Die EU-Gebäuderichtlinie (englisch: Energy Performance of Buildings Directive, kurz: EPBD) ist seit etwa einem Jahr in Kraft. Das Erreichen der Halbzeit der Umsetzungsfrist in nationales Recht bietet Anlass, eine Zwischenbilanz zum aktuellen Stand der Transformation zu ziehen.
Hintergrund: EU-Gebäuderichtlinie und Umsetzungsdruck
Mit Inkrafttreten der EPBD am 28. Mai 2024 hat der europäische Gesetzgeber den regulatorischen Rahmen für die ökologische Transformation des Gebäudesektors grundlegend neu geordnet. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Vorgaben bis spätestens 29. Mai 2026 in nationales Recht zu überführen. Ziel ist eine tiefgreifende Reduktion von Treibhausgasemissionen und Energieverbrauch über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden hinweg.
Die Richtlinie beinhaltet zu diesem Zweck eine ganze Reihe an verschiedenen Regelungsmaterien. Sie verpflichtet insbesondere zur Einführung von Nullemissionsstandards für Gebäude sowie zur verbindlichen Einbeziehung der Lebenszyklusanalyse (englisch: Life Cycle Analysis, kurz: LCA) und statuiert Sanierungspflichten für ineffiziente Nichtwohngebäude. Ferner normiert sie Vorgaben zur elektrischen Ladeinfrastruktur von Gebäuden (englisch: Electric Vehicle Charging Infrastructure, kurz: EVCI), zur Installation von Photovoltaikanlagen und für die Gewinnung und Auswertung digitaler Gebäudedaten. Einen ersten Überblick hatten wir bereits in unserem Newsletter Immobilienwirtschaftsrecht vom 5. März 2025 vorgestellt.
Stand der nationalen Umsetzung
Die Umsetzung der EPBD wird auf nationaler Ebene im Wesentlichen über eine Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), des Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetzes (GEIG) sowie über den Erlass beziehungsweise die Novellierung einzelner baurechtlicher Vorschriften erfolgen. Seit dem Regierungswechsel Anfang dieses Jahres bestehen hier insbesondere in Bezug auf das Gebäudeenergiegesetz einige Unklarheiten hinsichtlich des zukünftigen Rechtsrahmens.
Novelle des GEG im Jahr 2024
Das GEG wurde zuletzt mit dem Änderungsgesetz vom 19. Oktober 2023 (BGBl. Nr. 280-281) zum 1. Januar 2024 umfassend novelliert, um die Energiewende im Gebäudesektor voranzutreiben. Diese Reform wird häufig vereinfachend als „Heizungsgesetz“ bezeichnet, da sie insbesondere die Anforderungen an neue Heizungsanlagen verschärft. Zu den wesentlichen Neuerungen zählen unter anderem:
- Seit 2024 muss gemäß § 71 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden, wobei je nach Baugebiet unterschiedliche Übergangsfristen gelten.
- Vermieter dürfen künftig bis zu zehn Prozent der Kosten umlegen, wenn sie in eine neue Heizungsanlage investieren beziehungsweise die Bestandsanlage modernisieren. Die Umlage ist jedoch gemäß § 559 Abs. 3a BGB gedeckelt.
Geplante Änderung des GEG
Mit Bildung der neuen Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD und dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung am 6. Mai 2025 deutet sich ein klimapolitischer Kurswechsel im Gebäudesektor an. Im Wahlkampf hatte die Union bereits angekündigt, das sogenannte Heizungsgesetz „abschaffen“ zu wollen. Gemeint ist damit offensichtlich die Reform des GEG durch die Vorgängerregierung, insbesondere die Regelungen in §§ 71 ff. GEG.
In den Koalitionsverhandlungen konnte sich die Union mit ihrer Forderung weitgehend durchsetzen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu, dass das GEG technologieoffener, flexibler und einfacher gestaltet werden soll. Man wolle hier bei der Umsetzung der EPBD Spielräume ausschöpfen und Umsetzungsfristen (soweit möglich) verlängern. Auch eine Vereinfachung der Verzahnung von GEG und kommunaler Wärmeplanung werde angestrebt.
Wie eine tatsächliche „Abschaffung des Heizungsgesetzes“ im Detail aussehen wird, ist bislang noch offen. In ihrer Regierungserklärung vom 16. Mai 2025 nannte Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche exemplarisch die Rücknahme der Technologieverbote aus der letzten GEG-Novelle sowie die Abschaffung des Betriebsverbots für bestimmte Heizkessel. Dabei betonte sie zugleich das Ziel, langfristig erhebliche CO₂-Einsparungen im Gebäudesektor zu erreichen. Steuerungsgröße ist damit also vorrangig die Emissionseffizienz und nicht mehr die Energieeffizienz.
Eine Novelle des GEG ist bis Jahresende geplant. Bis zur Neufassung bleiben alle GEG-Bestimmungen voraussichtlich vollständig in Kraft.
Anpassung weiterer Gesetze
Auch wenn das GEG zweifellos das zentrale Umsetzungsinstrument ist, erfordert die EPBD eine koordinierte Anpassung weiterer Gesetze und Verordnungen auf Bundes- und Landesebene, unter anderem:
- Umsetzung der EVCI durch das
Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) - Umsetzung der Photovoltaikpflicht durch die Landesbauordnungen oder Spezialgesetze der Länder.
Das GEIG und die EVCI regeln die Verpflichtungen von Gebäudeeigentümern, Stellplätze mit Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge auszustatten oder bauliche Vorbereitungen dafür zu treffen. Hinsichtlich Photovoltaik regeln bereits viele Bundesländer Pflichten zur Anbringung von Photovoltaik an und auf Gebäuden sowie über bestimmten Stell-/Parkplatzflächen. Durch die EPBD werden sich diese Anforderungen künftig weiter steigern.
Fazit und Ausblick
Die EPBD leitete die Phase der Energiewende im Gebäudebereich ein – mit klaren Zielen, verbindlichen Standards und steigendem regulatorischem Druck. Deutschland muss die europäischen Vorgaben nun in den kommenden Monaten umsetzen.
Die aktuellen Entwicklungen machen deutlich: Trotz einer bereits zur Hälfte verstrichenen Umsetzungsfrist der EPBD bleibt der nationale Rechtsrahmen im Gebäudesektor bislang unklar. Viele zentrale Fragen wie etwa zur konkreten Ausgestaltung von Sanierungspflichten und Nullemissionsstandards sowie zur Lebenszyklusanalyse sind nach wie vor offen. Selbst die bereits 2024 in Kraft getretene Reform des Gebäudeenergiegesetzes steht politisch erneut zur Disposition.
Was künftig konkret auf private Eigentümer, Projektentwickler und die öffentliche Hand zukommt, lässt sich derzeit kaum belastbar vorhersagen. Diese Unsicherheit erschwert nicht nur die langfristige Investitionsplanung, sondern birgt auch erhebliche Risiken im Hinblick auf künftige Kosten, die Förderfähigkeit und die technische Umsetzung. Umso wichtiger ist es, bereits jetzt zu prüfen, wie sich die zu erwartenden Änderungen auf bestehende Gebäudeportfolios, laufende Bauvorhaben und Geschäftsmodelle auswirken und welche Handlungsspielräume gegebenenfalls noch bestehen.
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung – wir unterstützen und beraten Sie gern!