BGH vom 06.05.2015: 1. Keine Inanspruchnahme des Eigenstromprivilegs des EEG innerhalb eines Konzernverbundes 2. Keine Verwirklichung eines Beihilfentatbestandes durch den EEG-Belastungsausgleich

06.07.2015

[Berlin, ] Der BGH hat sich in einem aktuellen Urteil (BGH, Urt. v. 06.05.2015, VIII ZR 56/14) erneut mit der Einbeziehung von Industriestrom in den EEG-Belastungsausgleich auseinandergesetzt. Konkret hatte der BGH die Frage zu klären, ob das Eigenstromprivileg in der Fassung des EEG 2006 auch von rechtlich selbstständigen, aber in einem Konzernverbund eng miteinander verbundenen Unternehmen in Anspruch genommen werden kann. In dem Urteil hat sich der BGH weiterhin dazu geäußert, zu welchem Zeitpunkt die Auskunftsansprüche der Netzbetreiber gegenüber den Eigenstromversorger verjähren. Die Auskunftsansprüche bilden die Vorstufe für den Anspruch auf Zahlung der EEG-Umlage. Schließlich hat sich der BGH mit der Frage befasst, ob das Umlagensystem des EEG den beihilferechtlichen Tatbestand des Artikel 107 AEUV erfüllt.

I. Zentrale Aussagen der Entscheidung

Der BGH hat klargestellt, dass auch für die älteren Fassungen des EEG, hier für das EEG 2006, die im Laufe der Zeit immer strenger gewordenen Anforderungen an Eigenverbrauchsmodelle gelten. Der BGH hat erklärt, der Gesetzgeber knüpfe auch im EEG 2004 bzw. EEG 2006 den Anwendungsbereich des Eigenstromprivilegs nicht an die von den Betroffenen selbst gewählten Rechtsformen an, sondern ausschließlich an die formale Personenidentität. Seien zwei selbständige juristische Personen involviert, liege stets eine Lieferung von Strom vor, die dem EEG-Belastungsausgleich unterfalle. Auch die Lieferung an ein zwar konzernverbundenes, aber juristisch eigenständiges Unternehmen, sei eine Lieferung an eine andere juristische Person. Der BGH hat ferner entschieden, dass die Verjährungsfrist für Ausgleichsansprüche der Übertragungsnetzbetreiber nicht ohne eine Kenntnis der Existenz des Übertragungsnetzbetreibers von der Konzernstruktur und den Lieferbeziehungen zwischen den konzernangehörigen Gesellschaften beginnt. Weiterhin hat der BGH erstmals ausdrücklich erklärt, dass das System des bundesweiten Belastungsausgleichs unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Beihilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, ohne jedoch auf die politischen Auseinandersetzungen zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission zu dieser Frage einzugehen.

II. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

1. Eigenstromprivileg im Konzernverbund

Ein Übertragungsnetzbetreiber hatte eine zu einem Konzernverbund gehörenden Stromvertriebsgesellschaft zunächst auf Auskunft über den Umfang der Stromlieferungen innerhalb des Konzernverbunds in Anspruch verklagt, um hiernach die Zahlung der EEG-Umlage zu verlangen. Beklagte war die Konzernmutter als Rechtsnachfolgerin der Vertriebsgesellschaft. Die Konzernmutter hatte Kraftwerke, Produktionsanlagen und ein Arealnetz betrieben. Der Konzern war rechtlich derart organisiert, dass die einzelnen energierechtlichen Wertschöpfungskategorien durch jeweils rechtlich selbstständige, konzernangehörige Gesellschaften wahrgenommen wurden. Die Kraftwerke standen im Eigentum einer separaten Kraftwerksgesellschaft, diese fungierte auch als Betreiberin. Von einer weiteren Gesellschaft wurde der Betrieb der Kraftwerke sichergestellt, während der Vertrieb des produzierten Stroms durch eine Vertriebsgesellschaft organisiert wurde. Die Produktionsanlagen wurden von der Konzernmutter betrieben. Die Vertriebsgesellschaft bezog auf der Grundlage separater Verträge von der Kraftwerksgesellschaft Strom und lieferte diesen an die Konzernmutter zum Verbrauch in ihren Produktionsanlagen. Restliche Teilmengen des Stroms wurden an weitere konzernverbundene Unternehmen sowie an Dritte verkauft. Die Vertriebsgesellschaft führte hinsichtlich des von ihr gelieferten Stroms keine EEG-Umlage ab. Der BGH hat entschieden, dass dem Übertragungsnetzbetreiber den von ihm gegen die Konzernmutter als Rechtsnachfolgerin geltend gemachte Auskunftsanspruch gemäß EEG 2006 zusteht. Von dem in § 14 Abs. 3 EEG 2006 geregelten Belastungsausgleich seien als Eigenstrom lediglich solche Strommengen ausgenommen, die von dem Letztverbraucher selbst erzeugt und verbraucht und nicht an andere abgegeben werden; in diesen Fällen fehle es an einer „Lieferung des Stroms“ i.S.v. 14 Abs. 3 EEG 2006. Eine solche rechtliche Identität des Stromlieferanten mit dem Stromverbraucher liege hingegen bei dem vorliegend gewählten Konzernmodell, bei dem die Aufgaben von unterschiedlichen und rechtlich selbstständigen konzernangehörigen Unternehmen wahrgenommen werden, nicht vor. Lieferungen an juristisch selbständige Personen im Konzernverbund unterfielen dem Belastungsausgleich. Der Gesetzgeber knüpfe den Anwendungsbereich des Eigenstromprivilegs nicht an die von den Betroffenen selbst gewählten Rechtsformen, sondern ausschließlich an die formale Personenidentität. Diese formale Anknüpfung sei sowohl durch das Ziel einer möglichst gleichmäßigen Einbeziehung aller Stromlieferanten als Verursacher einer klima- und umweltgefährdenden Energieerzeugung als auch durch die weitere Zielsetzung einer gleichmäßigen, möglichst verursachergerechten Kostenverteilung auf alle Stromabnehmer gerechtfertigt.

III. Einordnung und Kontext

Der BGH hatte mit seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2009 zu der damals noch unklaren Auslegung des Eigenstromprivilegs festgelegt, dass nur der Strom, den ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen selbst verbraucht, von dem Belastungsausgleich ausgenommen ist (BGH, Urteil vom 09.12.2009 - VIII ZR 35/09 zu § 14 Abs. 3 EEG 2004; anders noch BGH, Urteil vom 21.12.2005, VIII ZR 108/04). Diese Entscheidung hatte insbesondere Contracting-Modelle erheblich eingeschränkt. Der Gesetzgeber hat zu § 37 Abs. 3 Satz 2 EEG 2012 sodann klargestellt, dass die Privilegierung als Eigenstrommodell eine Personenidentität von Erzeuger und Verbraucher voraussetzt (BT Drs. 17/6071, S. 83. vgl. aber auch zu § 14 Abs. 7 EEG 2004 BT Drs. 15/2864, S. 49). In der vorliegenden Entscheidung bestätigt der BGH seine formale Betrachtungsweise auch für ältere Fassungen des EEG. Diese ist nicht ohne weiteres so naheliegend, wie die Lektüre des Urteils nahelegt. Denn jede Reform des EEG hatte insgesamt, aber auch hinsichtlich einzelner Regelungen ihre eigenständige regulierungsrechtliche Intention. Während des langen Weges in die Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren Energien wurden den jeweiligen Regelungen des EEG, insbesondere den zahlreichen Varianten des Eigenstromprivilegs, unterschiedliche Funktionen zugewiesen. Die Entscheidung des BGH muss aber nicht heißen, dass die Einordnung als Eigenversorgung völlig unabhängig von den vertragliche Regelungen zwischen Erzeuger und Letztverbraucher erfolgt (vgl. dazu auch Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12.08.2014, 9 U 198/13 im Gegensatz zur Vorinstanz LG Hamburg, Urteil vom 28.10.2013, 304 O 123/13). Auch der zweite Themenkomplex des Urteils ist von Bedeutung, da der BGH den Netzbetreiber die Möglichkeit zu Nachforderungen für weit zurückliegende Zeiträume eröffnet, in dem er erklärt, die Verjährungsfrist beginne erst, wenn der Netzbetreiber Kenntnis von den konkreten Vertragsmodellen zwischen Erzeuger und Verbraucher habe. In dem dritten Themenkomplex legt sich der BGH erst-mals darauf fest, dass es sich bei der EEG-Umlage nicht um eine unionsrechtliche Beihilfe handelt. (Vgl. auch BGH, Urt. v. 25.06.2014 – VIII ZR 169/13. Hierin hatte der Senat bereits ausführlich Stellung zum Charakter der EEG-Umlage als Finanzierungsmechanismus genommen). Es erstaunt, dass der BGH nicht auf die Umwelt und Energiebeihilfeleitlinien 2014 – 2020 der Europäischen Kommission eingeht. Diese beanspruchen zwar keine Geltung für das EEG 2004 bzw. das EEG 2006. Allerdings konnte die EU-Kommission ihre Position in der Auseinandersetzung mit der Bundessregierung über die Ausgestaltung des EEG 2014 nur mit dem Argument begründen, der bundesweite Belastungsausgleichs des EEG stelle eine Beihilfe dar. Auf diese Frage wollte sich der BGH wohl doch nicht einlassen.

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