Equity-Line-Finanzierungen – ein neues Finanzierungsinstrument am Kapitalmarkt

10.05.2011

[] Equity-Line-Finanzierungen, bei denen es sich um „Eigenkapital auf Abruf" handelt, sind in den USA ein etabliertes Finanzierungsinstrument für börsennotierte Unternehmen. Auch in Deutschland kommt dieses alternative Finanzierungsinstrument immer öfter zur Anwendung. Vielen börsennotierten Aktiengesellschaften steht Fremdkapital nicht oder nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung. Das kann insbesondere an dem gesamtwirtschaftlichen Umfeld oder aber auch an der Branche liegen, in welchem das Unternehmen tätig ist. Beispielsweise ist es derzeit für Biotech-Unternehmen schwer, sich über Fremdkapital zu finanzieren. Aber auch Eigenkapitalfinanzierungen haben ihre Tücken. Neue Aktien aus Kapitalerhöhungen sind in einem schwierigen Börsenumfeld nicht immer ausreichend platzierbar. Hier kann die Equity-Line-Finanzierung Abhilfe schaffen.

Die Grundstruktur der Equity-Line-Finanzierung stellt sich wie folgt dar: Ein Finanzierungsgeber verpflichtet sich gegenüber einer börsennotierten Aktiengesellschaft vertraglich, über einen bestimmten Zeitraum (beispielsweise drei Jahre) auf Verlangen der Gesellschaft neue Aktien aus genehmigtem Kapital bis zu einem vorher bestimmten Gesamtvolumen zu zeichnen. Der Gesellschaft selbst hingegen steht ein freies Ermessen zu, ob und in welchem Umfang sie von diesem ihr zustehenden Andienungsrecht Gebrauch macht. Die Equity-Line-Finanzierung wird in vorher festgelegten Tranchen und somit durch eine Vielzahl von einzelnen Kapitalerhöhungen aus genehmigten Kapital ausgeübt. Das Grundkapital der Aktiengesellschaft erhöht sich demnach sukzessive. Das geht solange, bis entweder der vereinbarte Zeitraum abgelaufen oder das Gesamtvolumen erreicht ist. Dabei erfolgen die Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts der anderen Aktionäre und sind somit nur in einem begrenzten Umfang zulässig. Insgesamt dürfen sie einen Betrag von 10 % des vorhandenen Grundkapitals nicht übersteigen. Da dieses zur Verfügung stehende genehmigte Kapital in der Regel schnell „verbraucht" sein wird und ggf. nicht ausreicht, das Gesamtvolumen der Equitiy-Line-Finanzierung abzudecken, lassen sich die Aktiengesellschaften in der Praxis zum Teil jährlich ein neues genehmigtes Kapital von der Hauptversammlung gewähren. Denn dann steht wieder ein neuer Betrag in Höhe von 10 % des Grundkapitals für den Bezugsrechtsausschluss bereit. Unmittelbar nach Eintragung der Durchführung der jeweiligen Kapitalerhöhung in das Handelsregister, also nach Schaffung der neuen Aktien, ist innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums für die Handelbarkeit dieser Aktien an der Börse zu sorgen. Somit erhöht sich neben dem Grundkapital auch die Anzahl der an der Börse handelbaren Aktien sukzessive. Was auf dem ersten Blick verlockend klingt, ist juristisch äußerst komplex. Beispielsweise darf der Ausgabebetrag, also der Betrag, zu dem die neuen Aktien an den Finanzierungsgeber ausgegeben werden, bestimmte Grenzen nicht unterschreiten. Der Finanzierungsgeber hat ein Interesse daran, die Aktien möglichst günstig zu erwerben, um sie anschließend zeitnah mit einer Gewinnmarge am Kapitalmarkt zu veräußern. Er wird also versuchen, einen möglichst niedrigen Ausgabebetrag durchzusetzen. Die Aktiengesellschaft wiederum möchte einen möglichst hohen Betrag für ihre Aktien einnehmen und den Verwässerungseffekt für ihre Aktionäre in Grenzen halten. Üblich dürfte es sein, einen Abschlag von 3 bis 5 % auf den Durchschnittskurs der Aktien während eines vorher definierten Zeitraumes vor Ausübung des Andienungsrechts festzulegen.

Vorsicht ist auch bei der genauen Ausgestaltung von Gebühren geboten. Der Finanzierungsgeber wird sich in der Regel nicht mit einem Abschlag auf den Börsenkurs zufrieden geben, sondern darüber hinaus auch eine Strukturierungs- und/oder Bereitstellungsgebühr für die Möglichkeit der Ausübung des Andienungsrechts verlangen. In diesem Zusammenhang müssen die aktienrechtlichen Bestimmungen zur Kapitalaufbringung bzw. -erhaltung beachtet werden.

Die konkrete Ausübung einer einzelnen Tranche ist in der Praxis recht kompliziert. Insbesondere ist hier ein enger Zeitplan einzuhalten, in welchen sowohl das Registergericht als auch die Börse – also Dritte – eingebunden sind. Da die Equitiy-Line-Finanzierung nur den wenigsten Registerrichtern geläufig sein dürfte, sind Nachfragen des Gerichts nicht ausgeschlossen. Das kann den engen Zeitplan durcheinanderwirbeln und sowohl für die Gesellschaft als auch den Finanzierungsgeber unangenehme Folgen haben, wenn in Hinblick auf die neuen Aktien bereits Dispositionen vorgenommen wurden. Somit empfiehlt es sich, gegebenenfalls die Durchführung der einzelnen Tranchen bzw. der einzelnen Kapitalerhöhungen sowie den Zeitplan im Vorfeld mit dem zuständigen Registergericht bzw. der Börse abzustimmen. Im Ergebnis ist die Equity-Line-Finanzierung juristisch zwar komplex. Wird sie aber richtig strukturiert, kann dieses alternative Finanzierungsinstrument erheblich zur Stärkung der Finanzkraft von börsennotierten Aktiengesellschaften beitragen. Unternehmen der Biotech- Branche haben in diesem Bereich in Deutschland eine Vorreiterrolle gespielt und bereits von diesem Finanzierungsinstrument Gebrauch gemacht. Weitere Unternehmen dürften folgen.

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