Seit die DSGVO in Kraft getreten ist, klagen Unternehmen über den Aufwand, den die Umsetzung der datenschutzrechtlichen Regeln verursacht. Dass diese Klage berechtigt ist, zeigt sich an einer äußerst praxisrelevanten Entscheidung des BGH, der jüngst die Rechte der Betroffenen gestärkt hat. Mit einer Entscheidung zur Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO (Urteil vom 15.06.2021 - VI ZR 576/19) klärt der BGH einige höchst umstrittene Fragestellungen, wenngleich absehbar ist, dass das letzte Wort zur Reichweite des Auskunftsanspruchs immer noch nicht gesprochen ist.
I. Worum geht es genau?
Die Entscheidung des BGH war in der Praxis mit Spannung erwartet worden, da sich der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO gerade für datenverarbeitenden Unternehmen zu einem spürbaren Ärgernis entwickelt hat. Jedermann hat einen Anspruch auf Auskunft darüber, ob ihn betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Falls dies der Fall ist, muss ein gesetzlich vorgegebener Katalog an Themen abgearbeitet werden, etwa zu den Zwecken der Verarbeitung, der Speicherdauer oder vergangenen bzw. künftigen (Kategorien von) Empfängern. Hinzu kommt, dass der Betroffene eine Kopie der personenbezogenen Daten verlangen kann – und das im Rahmen der ersten Anfrage sogar unentgeltlich.
In Anbetracht dessen hat sich der Auskunftsanspruch samt Recht auf Übersendung einer Kopie in der Praxis zu einem beliebten strategischen Werkzeug entwickelt. Wer Informationen benötigt, um etwaige Ansprüche gegen Vertragspartner geltend zu machen, versucht häufig auf diesem Wege Daten zu beschaffen. Dies war auch der Fall in der vom BGH nun entschiedenen Konstellation, in der eine Versicherung auf Auskunft in Anspruch genommen worden ist. Überdies wird Art. 15 DSGVO aber auch als Hilfsmittel genutzt, um eigentlich kostenpflichtige Unterlagen (z.B. Kontoübersichten) bei Bedarf nachzufordern. Schließlich stützen sich auch Arbeitnehmer gerne im Rahmen von arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen auf diese Ansprüche, um die eigene Verhandlungsposition z.B. beim Streit über eine Abfindung zu verbessern.
II. Was hat der BGH entschieden?
Der BGH hat zunächst deutlich gemacht, dass es nicht ausreicht, lediglich über sog. Stammdaten des Kunden zu informieren. Die von Beklagten häufig vorgebrachte Argumentation, dass nur über „signifikante biografische Informationen“ Auskunft gegeben werden müsse, die „im Vordergrund“ des fraglichen Dokuments stünden, hat der BGH in dem Zuge ausdrücklich zurückgewiesen. Der Anspruch aus Art. 15 DSGVO sei nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasse potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, sofern es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handele. Auf dieser extensiven Basis hat der BGH entschieden, dass folgende weitere Kategorien an Unterlagen grundsätzlich Gegenstand der Auskunfts- und Kopiepflicht sein können:
- zurückliegende Korrespondenz untereinander;
- Korrespondenz über den Betroffenen mit Dritten;
- Interne Kommunikation;
- Interne Vermerke.
Gerade der Beauskunftung zur erstgenannten Kategorie an Daten wird man sich künftig nicht mehr entziehen können, indem man darauf verweist, dass vergangene Korrespondenz dem Auskunftssuchenden bekannt sein müsse. Allein das dadurch erweckte Bewusstsein darüber, dass es etwa Schriftverkehr gegeben habe, erfüllt laut BGH nicht den mit dem Anspruch verfolgten Zweck. Dieser liegt darin, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu prüfen.
Auch einer weiteren in der Praxis beliebten Verteidigung dürfte der BGH nunmehr einen Riegel vorgeschoben haben: Obwohl es für die Entscheidung nicht darauf ankam, hat das Gericht anklingen lassen, dass es ausreichen würde, wenn der Auskunftssuchende eine „vollständige“ Auskunft verlangt. Anders als in Teilen der Literatur gefordert und von einigen Instanzgerichten entschieden, sei eine Konkretisierung der gewünschten Unterlagen nicht erforderlich. Der Umfang des Anspruchs ergebe sich aus dem Gesetz.
III. Kann man eine Auskunft noch verweigern?
Auch wenn die Entscheidung nachteilig für Auskunftsverpflichtete klingt, hat der BGH die Interessenlage der Unternehmen nicht völlig ignoriert. So hat er sich ausführlicher mit der Frage befasst, wie mit Dokumenten für den internen Unternehmensgebrauch umzugehen ist, die personenbezogene Daten des Auskunftssuchenden enthalten: Allein die Tatsache, dass diese Daten nicht extern zugänglich seien, soll zwar nicht zum Ausschluss des Anspruchs führen. Soweit allerdings nur eine Beurteilung der Rechtslage auf Grundlage von personenbezogenen Daten vorgenommen sei, stelle dies keine Information über den Betroffenen und folglich kein personenbezogenes Datum dar. Gleiches gelte sodann für Daten über Provisionszahlungen eines Versicherers an Dritte im Zusammenhang mit dem Versicherungsvertrag.
Insofern können Auskunftsverpflichtete weiterhin darauf verweisen, dass ggf. Informationen schon gar nicht Gegenstand des Anspruchs aus Art. 15 DSGVO sein können. Dass diese Verteidigungsstrategie stets vom Erfolg gekrönt sein wird, erscheint allerdings zweifelhaft. So hat das OVG Münster kürzlich noch geurteilt hat, dass der Anspruch aus Art. 15 DSGVO etwa auch die kostenfreie Kopie von rechtswissenschaftlichen Examensklausuren beinhalte (Urteil vom 08.06.2021 - 16 A 1582/20). Insbesondere sei in diesem Rahmen das Gutachten der Prüfer zu übermitteln, obwohl es sich - streng genommen - dabei auch um eine Beurteilung der Rechtslage auf Grundlage von personenbezogenen Daten handelt. Die Grenze zwischen vom Auskunftsanspruch grundsätzlich erfassten personenbezogenen Daten und solchen, die nicht mehr Gegenstand des Anspruchs sein sollen, wird iAnbetracht dieser widersprüchlichen Entscheidungen in Zukunft noch auszuloten sein.
Ebenso sind weiterhin Diskussionen im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen zum Anspruch aus Art. 15 DSGVO absehbar. Der BGH hat explizit darauf hingewiesen, dass im Falle offenkundig unbegründeter oder exzessiver Anfragen ebenso wie bei der Auskunft Erteilung entgegenstehenden, überwiegenden Interessen (insbesondere Geheimhaltungspflichten) das Auskunftsrecht sowie das Recht auf Kopie beschränkt sind. Konkretere Ausführungen dazu waren dem Gericht allerdings nicht möglich. Denn der Auskunftsverpflichtete hatte lediglich pauschal und ohne weitere Begründung vorgetragen, dass mit Erfüllung der Pflichten ein unverhältnismäßiger Aufwand einherginge und sein Interesse an Geheimhaltung der Daten vorrangig sei.
IV. Fazit
Der BGH hat sich bei der umstrittenen Frage der Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs primär auf die Seite der Auskunftssuchenden gestellt. Über dem Anfragenden bekannte Korrespondenz muss grundsätzlich genauso Auskunft gegeben werden wie über interne Gesprächsnotizen und Vermerke. Damit einher geht das Recht des Anfragenden auf Erhalt einer kostenfreien Kopie. Allerdings sind laut BGH gerade interne Dokumente mit Angaben zum Betroffenen nicht zwingend Gegenstand des Anspruchs. Zudem besteht stets die Möglichkeit, sich auf die gesetzlichen Ausnahmen zu berufen, wofür jedoch ausreichend konkreter Vortrag des Auskunftsverpflichteten erforderlich ist. Insgesamt dürfte es künftig deutlich anspruchsvoller werden, sich gegen „strategische“ Auskunftsansprüche erfolgreich zur Wehr zu setzen.