„No-Russia“- und „No Belarus“-Klauseln - bald auch für Nicht-EU-Tochterunternehmen verpflichtend?

Köln, 08.04.2025

Drei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine – am 24. Februar 2025 – hat der Rat der Europäischen Union das 16. Sanktionspaket gegen Russland und Belarus veröffentlicht. Erneut sind europäische Exporteure mit zusätzlichen Auflagen konfrontiert, und wieder rücken Tochterunternehmen in Drittländern ins Visier der Regulierer. Droht bald ein noch größerer Wurf? 

Hintergrund

Die Bereitschaft des Gesetzgebers, europäische Exporteure mitunter hart anzufassen, wenn es um die Verhinderung von Embargoumgehung geht, ist spätestens seit Einführung der „No-Russia“- und der etwas jüngeren „No-Belarus“-Klauseln hinreichend verbrieft: Ein nach dem Recht eines EU-Mitgliedsstaates gegründetes oder eingetragenes Unternehmen, das bestimmte Güter in bestimmte Drittländer exportiert, ist heute verpflichtet, in seine Verträge Bestimmungen aufzunehmen, die die Wiederausfuhr der Güter nach bzw. zur Verwendung in Russland und Belarus untersagen. Bei Verstößen drohen harte Sanktionen und sogar strafrechtliche Verfolgung. 

Das Ziel des Gesetzgebers, damit eine Umlenkung von kriegsrelevanten Gütern über Drittländer zu verhindern, wird jedoch bis heute dort unterminiert, wo drittländische Tochterunternehmen eingebunden werden. Denn EU-sanktionsrechtliche Pflichten betreffen drittländische Unternehmen grundsätzlich nur bei in der EU getätigten Geschäften. Entsprechend wird seitens der EU der Druck auf EU-Muttergesellschaften, ihre Nicht-EU-Töchter zu kontrollieren, beständig erhöht. Schon jetzt wird über das nächste Sanktionspaket verhandelt. Es drängt sich die Frage auf: Werden im nächsten Schritt auch „No-Russia“- und „No-Belarus“-Klauseln für Nicht-EU-Tochterunternehmen verpflichtend? Und könnten EU-Muttergesellschaften bei Non-Compliance haften?

Was sind „No-Russia“- und „No-Belarus“-Klauseln?

„No-Russia“-Klauseln sind in Art. 12g VO (EU) 833/2014 geregelt. Danach müssen alle Wirtschaftsbeteiligten, die bestimmte Güter in bestimmte Drittländer exportieren, den Weitertransport nach Russland vertraglich verbieten. 

Zur Absicherung sollen „angemessene Abhilfemaßnahmen“ vereinbart werden, etwa Kündigungsrechte, Schadensersatz oder Vertragsstrafen.

Die Verpflichtung enthält einige Einschränkungen: Sie gilt nicht für Exporte in einen EU-Mitgliedstaat oder eine Reihe von Partnerstaaten und betrifft nur eine abschließende Zahl bestimmter gelisteter Güter. Öffentliche Aufträge, die mit einer Behörde in einem Drittland oder einer internationalen Organisation abgeschlossen worden sind, sind ebenfalls ausgenommen.

Nach Abs. 4 des Artikels 12g VO (EU) 833/2014 sind die Wirtschaftsbeteiligten verpflichtet, Verstöße Ihrer Vertragspartner gegen das vertraglich vereinbarte Wiederausfuhrverbot und geschlossene öffentliche Aufträge der zuständigen nationalen Behörde zu melden. Zuständige Behörde in Deutschland ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).

Eine spiegelbildliche Regelung für Belarus ist im Juni 2024 mit Art. 8g VO (EU) 765/2006 in Kraft getreten. Sie gilt jedoch nur für Verträge, die ab dem 1. Juli 2024 geschlossen worden sind.

Welche Regelungen gelten für Nicht-EU-Tochterunternehmen?

Mit den jüngsten Sanktionspaketen hat der europäische Gesetzgeber Regelungen geschaffen, die neben EU-Wirtschaftsbeteiligten auch deren „außerhalb der Union niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die sich in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befinden“ adressieren. Ausweislich der Erwägungsgründe zum Änderungsgesetz ist mit „Eigentum“ das Halten von 50% der Anteile bzw. Mehrheitsbeteiligung gemeint. „Kontrolle“ wird anhand von Regelbeispielen konkretisiert, die letztlich auf die Ausübung eines beherrschenden Einflusses hinauslaufen.

Der Rechtsanwender sieht sich vor große Herausforderungen gestellt, seit im Zuge dessen Art. 8a VO (EU) 833/2014 in Kraft getreten ist, der bestimmt, dass EU-Wirtschaftsbeteiligte „sich nach besten Kräften bemühen, sicherzustellen“ dass sich in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befindliche drittländischen Unternehmen sich „nicht an Handlungen beteiligen, die die restriktiven Maßnahmen gemäß dieser Verordnung untergraben.“ Eine gleichlautende Klausel für Belarus ist in Art. 8i VO (EU) 765/2006 geschaffen worden. 

Beide Vorschriften sind nicht zuletzt aufgrund von Vorbehalten der deutschen Bundesregierung gegenüber früheren Entwürfen deutlich entschärft worden. Zum einen ist der Anwendungsbereich durch das Wort „untergraben“ auf Fälle zielgerichteter Beteiligung an nach EU (VO) 833/14 verbotenen Handlungen verengt worden (etwa Weiterleitungen von gelisteten Gütern nach Russland/Belarus oder Umgehungshandlungen nach Art. 12 der Verordnung). Zum anderen ist die ursprünglich vorgesehene „Vermutung der Verantwortlichkeit“ nun durch die weniger strenge Formulierung des „Bemühens nach besten Kräften“ ersetzt. Eine allgemeine Verantwortung der Muttergesellschaft ist aus dem Gesetz also „herausverhandelt“ worden. Dennoch hat der Gesetzgeber seine grundsätzliche Bereitschaft, Wirtschaftsbeteiligten für das Verhalten ihrer Tochterunternehmen in die Pflicht zu nehmen, unter Beweis gestellt.

Einen Schritt weiter gegangen ist der Gesetzgeber mit dem neu eingefügten Art. 12gb VO (EU) 833/2014 – einer Vorschrift in direkter Nachbarschaft zur Regelung der „No-Russia“-Klausel in Art. 12g. Diese Vorschrift sieht für Wirtschaftsbeteiligte, die mit Verkauf, Lieferung, Verbringung oder Ausfuhr eines eng gefassten Kreises bestimmter Güter befasst sind, weitere Pflichten vor. Dabei geht es um Ermittlung, Dokumentation, Minimierung und Management des Risikos einer Warenweiterleitung nach Russland. Mit Art. 8ga VO (EU) 765/2006 gibt es auch hierzu eine korrespondierende Vorschrift für Belarus.

Interessant ist nun: Diese Pflichten gelten nach Abs. 3 beider Vorschriften auch für drittländische Tochterunternehmen. Die Einhaltung der Regelungen durch die Tochterunternehmen ist dabei durch die EU-Muttergesellschaft „sicherzustellen“, sofern sie zur Ausübung der Kontrolle nicht „aus unvermeidbaren Gründen nicht in der Lage“ ist. Von einem bloßen „Bemühen nach besten Kräften“ ist hier keine Rede. Mit dem Sanktionspaket aus dem Februar 2025 sind diese Vorschriften nun auf weitere Güter ausgeweitet worden.

Was kommt?

Welche Haltung eine neue Bundesregierung hinsichtlich einer Ausweitung der Sanktionen einnehmen wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Zuletzt hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Umgehung von EU-Sanktionen über Drittländer, insbesondere über drittländische Tochterunternehmen, jedoch öffentlich beklagt. Die Bereitschaft der europäischen Partner zu einem härteren Vorgehen (auch) mit Blick auf Nicht-EU-Tochtergesellschaften hat sich bereits in den vergangenen Verhandlungsrunden gezeigt. Eine Ausweitung des Pflichtenkreises oder eine Erweiterung der geltenden Regelungen auf weitere Exportgüter scheint vor diesem Hintergrund sehr wahrscheinlich. 

Es steht zu erwarten, dass hierbei der zuletzt eingeschlagene Weg, Druck auf die EU-Muttergesellschaften von Nicht-EU-Tochterunternehmen auszuüben, weiter fortgesetzt wird. Eine Verantwortlichkeit von EU-Wirtschaftsbeteiligten für in Drittländern ansässige Tochterunternehmen ist in Art. 12gb EU (VO) 833/14 und Art. 8ga VO (EU) 765/2006 bereits etabliert. Eine Verpflichtung von Wirtschaftsbeteiligten, dafür zu sorgen, dass die eigenen Nicht-EU-Tochterunternehmen „No-Russia“- und „No-Belarus“-Klauseln sukzessive einführen, erscheint hierbei ein gangbarer Weg. Es ist damit zu rechnen, dass analog der bisherigen Beschränkungen Ausnahmen für Altverträge und sich der Kontrolle der Wirtschaftsbeteiligten entziehende Fälle geschaffen werden. Auch ist damit zu rechnen, dass die Verpflichtung nicht die drittländischen Tochterunternehmen selbst, sondern die EU-Muttergesellschaften betreffen wird (eine extraterritoriale Wirkung eigener Sanktionen beansprucht die EU grundsätzlich nicht; eine sanktionsrechtliche Verantwortung von EU-Muttergesellschaften besteht bereits jetzt). 

Was ist zu tun?

Die Rechtslage ist dynamisch, sanktionsrechtliche Regelungen – auch zu „No-Russia“- und „No-Belarus“-Klauseln – werden fortlaufend angepasst. Die jüngsten Sanktionspakete sind stets mit Handlungsbedarf für EU-Unternehmen einhergegangen. Vor diesem Hintergrund sollten Wirtschaftsbeteiligte regemäßig prüfen;

  • ob ihre Güter in betroffene Drittländer exportiert werden;
  • ob die Zolltarifnummern der exportierten Güter denen von Gütern auf (aktualisierten) Sanktionslisten entsprechen;
  • ob, soweit notwendig, bestehende Verträge „No-Russia“- und „No-Belarus“-Klauseln enthalten;
  • ob eigene Tochterunternehmen entsprechend betroffen sind.

Sollen bzw. müssen Verträge entsprechend angepasst werden, sollte hierzu ein Experte im Außenhandelsrecht konsultiert werden. 

Dringend abzuraten ist von der Verwendung der „No-Russia“-Musterklauseln der EU-Kommission. Der Formulierungsvorschlag enthält eine pauschale Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung, was nach deutschem AGB-Recht grundsätzlich unzulässig ist. Gleichwohl werden die Musterklauseln von verschiedener Seite, insbesondere in im Internet abrufbaren „Ratgebern“, zitiert und empfohlen – hier ist Vorsicht geboten.

Unsere Experten im Außenhandelsrecht beraten Sie in allen handelsrechtlichen Fragen und unterstützen Sie bei der rechtssicheren Formulierung Ihrer Verträge und Vertragsbedingungen. Sprechen Sie uns gerne an!

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