Änderungen im Internationalen Erbrecht Risiken für Erblasser - Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) vom 13.03.2012/07.06.2012 (ABl.EG L 201 vom 27.07.2012)

12.11.2014

Einführung

Die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) ist am 16.08.2012 in Kraft getreten. Sie gilt für die Erbfolge nach Personen, die ab dem 17.08.2015 versterben (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO). Daher sollten ihre Folgen bereits vor dem Stichtag bei der Planung der Erbfolge berücksichtigt werden.

Die Verordnung wird im Bereich der EU mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dänemarks Anwendung finden. Sie enthält wesentliche Änderungen zum bisher geltenden Kollisionsrecht, die zu ungewünschten Ergebnissen bezüglich des anwendbaren Erbrechts führen können. Zur Vermeidung empfiehlt sich ggf. die Anfertigung bzw. die Überprüfung bestehender letztwilliger Verfügungen.

Einführendes Beispiel

Der deutsche Staatsbürger U verfügt über erhebliches Vermögen und lebte bis 2010 in Deutschland.

Er errichtete bereits im Jahre 2000 mit seiner deutschen Ehefrau privatschriftlich ein nach deutschem Recht wirksames gemeinschaftliches Testament in Form eines sog. „Berliner Testaments“, das bestimmt, dass seine Ehefrau bei seinem Tode Alleinerbin wird und die beiden Kinder Schlusserben nach dem Tode der Ehefrau. Die Ehefrau ist ausdrücklich berechtigt, die Kinder zu enterben. Das Testament sieht keine ausdrückliche Rechtswahl vor.

In 2010 verkaufte U sein florierendes Handelsunternehmen und wanderte mit seiner Ehefrau nach Mallorca aus. Ende November 2015 verstirbt U.

Die gemeinsamen Kinder, die sich nicht um den verstorbenen Vater gekümmert haben, machen gegenüber der Mutter nach spanischem Recht einen sog. Noterbteil geltend, der die Ehefrau erheblich belastet.

Lösung

Nach derzeit geltendem Recht (Art 25 EGBGB) ist bei der Frage, welches Erbrecht anwendbar ist (vorliegend deutsches oder spanisches Erbrecht) auf die Staatsangehörigkeit abzustellen. Vorliegend wäre also nach geltender Rechtslage deutsches Erbrecht anwendbar. Durch das Berliner Testament wäre sichergestellt, dass die Ehefrau dem Wunsch des Erblassers entsprechend Alleinerbin nach U wird. Die Kinder könnten keinen Noterbteil nach spanischem Recht beanspruchen.

U verstirbt aber nach dem 17.08.2015, so dass die Eu-ErbVO Anwendung findet. Gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErb-VO unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen künftig dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, vorliegend Spanien. Nach spanischem Recht sind gemeinschaftliche Testamente unzulässig.

Zweifelhaft ist, ob das nach deutschem Recht errichtete gemeinschaftliche Testament anzuerkennen ist, so dass vorliegend deutsches Erbrecht Anwendung findet. Das gemeinschaftliche Testament enthält keine ausdrückliche Rechtswahl (vgl. Art 22 Abs. 2 EuErbVO). Wäre eine solche getroffen worden, wäre eindeutig deutsches Erbrecht anzuwenden. Ob aus den Umständen (Errichtung in Deutschland, deutsche Staatsangehörige) eine konkludente Rechtswahl folgt, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Nach der Übergangsregelung des Art. 83 Abs. 3 EuErbVO sind zwar vor Geltung der EuErbVO errichtete Testamente grundsätzlich anzuerkennen. Ob diese Vorschrift von einem spanischen Gericht auch auf gemeinschaftliche Testamente angewendet werden wird, ist aber nicht geklärt.

Die Ehefrau wäre gezwungen, diese sehr umstrittenen Fragen vor einem spanischen Gericht durchzufechten. Falls sie unterliegt, haben die Kinder entgegen dem Erblasserwillen bereits beim Tode des U einen Anspruch auf jeweils einen Noterbteil nach spanischem Recht.

Die EuErbVO im Überblick

Wie bereits gesagt, folgt das Erbrecht künftig dem Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art 21 EuErbVO).

Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sollen Behörden und Gerichte eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen. Naturgemäß führt dies zu Unsicherheiten, wenn sich der Erblasser zuletzt nicht nur in einem Land aufhielt, insbesondere wenn ein Zweitwohnsitz begründet wurde, der sich erst allmählich zum überwiegenden Lebensmittelpunkt entwickelt. Die nach dem Erbfall von einem Gericht getroffene Bestimmung muss sich nicht mit den Vorstellungen decken, die der Erblasser zu Lebzeiten hatte.

Art. 22 Abs. 1 EuErbVO lässt eine Rechtswahl zu. Allerdings kann nur das Recht des Landes gewählt werden, dessen Staatsangehöriger der Erblasser ist. Ein Deutscher mit Wohnsitz auf Mallorca kann deshalb nur deutsches und nicht etwa französisches Erbrecht wählen.

Sofern Testamente (Art. 24 EuErbVO) oder Erbverträge (Art 25 EuErbVO) zum Zeitpunkt ihrer Errichtung nach dem Recht des Ortes der Errichtung wirksam sind, bleibt die Wirksamkeit auch nach einem Wegzug ins Ausland bestehen. Die Geltung dieser Vorschriften für das gemeinschaftliche Testament ist wiederum umstritten.

Art. 83 EuErbVO sieht einen Bestandsschutz für vor dem 17.08.2015 errichtete Testamente und Erbverträge vor. Wie das Beispiel des Berliner Testaments zeigt, gibt es aber viele Zweifelsfragen.

Da die EU-Staaten Dänemark, Vereinigtes Königreich und Irland nicht in den Geltungsbereich der EuErbVO fallen, kann es bei Vermögen, das in diesen Staaten belegen ist, weiterhin zu sog. Nachlassspaltungen kommen. Dies bedeutet, dass auf einen einheitlichen Nachlass unterschiedliche erbrechtliche Regelungen Anwendung finden können.

Problematische Rechtsinstitute

Generell bestehen Risiken, wenn in den letztwilligen Verfügungen spezifisch deutsche Rechtsinstitute gewählt werden, die im Ausland nicht vorgesehen oder sogar ausdrücklich verboten sind. Beispiele sind:

Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament, Vor- und Nacherbschaft, Vereinbarungen über und Entzug des Pflichtteils.

Wo besteht Handlungsbedarf?

Problematisch sind insbesondere die folgenden Personengruppen:

ein deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz im EU-Ausland ist an einer deutschen Personengesellschaft (etwa einer GmbH & Co KG) beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag sieht eine Sondererbfolge im Todesfall vor, die von der gesetzlichen Erbfolge am Ort des Wohnsitzes abweicht, sog. Mallorca-Rentner, also Personen, die einen Teil des Jahres im Süden, einen Teil aber weiterhin im Heimatland verbringen, Berufspendler und sogenannte „Expats“, deren Familie nicht am Arbeitsort wohnt und die am Arbeitsplatz eine eigene Wohnung haben, Grenzpendler, die aufgrund günstiger Steuersätze in ein Nachbarland ziehen und weiterhin im Heimatland arbeiten, Pflegebedürftige, die in ausländischen Pflegeheimen betreut werden.


Bei innerdeutschen Sachverhalten sollte überlegt werden, eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts zu treffen, wenn in den nächsten Jahren eine Wohnsitzverlegung geplant ist. Dadurch ließe sich die in dem einführenden Beispiel geschilderte Problematik rechtssicher vermeiden.

Darauf sollten insbesondere die Mitgesellschafter einer deutschen Personengesellschaft achten, bei der die Gesellschaftsanteile im Wege der Sondererbfolge vererbt werden (s.o.). Es ist dringend zu empfehlen, dass jeder Gesellschafter ein Testament mit Rechtwahl zugunsten deutschen Rechts errichtet, durch das die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Sondererbfolge abgesichert wird. Wenn es in einer solchen Konstellation beim Versterben eines Mitgesellschafters zu langwierigen Streitigkeiten kommt, kann dies für die Gesellschaft existenzgefährdend sein.

Besonderes Augenmerk gilt gemischtnationalen Ehen, also Ehen zwischen Ehepartnern unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, bei denen nach deutschem Recht Erbverträge oder gemeinschaftliche Testamente errichtet wurden.

Zur sog. Pflichtteilsvermeidung (der Pflichtteil unliebsamer Kinder soll reduziert werden) ist nach geltender Rechtslage zu überlegen, Vermögensgegenstände im Ausland zu erwerben, die im Rahmen einer Nachlassspaltung nicht deutschem Erbrecht unterliegen. Dies funktioniert bei Geltung der EuErbVO künftig nicht mehr. Möglich wäre es dagegen, den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers ins weniger pflichtteilsfreudige Ausland zu verlagern.

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