Mietanpassung und Vertragsverlängerung im Angesicht der Pandemie (OLG Düsseldorf Hinweisbeschluss vom 20. September 2022 – 24 U 117/21)

Berlin, 08.03.2023

ImmobilienEine während der Pandemie getroffene Vereinbarung über die Miethöhe schließt grundsätzlich eine Anpassung der Geschäftsgrundlage aus, wenn anschließend nachteilige Umstände eintreten, die auf der Pandemie beruhen. Insoweit genügt die konkret-individuelle Vorhersehbarkeit.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem gewerblichen Mietvertrag. Die Miete betrug netto EUR 17.450,00 zzgl. Betriebskostenvorauszahlung und gesetzlicher Umsatzsteuer. Das Mietende war ursprünglich für den 15. Februar 2021 vereinbart.

Mit Nachtrag vom 6./14. Mai 2020 vereinbarten die Parteien eine Verlängerung der Mietzeit bis zum 15. Februar 2026 und reduzierten die Miete ab dem 16. Februar 2021 um EUR 800,00 auf dann EUR 16.650,00 netto. Für die Monate April und Mai 2020 erließ die Klägerin der Beklagten die Miete vollständig und für Juni bis September 2020 einigten sich die Parteien auf eine um 50 Prozent reduzierte Miete. Die Beklagte musste aufgrund der staatlichen Schließungsanordnungen ihre Geschäftsräume unter anderem ab dem 16. Dezember 2020 bis zum 7. März 2021 schließen. Vom 8. bis zum 31. März 2021 konnte die Beklagte ihr Geschäft unter der Einhaltung von Flächenbeschränkungen und Testauflagen eingeschränkt öffnen.

Für Februar und März 2021 zahlte die Beklagte keine Miete und wurde deswegen von der Klägerin vor dem LG Kleve verklagt.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die pandemiebedingten Schließungsanordnungen keinen Mietmangel darstellten und die Beklagte insofern auch keinen Anspruch auf Anpassung der Miete nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage habe, weil bei Abschluss des Nachtrags im Mai 2020 die Pandemie und deren Folgen hinreichend und auch der Beklagten bekannt gewesen seien.

Die Beklagte vertrat hingegen die Auffassung, dass durch die staatlich angeordnete Schließung ihres Betriebs eine vollständige Minderung der Miete eingetreten sei, denn das Verwendungsrisiko trage der Vermieter. Eine Überwälzung dieses Risikos allein auf den Mieter sei willkürlich. Zudem seien die Parteien bei Abschluss des Nachtrags im Mai 2020 davon ausgegangen, dass künftig ein geregelter Geschäftsbetrieb durchgeführt werden könne. Mit einer globalen Pandemie und weiteren Geschäftsschließungen habe man hingegen nicht gerechnet. Die angeordneten Geschäftsschließungen hätten zu erheblichen Umsatzverlusten geführt.

Die gegen das stattgebende Urteil des LG Kleve eingelegte Berufung nahm die Beklagte nach Erteilung des hier besprochenen Hinweisbeschlusses zurück.

Entscheidungsgründe

Das OLG Düsseldorf schließt sich in seinem Hinweisbeschluss der Rechtsauffassung des Ausgangsgerichts an und verneint im vorliegenden Fall das Vorliegen eines Mangels.

Weder wurden aufgrund der staatlichen Anordnung zur Schließung des Geschäftsbetriebs die Nutzung der angemieteten Geschäftsräume durch die Beklagte noch die tatsächliche oder rechtliche Überlassung der Mieträumlichkeiten durch die Klägerin verboten. Vielmehr stand das Mietobjekt der Beklagten weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung.

Des Weiteren steht der Beklagten auch kein Anspruch auf Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage zu. Nachdem die Parteien mit dem Nachtrag vom 6./14. Mai 2020 die Miethöhe neu geregelt hatten und zudem konkrete Vereinbarungen bezüglich der Mieten für die durch die Coronamaßnahmen beeinflussten Monate April und Mai 2020 sowie Juni bis einschließlich September 2020 getroffen haben, erfolgte dies unstreitig in Hinblick auf die Coronapandemie und den damit bei der Beklagten einhergehenden Umsatzeinbußen. Damit lagen die Voraussetzungen für eine Störung der Geschäftsgrundlage nach Abschluss des Nachtrags nicht mehr vor.

Von einer Störung der Geschäftsgrundlage sei nur dann auszugehen, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss einer Fehlvorstellung unterlagen, aufgrund derer man davon ausgehen muss, dass sie bei Kenntnis der später eingetretenen Umstände oder Entwicklungen den Vertrag nicht – oder zumindest nicht mit dem gleichen Inhalt – geschlossen hätten. Für die Verneinung einer Grundlagenstörung reiche hingegen die konkret-individuelle Vorhersehbarkeit der Störung aus. Die Parteien hätten also vertragliche oder tatsächliche Vorkehrungen treffen müssen, zum Beispiel Bedingungen oder Anpassungsklauseln in den Vertrag aufnehmen oder eine Versicherung abschließen, um des erkannten Risikos Herr zu werden. Auf eine Berücksichtigung zukünftiger Pandemiefolgen hat die Beklagte hingegen nicht gedrungen, obwohl sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Nachtrags bereits abzeichnete, dass die Coronapandemie auch ab September 2020 voraussichtlich noch nicht überwunden sein würde.

Vielmehr schlossen die Parteien den zweiten Nachtrag in dem Wissen, dass die Coronapandemie bereits zu weitreichenden und weltweiten Beschränkungen geführt hatte, und waren sich daher der Gefahr bewusst, dass es jederzeit erneut aufgrund hoheitlicher Anordnungen zu Geschäftsschließungen und damit verbundenen Umsatzeinbußen kommen könne.

Der Sachverhalt unterscheide sich damit maßgeblich von den bisher durch den BGH entschiedenen Fällen, in denen der Abschluss der Mietverträge und der damit einhergehenden Einigung über die Miethöhe vor Beginn – und somit in Unkenntnis der Coronapandemie – erfolgt waren. Vielmehr waren vorliegend die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie ausdrücklich Gegenstand der Regelungen des Nachtrags.

Bedeutung für die Praxis

Die Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf ist konsequent. Einerseits schließt sie sich in Bezug auf die Frage der Mangelhaftigkeit der Mietsache der inzwischen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an (grundlegend BGH NJW 2022, 1370). Andererseits werden die Voraussetzungen für die Anpassung der Geschäftsgrundlage konkret skizziert (und im vorliegenden Fall zutreffend verneint).

Die zwischen den Vertragsparteien in der Praxis oft zu beobachtende Diskussion um die Einstufung von Corona als höhere Gewalt ist demnach irrelevant, sobald eine Nachtragsvereinbarung abgeschlossen wurde, welche die Coronapandemie berücksichtigt. Dies gilt auch dann, wenn im Zeitpunkt des Abschlusses der Nachtragsvereinbarung die weiteren Auswirkungen der Pandemie noch nicht vollständig vorhersehbar waren.

Aus Mietersicht ist damit auf eine Berücksichtigung zukünftiger Pandemiefolgen (oder auch sonstiger inzwischen vorstellbarer gewordener Ereignisse) in entsprechenden Nachtragsvereinbarungen zu achten.

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