[Köln, ] (BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 106/10) Abmahnungen sind ein häufig genutztes vorprozessuales Mittel, um Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht, Urheberrecht sowie weitere gewerbliche Schutzrechte anzuzeigen. Hierbei hat das Thema der missbräuchlichen Abmahnungen in den letzten Jahren einen neuen Aufwind erhalten (Thema „Abmahnanwälte“). Der Bundesgerichtshof hat mit der Entscheidung vom 31. Mai 2012 klargestellt, dass eine missbräuchliche Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung grundsätzlich nicht zum Erlöschen des Unterlassungsanspruchs aus § 97 Abs. 1 UrhG führt. Eine der Abmahnung folgende Unterlassungsklage ist zulässig. Es entfällt hingegen der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten.
Hintergrund
Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch dann nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden, wenn dieser nach § 8 Abs. 4 UWG zuvor missbräuchlich abgemahnt wurde (u.a. BGH, Urteil vom 15.12.2011, GRUR-Prax 2012, 289 – Bauheizgeräte). Wurde ein Anspruch rechtsmissbräuchlich abgemahnt, erlischt der an sich vorliegende Unterlassungsanspruch und die Unterlassungsklage wird unzulässig.
Sachverhalt
In dem zugrundeliegenden Fall hatte sich der Kläger gegen die Nutzung von ihm hergestellter Photographien sowie einer von ihm gestalteten Webseite gewehrt. Die Webseite sowie die Photographien konnten ohne seine Zustimmung über vier weitere Internetseiten abgerufen werden. Der Kläger verlangte u.a. die Unterlassung der Nutzung der Photographien sowie den Ersatz der Abmahnkosten für die vorprozessuale Abmahnung der Beklagten. Das Berufungsgericht hatte die Klage abgewiesen. Aufgrund der vorherigen missbräuchlichen Abmahnung der Beklagten durch den Kläger sei die Unterlassungsklage – wie im Wettbewerbsrecht – unzulässig. Der an sich gegebene Unterlassungsanspruch sei erloschen.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof entschied, dass eine missbräuchliche Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung nicht zum Erlöschen des Unterlassungsanspruchs und zur Unzulässigkeit der Unterlassungsklage führt. Das Urheberrecht enthalte keine Vorschrift zu den Folgen einer missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen. Ob eine Abmahnung missbräuchlich ist, richte sich nicht nach § 8 Abs. 4 UWG sondern nach dem allgemeinen Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB. Für eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 4 UWG fehle bereits eine rechtswidrige Regelungslücke. Zudem ist zwischen einer Abmahnung aufgrund einer Urheberrechtsverletzung oder eines Wettbewerbsverstoßes zu differenzieren. Im Wettbewerbsrecht führt eine nach § 8 Abs. 4 UWG missbräuchliche Abmahnung zum Erlöschen des an sich gegebenen Unterlassungsanspruchs. § 8 Abs. 4 UWG fungiert hierbei als Korrektiv im Hinblick auf die Zahl der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG. Ein Wettbewerbsverstoß kann durch eine Vielzahl von Anspruchsberechtigten verfolgt werden. Wird ein einzelner Anspruchsberechtigter wegen missbräuchlichem Verhalten von der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ausgeschlossen, kann der Unterlassungsanspruch von einem anderen Anspruchsberechtigten weiterhin geltend gemacht werden. Bei der Verletzung des Urheberrechts ist dagegen allein der Verletzte berechtigt, Verstöße des Urheberrechts geltend zu machen. Eine missbräuchliche Abmahnung im Urheberrecht solle nicht dazu führen, dass der Urheber eine Verletzung seiner Rechte endgültig hinnehmen muss. Dies führe zu einer unzumutbaren Einschränkung seiner Rechte. Eine missbräuchliche Abmahnung schließt somit eine nachfolgende Unterlassungsklage nicht aus.
Fazit
Der Bundesgerichtshof stellt in seiner Entscheidung klar, dass der Urheber seine Rechte auch dann gerichtlich durchsetzen kann, wenn eine vorherige Abmahnung missbräuchlich war. Allerdings entfällt in diesem Fall ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten gem. § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG. Die missbräuchliche Abmahnung eines Urheberrechtsverstoßes bleibt somit nicht vollkommen folgenlos.