Aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und höchstrichterlicher Rechtsprechung zur erweiterten Gewerbesteuerkürzung

Köln, 08.03.2022

Beitragsbild_Immo Newsletter_07Einleitung

Die Prüfung der sogenannten erweiterten Gewerbesteuerkürzung spielt oftmals eine Rolle, wenn es um Immobilien-An- und -verkäufe, die laufende Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes sowie die parallele Verwaltung von fremden Immobilien geht.

In der jüngeren Vergangenheit ist zum einen der Gesetzgeber tätig gewesen und hat für bestimmte Einnahmen Geringfügigkeitsschwellen eingefügt, bis zu deren Erreichen die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nicht gefährdet ist. Zum anderen hatte der Bundesfinanzhof in letzter Zeit Gelegenheit, zu Einzelfragen der erweiterten Gewerbesteuerkürzung Stellung zu nehmen (BFH-Urteil IV R 32/18 vom 15. April 2021 sowie BFH-Beschluss III R 7/19 vom 27. Oktober 2021).

Änderungen durch das FoStoG vom 3. Juni 2021

Grundsätzlich kann für Zwecke der Gewerbesteuer die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 Prozent des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt werden. Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, können stattdessen die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags beantragen, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt (sogenannte erweiterte Gewerbesteuerkürzung, vgl. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG). Der erweiterten Gewerbesteuerkürzung stand es schon bislang nicht entgegen, wenn in Verbindung mit der Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen Teileigentum im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes errichtet und veräußert wird und das Gebäude zu mehr als 66 ⅔ Prozent Wohnzwecken dient (jetzt § 9 Nr. 1 Satz 3 a) GewStG). 

Mit Wirkung zum Erhebungszeitraum 2021 hat der Gesetzgeber mit dem Fondstandortgesetz (FoStoG) vom 3. Juni 2021 (BGBl. I 2021, 1498) weitere erlaubte Ausnahmen geschaffen, die einer erweiterten Gewerbesteuerkürzung nicht im Wege stehen. 

Der neue § 9 Nr. 1 Satz 3 b) GewStG

Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 3 b) GewStG ist die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nun auch dann möglich, wenn in Verbindung mit der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes Einnahmen aus der Lieferung von Strom im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Sinne des § 3 Nr. 21 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes oder aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder erzielt werden und wenn diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr zugleich nicht höher sind als zehn Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung. Die Einnahmen aus Stromlieferungen aus erneuerbaren Energien dürfen dabei nicht aus der Lieferung an Letztverbraucher stammen, es sei denn, diese sind Mieter des Anlagenbetreibers.

Der neue § 9 Nr. 1 Satz 3 c) GewStG

Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 3 c) GewStG ist die erweiterte Gewerbesteuerkürzung zudem möglich, wenn Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes aus anderen als den in den § 9 Nr. 1 Satz 3 a) und b) GewStG bezeichneten Tätigkeiten erzielt werden und diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr nicht höher sind als fünf Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes.

Zusammenfassung

Zusammengefasst steht es der erweiterten Gewerbesteuerkürzung seit dem Erhebungszeitraum 2021 nicht entgegen, wenn der Unternehmer in Verbindung mit der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes Einnahmen aus Stromlieferungen aus erneuerbaren Energien erzielt und diese Einnahmen im Wirtschaftsjahr nicht höher sind als zehn Prozent bzw. die Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern erzielt und diese nicht höher sind als fünf Prozent der Gesamteinnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes. Unter die Fünf-Prozent-Schwelle fällt insbesondere die geringfügige Mitvermietung – nicht Veräußerung – von Betriebsvorrichtungen, die zuvor in Anbetracht des Ausschließlichkeitsgrundsatzes gänzlich schädlich für die erweiterte Gewerbesteuerkürzung war.

BFH-Urteil vom 15. April 2021 (Az.: IV R 32/18): Gemischt genutzte Gebäude sind keine Wohnungsbauten 

In seinem Urteil vom 15. April 2021 (Az.: IV R 32/18, BStBl. II 2021, 624) hatte der IV. Senat des BFH über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem eine GmbH & Co. KG neben der Verwaltung von eigenem Grundbesitz (Wohnungen, gewerbliche Einheiten, Garagen und Stellplätze) auch fremden Grundbesitz verwaltete. Gegenstand dieser Fremdverwaltung waren drei Verwaltungseinheiten, wobei die erste Einheit 28 Wohnungen und ein Büro, die zweite Einheit 32 Wohnungen und eine Fahrschule sowie die dritte Einheit 54 Wohnungen und ein Wohnheim sowie ein (Inklusions-)Hotel umfasste. Der gewerbliche Anteil an der gesamt nutzbaren Fläche betrug bei der ersten Einheit 18,5 Prozent, bei der zweiten Einheit 2 Prozent und bei der dritten Einheit 6 Prozent. Das Finanzamt lehnte nach einer durchgeführten Betriebsprüfung die erweiterte Gewerbesteuerkürzung ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. 

Die Revision vor dem BFH hatte keinen Erfolg. Gegenstand der Entscheidung war die Frage, ob auch die Verwaltung der fremden Verwaltungseinheiten als gemischt genutzte Gebäude noch eine Betreuung von Wohnungsbauten im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG darstellt. Der BFH legt den Begriff der „Wohnungsbauten“ restriktiv aus und stellt klar, dass es sich hierbei nur um solche Gebäude handelt, die ausschließlich Wohnzwecken dienen. Gemischt genutzte Gebäude sind hiervon nicht erfasst. 

Für dieses Ergebnis spreche neben dem Wortlaut vor allem die systematische Auslegung sowie die Entstehungsgeschichte der Norm. 

Im Zuge der systematischen Auslegung verweist der IV. Senat insbesondere auf § 9 Nr. 1 Satz 3 a) GewStG, der die erweiterte Gewerbesteuerkürzung für entsprechend anwendbar erklärt, wenn in Verbindung mit der Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen Teileigentum im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes errichtet und veräußert wird und das Gebäude zu mehr als 66 ⅔ Prozent Wohnzwecken dient. Eine vergleichbare Unschädlichkeit eines gewissen Anteils gewerblicher Nutzung habe der Gesetzgeber in Satz 2 der Vorschrift nicht vorgesehen. Es gebe zudem keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem der Begriff der Wohnungsbauten in einem bestimmten Umfang auch eine gewerbliche Nutzung des Gebäudes mit umfasse. 

Schließlich stellt der BFH in seiner Begründung auf die Entstehungsgeschichte ab. Es sei davon auszugehen, dass die Betreuung der Wohnungsbauten in den Katalog der kürzungsunschädlichen Tätigkeiten Eingang gefunden habe, um der Schaffung von Wohnraum zu dienen. 

Ein anderes Ergebnis sei weder von Verfassungswegen noch aus Praktikabilitätsgründen geboten. 

BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2021 (Az.: III R 7/19): Keine erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei erstmaliger Grundstücksverwaltung im Laufe des Erhebungszeitraums

In seinem Beschluss vom 27. Oktober 2021 (Az.: III R 7/19, DStR 2022, 91) beschäftigte sich der III. Senat des BFH mit einer GmbH als Klägerin, die im Jahr 2014 gegründet worden war und als Gegenstand ihres Unternehmens den Erwerb von Grundstücken sowie deren Verwaltung hatte. Im Laufe des Jahres 2014 erwarb die GmbH mehrere Grundstücke und erzielte einen Gewinn aus Vermietung und Verpachtung. Das Finanzamt versagte die erweiterte Gewerbesteuerkürzung. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. 

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Das Gericht stellt darauf ab, dass die erweiterte Kürzung die ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes voraussetze (abgesehen von den in § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG zugelassenen Ausnahmen) und der Begriff der „Ausschließlichkeit“ gleichermaßen qualitativ, quantitativ sowie zeitlich zu verstehen sei.

Dies bedeute in zeitlicher Hinsicht, dass der Unternehmer während des gesamten Erhebungszeitraums der in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG begünstigten Tätigkeit nachgehen müsse. Dies ergebe sich aus dem Wesen der Gewerbesteuer als Jahressteuer. Denn so wie es für die erweiterte Gewerbesteuerkürzung schädlich sei, wenn der Unternehmer vor Ablauf des Erhebungszeitraums das letzte oder einzige Grundstück veräußere und danach nur noch andere Tätigkeiten ausübe (Ausnahme ist die „technisch bedingte“ Veräußerung zum 31. Dezember um 23:59 Uhr), sei es ebenfalls schädlich, wenn der Unternehmer erstmals im Laufe eines Erhebungszeitraums die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes aufnehme. Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung setze voraus, dass der Unternehmer während des gesamten Erhebungszeitraums im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG tätig sei. Da diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht gegeben war, konnte die GmbH die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nicht beanspruchen. 

Praxishinweis 

Die Neuerungen durch das FoStoG vom 3. Juni 2021 sind grundsätzlich zu begrüßen. Dies betrifft vor allem die Fünf-Prozent-Geringfügigkeitsschwelle bzgl. der Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes (insbesondere Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen). Die Einhaltung dieser Grenze ist zwingend zu beachten und stetig im Blick zu behalten, da sie von Erhebungszeitraum zu Erhebungszeitraum variieren kann. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Geringfügigkeitsschwelle nicht für Veräußerungsgewinne gilt, sodass der Verkaufsfall von mit vermieteten Betriebsvorrichtungen problematisch bleibt und eine entsprechende Gestaltung erfordert.  

Die dargestellten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zeigen zudem, dass die Voraussetzungen der erweiterten Gewerbesteuerkürzung eng auszulegen sind. 

Insbesondere bei der Übernahme der Verwaltung von Fremdobjekten ist zwingend darauf zu achten, dass die zu betreuenden Einheiten reine Wohnungsbauten sind. Eine etwaige Geringfügigkeitsschwelle, bis zu der gewerbliche Mieter unschädlich sind, gibt es nicht. 

Ferner setzt die erweiterte Gewerbesteuerkürzung voraus, dass der Unternehmer während des gesamten Erhebungszeitraums im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG tätig ist. Dies bedeutet, dass nicht nur der – bereits durch die ständige Rechtsprechung bekannte – Verkauf des letzten oder einzigen Grundstücks vor Ablauf des Erhebungszeitraums schädlich sein kann. Auch die Aufnahme der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes erstmals im Laufe eines Erhebungszeitraums berechtigt nicht (auch nicht zeitanteilig) zur Nutzung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung. 

Gestalterische Maßnahmen in Grenzbereichen sollten in jedem Fall vorab einem fachlichen Rat unterzogen werden.

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