Aus „2015=100“ wird „2020=100“ – die VPI-Basis wird umgestellt

Hamburg, 08.03.2023

ImmobilienErhebliche Preissteigerungen sind allgegenwärtig. Damit von den Parteien anfänglich vereinbarte Mieten nicht entwertet werden, sehen gewerbliche Mietverträge regelmäßig Mietanpassungsregelungen vor. Schließlich kennt das Gewerbemietrecht – anders als das Wohnraummietrecht – keine gesetzlichen Regelungen für Mieterhöhungen. Neben einer kontinuierlichen Erhöhung um einen festen Betrag (Staffelmiete) wird in gewerblichen Mietverträgen zumeist eine Anpassung der Miete entsprechend der Veränderung eines Vergleichsindexes vereinbart (Indexmiete).

Der Verbraucherpreisindex für Deutschland als Maßstab der Wertsicherung

Bei einer Indexmiete wird ganz überwiegend der Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI) als Vergleichsindex gewählt. Dieser wird vom Statistischen Bundesamt herausgegeben und misst die durchschnittliche Preisentwicklung der Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte für Konsumzwecke typischerweise erwerben.

Die Miete soll sich dann in dem Verhältnis verändern, in dem sich der VPI seit Mietbeginn bzw. der letzten Anpassung verändert hat. In der konkreten Ausgestaltung sind die Parteien frei. Teilweise wird vereinbart, dass die Anpassung jährlich erfolgt, teilweise wird darauf abgestellt, dass eine Anpassung nur und immer dann erfolgt, wenn die Veränderung des VPI einen gewissen Schwellenwert übersteigt. Ferner kann die VPI-Veränderung vollständig oder nur teilweise weitergegeben werden.

Ganz überwiegend beziehen sich solche Indexklauseln auf einen sog. Basiswert („Basis 2015 = 100“).

Die Bedeutung der VPI-Basis

Ein häufiges Missverständnis liegt zunächst darin, das Basisjahr mit dem zeitlichen Ausgangspunkt der ersten Indexveränderung gleichzusetzen. Ein solches Verständnis hätte zur Folge, dass im Rahmen der ersten Anpassung der Miete auch die Preisentwicklung in der Vergangenheit relevant wäre, was aber natürlich nicht der Interessenlage der Parteien entspricht.

Tatsächlich markiert die VPI-Basis im Ausgangspunkt lediglich den Zeitpunkt, für den der Wert „100“ als Indexstand definiert wird. Dies soll die Berechnung späterer Indexstände erleichtern. Darüber hinaus dient das Basisjahr als Referenz für den Zeitpunkt der letzten Aktualisierung des gewichteten Warenkorbes, auf dem die Berechnung des VPI beruht.

Die Berechnung des VPI

Die Berechnung der monatlich und jährlich herausgegebenen Indexstände des VPI setzt sich zusammen aus dem etwa alle fünf Jahre überarbeiteten gewichteten Warenkorb und der laufenden Erfassung von Einzelpreisen für die darin enthaltenen Produkte.

Derzeit enthält der gewichtete Warenkorb rund 700 verschiedene Güterarten des privaten Konsums. Jeder Güterart ist ein Gewichtungsfaktor zugeordnet, der beschreibt, welchen Anteil der Konsumausgaben ein durchschnittlicher Haushalt auf die jeweilige Güterart verwendet. Damit ist die „Einkaufsliste“ für die Preiserfassung geschrieben, und zwar sowohl hinsichtlich Art und Umfang dessen, was sodann Gegenstand des Warenkorbes ist.

Auf Basis des gewichteten Warenkorbes werden nun laufend die tatsächlichen Endverbraucherpreise einzelner Produkte beobachtet. Konkret werden für jede Güterart die meistkonsumierten Einzelprodukte ausgewählt und deren Durchschnittspreis erhoben. Die Beobachtung erfolgt regional ausdifferenziert, so dass sich als Ergebnis jeweils deutschlandweit repräsentative Durchschnittspreise je Güterart ergeben.

Auf dieser Grundlage werden dann die neuen Indexstände für die einzelnen Güterarten ermittelt und – unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Gewichtung – zum fortgeschriebenen Stand des VPI für den jeweiligen Beobachtungsmonat zusammengeführt.

Die Umstellung des Basisjahres

Am 22. Februar 2023 wurde das Basisjahr des VPI zum Berichtsmonat Januar 2023 von der Basis 2015=100 auf die neue Basis 2020=100 umgestellt. Damit einher ging eine Überarbeitung des gewichteten Warenkorbes. Einzelne Güterarten wurden unter Berücksichtigung volkswirtschaftlicher Erhebungen hinzugefügt und entfernt, zudem wurden die Gewichtungsfaktoren neu ermittelt. Ausgehend von diesem neuen Warenkorb erfolgte eine Neuberechnung der Indexwerte rückwirkend ab Januar 2020; die Indexwerte vor Januar 2020 wurden rundungsweise auf Grundlage der neuen Basis ermittelt.

Anders als bei bisherigen Umbasierungen gab es für das Basisjahr 2020 deutliche und ergebnisrelevante Veränderungen des gewichteten Warenkorbs. Das Gewicht des Güterbereichs „Wohnung und Haushaltsenergie“ verringerte sich zum Beispiel im Vergleich zum Basisjahr 2015 von 32,47 Prozent auf 25,93 Prozent. Das Statistische Bundesamt erklärt diese Veränderung damit, dass es die Gewichtungsfaktoren nunmehr nicht allein aufgrund von Haushaltsbefragungen ermittele, sondern primär volkswirtschaftliche Datenquellen berücksichtige. Praktische Konsequenz ist, dass die erheblichen Steigerungen der Energiepreise im Jahr 2022 künftig einen geringeren Einfluss auf den Indexstand haben. Damit liegt die Veränderung des VPI im Jahr 2022 nunmehr bei 6,9 Prozent anstelle von 7,9 Prozent auf Grundlage des alten Warenkorbs.

Die Folgen der Umstellung für Verträge mit Indexklauseln

Die gute Nachricht: Die Umstellung des Basisjahres hat in den meisten Fällen nur mittelbare Folgen auf die typischerweise verwendeten Indexklauseln (nämlich solche, die an eine prozentuale Veränderung des VPI anknüpfen). Auf der Basis 2015=100 schon durchgeführte Mietanpassungen haben – vorbehaltlich einer ausdrücklich abweichenden Vereinbarung im Mietvertrag, die eher selten ist – auch weiterhin Bestand und müssen nicht rückwirkend überprüft bzw. angepasst werden. Die nächste anstehende Mietanpassung ist sodann insgesamt auf Grundlage der Basis 2020=100 zu berechnen. Weitergehender Handlungsbedarf für die Parteien eines gewerblichen Mietverhältnisses entsteht dadurch in aller Regel nicht.

Anderes gilt dann, wenn die in einem Mietvertrag enthaltene Indexklausel – wie man es teilweise in älteren Mietverträgen sieht – an eine Veränderung von Indexpunkten (und nicht an eine prozentuale Veränderung) anknüpft. Macht z.B. eine Klausel eine Mietanpassung davon abhängig, dass die Veränderung einen Schwellenwert von „fünf Indexpunkten auf der Basis 2015=100“ übersteigt, ist Vorsicht geboten. Denn fünf Indexpunkte auf der Basis 2015=100 sind nicht gleichzusetzen mit fünf Indexpunkten auf der Basis 2020=100. Die Umrechnung ist sehr komplex und in der Praxis häufig fehleranfällig, weshalb von Indexklauseln, die an die Veränderung von Indexpunkten statt an eine prozentuale Veränderung des VPI selbst anknüpfen, abzuraten ist. Eine konsequent fehlerhafte – aber zwischen den Parteien einvernehmliche – Anwendung solcher Punkteklauseln kann zudem eine konkludente Änderung des Mietvertrags beinhalten und birgt daher Schriftformrisiken.

Wer Musterverträge verwendet, in deren Indexklauseln konkret auf die Basis 2015=100 abgestellt wird, sollte diese für Neuabschlüsse auf die Basis 2020=100 aktualisieren. Um solche Aktualisierungen künftig zu vermeiden, kann auch schlicht auf „die jeweils aktuellste Basis“ abgestellt werden.

Praxishinweis: Das Statistische Bundesamt stellt als Rechenhilfe für den Umgang mit Indexklauseln einen Wertsicherungsrechner auf dessen Website zur Verfügung. Dieser wird gegenwärtig überarbeitet und auf die Basis 2020=100 angepasst.

 

Autoren: Dr. Christoph Mönig (Partner) und  Fabian Tobianski (wissenschaftlicher Mitarbeiter)

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