten Strom eine Marktprämie, so ist als entgangene Einnahme die Marktprämie anzusetzen, nicht hingegen der Monatsmarktwert. Im Falle der sonstigen Direktvermarktung können im Rahmen der Entschädigung gemäß § 15 EEG etwaige vermiedene Netzentgelte geltend gemacht werden.
Darüber hinaus sind zusätzliche oder ersparte Aufwendungen wegen Bilanzkreisabweichungen zu berücksichtigen, je nach dem, ob die Abweichungen des Bilanzkreises positiv oder negativ ausfallen. Soweit sich die aus der vertraglichen Risikoverteilung zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Direktvermarkter ergebene Entschädigungssumme in den vorbeschriebenen Grenzen aufhält, kann diese im Rahmen eines Entschädigungsanspruchs gemäß § 15 EEG geltend gemacht werden.

Beide Ansichten stehen im Einklang mit dem Leitfaden
Die BNetzA weist in dem ergänzenden Hinweis darauf hin, dass beide Rechtsansichten vertretbar erscheinen und in dem Leitfaden auch angelegt seien. Aus dem Grunde stünde die Entschädigungsberechnung nach beiden Varianten im Einklang mit dem Leitfaden.

IV. Zusammenfassung

Der ergänzende Hinweis der BNetzA zur Entschädigung bei direktvermarkteten EE-Anlagen nach dem Einspeisemanagement-Leitfaden 3.0 beinhaltet keine neuen Anwendungsvorgaben. Die BNetzA stellt jedoch heraus, dass die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation nach ihrer Ansicht zu sachgerechten Ergebnissen führen könnte. Sie betont aber auch, dass beide der derzeit diskutierten Rechtsansichten bezüglich der Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendbarkeit der Grundsätze der Drittschadensliquidation vertretbar seien und daher auch beide Ansicht grundsätzlich nicht im Widerspruch zum Leitfaden 3.0 stünden.
Der BNetzA ist zuzustimmen, dass die Anwendung der Drittschadensliquidation zu angemessenen Ergebnissen führen kann. Denn für Direktvermarkter besteht im Rahmen von Einspeisemanagementmaßnahmen ein Schutzbedürfnis, das dem der Anlagenbetreiber gleichwertig erscheint. Zwar besteht für Direktvermarkter die Möglichkeit, etwaige vertragliche Kompensationsregelungen mit den Anlagenbetreibern zu regeln. Dies kann jedoch nicht mit einem gesetzlichen Kompensationsanspruch – sei es auch über das Instrument der Drittschadensliquidation – gleichgesetzt werden.
Damit lässt die BNetzA die Frage, ob Direktvermarktern über die Drittschadensliquidation ein Anspruch auf Kompensation ihrer durch Einspeisemanagementmaßnahmen erlittenen Einbußen zustehen kann, bewusst offen. Die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation ist demzufolge nach Ansicht der BNetzA jedenfalls nicht ausgeschlossen. Eine abschließende Klärung dieser Frage überlässt die BNetzA den Gerichten und dem Gesetzgeber. Es bleibt abzuwarten, wie diese die Frage des Bestehens von Entschädigungsansprüchen der Direktvermarkter für Einspeisemanagementmaßnahmen beantworten werden.

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