Verhandlungen vor deutschen Gerichten in englischer Sprache – Erstes Verfahren vor dem Landgericht Köln

07.02.2012

[] Das deutsche Recht (und damit bisher auch die deutsche Sprache) stehen international in starker Konkurrenz sowohl gegenüber Schiedsgerichtsverfahren als auch gegenüber Gerichtsverfahren in Ländern, in denen Englisch die Amtssprache ist.

Mit – ganz offener – Unterstützung durch große Anwaltskanzleien ist die englische Law Society vorgeprescht und hat in einer aufwändigen Broschüre die Vorzüge des englischen Rechts angepriesen. Jeder, der über praktische Erfahrungen mit der englischen Rechtspraxis verfügt, wird diese Feststellungen erheblich anzweifeln und die erheblichen Vorzüge sowohl des deutschen materiellen Rechts als auch des deutschen Prozessrechts bestätigen. Für den Rechtsuchenden stehen hier insbesondere die meist kürzere Verfahrensdauer und die erheblich geringeren Kosten bei der Durchführung eines Verfahrens vor deutschen Gerichten unter Zugrundelegung deutschen Rechts im Vordergrund.

Obwohl auch von deutscher Seite inzwischen eine zweisprachige Broschüre über die Vorzüge deutschen Rechts und deutscher Gerichte erhältlich ist (http://www.lawmadeingermany.de/Law-Made_in_Germany.pdf), leidet der „Justizstandort Deutschland" ganz erheblich unter dem Grundsatz des § 184 Satz 1 GVG: "Die Gerichtssprache ist deutsch."

Dies soll sich jetzt ändern: Nach einem Gesetzentwurf des Bundesrates (Drucksache 17/2163 vom 16. Juni 2010), dem die Bundesregierung bereits zugestimmt hat, wird die Einführung von sog. "Kammern für internationale Handelssachen" (KfiHG) vorgeschlagen. In einer Anhörung vor dem Rechtsausschuss des Bundestages am 9. November 2011 wurde dieser Gesetzentwurf von fast allen anwesenden Experten grundsätzlich begrüßt.

Sollte der Gesetzentwurf Wirklichkeit werden – wofür vieles spricht –, können demnächst Verfahren vor deutschen Gerichten vollständig in englischer Sprache geführt werden: Während bereits jetzt zum Teil schon Dokumente in englischer Sprache ohne (vollständige) Übersetzung akzeptiert werden, werden dann auch die Schriftsätze (allein) in englischer Sprache verfasst, die Gerichtsverhandlung erfolgt in englischer Sprache, das Protokoll der Gerichtsverhandlung wird allein in Englisch verfasst und schließlich wird auch das Urteil allein in englischer Sprache abgefasst.

Voraussetzung hierfür ist eine Vereinbarung zwischen den Parteien: Nach dem Gesetzentwurf ist allein erforderlich, dass die Streitigkeit einen "internationalen Bezug" hat und die Parteien übereinstimmend die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache wünschen. Dies kann vor Entstehen der Streitigkeit nur dann vereinbart werden, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind, nach dem Entstehen der Streitigkeit aber auch z.B. zwischen Nicht-Kaufleuten – soweit die Vereinbarung der Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache "ausdrücklich und schriftlich" erfolgt.

Kritik an dem Gesetzentwurf gibt es nur vereinzelt: Neben allgemeinen verfassungsrechtlichen Bedenken (z.B. Grundsatz der Öffentlichkeit) wird eingewandt, dass die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache in allen Instanzen gewährleistet sein muss (was derzeit beim Bundesgerichtshof noch zweifelhaft erscheint) und dass ggf. im Rahmen der Vollstreckung der Urteilstenor zumindest auch in deutscher Sprache abgefasst sein sollte, um einem der englischen Sprache nicht ausreichend mächtigen Gerichtsvollzieher die ordnungsgemäße Vollstreckung zu ermöglichen. Dass Richter und Rechtsanwälte über ausreichende Sprachkenntnis und Erfahrung verfügen, ohne Hilfe von (oft juristisch nicht vorgebildeten) Übersetzern ein Verfahren allein in englischer Sprache zu führen, wird wohl nicht angezweifelt. Tatsächlich zeigt sich in der Praxis, dass Schiedsverfahren in Deutschland bzw. auf der Grundlage deutschen Rechts schon recht häufig – und scheinbar ohne Probleme – vollständig in englischer Sprache durchgeführt werden.

Während die zuständigen Gremien noch über die Umsetzung des Gesetzentwurfes beraten, hat der Verfasser dieses Beitrags am 24. November 2011 die Beklagte bei der ersten mündlichen Verhandlung in englischer Sprache vor dem Landgericht Köln anwaltlich vertreten (GÖRG vertritt Beklagte in erster mündlicher Verhandlung in englischer Sprache vor dem Landgericht Köln).

Bereits seit Anfang 2010 bestehen im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln – sowohl bei den Landgerichten als auch beim Oberlandesgericht Köln – Kammern/Senate, die (was nach derzeitiger Gesetzeslage erlaubt ist) die mündliche Verhandlung (aber eben nur die) auf übereinstimmenden Wunsch der Parteien in englischer Sprache führen. Der Versuch ist gelungen: Wie sich auch aus dem nachfolgenden Pressegespräch ergab, äußerten sich alle Beteiligten positiv. Nachteile waren nicht ersichtlich. Da der dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Vertrag ohnehin in englischer Sprache verfasst war und eine der Parteien nur der englischen Sprache mächtig war, führte die Verhandlung in englischer Sprache sogar zu einer effektiveren Erörterung. Da an der sprachlichen Kompetenz der Beteiligten in Bezug auf die Verwendung der englischen (Rechts-)Sprache in der mündlichen Verhandlung keine Kritik erfolgte, ist anzunehmen, dass dies auch für die (zukünftige) Abfassung der Schriftsätze und Urteile in englischer Sprache gilt. Dies wird niemanden wundern, der im internationalen Rechtsverkehr tätig ist: Es ist inzwischen, bei auch nur teilweisem internationalen Bezug, üblich und seit langem erprobt, Verträge (auch auf der Grundlage deutschen Rechts) in englischer Sprache abzufassen, Verhandlungen in englischer Sprache zu führen und Schiedsverfahren vollständig in Englisch durchzuführen.

Ausblick

Der Erfolg des Modellversuchs in dem Verfahren vor dem Landgericht Köln wird – zumindest in einigen Fällen – dazu führen, dass eine deutsche Partei in Vertragsverhandlungen mit ausländischen Parteien demnächst einen "Bargaining Chip" mehr anbieten kann: Während die Vorteile des deutschen materiellen Rechts auch international seit langem anerkannt sind, wird – hoffentlich bald – die Umständlichkeit der Verfahrensführung in deutscher Sprache entfallen. Es wird daher einfacher werden, deutsches Recht und den Gerichtsstand Deutschland in Verhandlungen durchzusetzen. Die wesentlichen deutschen Gesetze sind bereits auf Veranlassung des Bundesministeriums der Justiz online in englischer Sprache verfügbar (www.gesetze-im-internet.de) und es finden sich bereits zahlreiche Übersetzungen deutscher Gerichtsurteile in die englische Sprache.

Parteien, die die Vorteile des deutschen Rechts und deutscher Gerichte ausnutzen wollen, sollten bereits jetzt in internationalen Vertragsverhandlungen auf die Möglichkeit der Nutzung der englischen Sprache vor deutschen Gerichten hinweisen und entsprechende Klauseln in Verträge aufnehmen.

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