Netzentgeltbefreiung bei P2G – „Rolle rückwärts“ des Gesetzgebers

Köln, 13.09.2019

Einführung

Durch „Power-to-Gas“ oder „Power-to-X“-Anwendungen („P2G“) kann Strom aus erneuerbaren Energien in erneuerbare Gase umgewandelt und unter Nutzung bestehender Infrastruktur auch in den Sektoren Industrie, Wärme und Verkehr eingesetzt werden. P2G ist somit eine Technologie, die die Sektorenkopplung vorantreiben und deren Dekarbonisierung voranbringen kann. Bei Effizienzfortschritten können die auf erneuerbarer Basis gewonnenen alternativen Brennstoffe somit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende auch in anderen Sektoren leisten. Dies gilt insbesondere für die Gewinnung von „grünem Wasserstoff“ aus erneuerbarem Strom durch Elektrolyse.

Darüber hinaus kann die netzdienliche Erzeugung von erneuerbaren Gasen aus sog. Überschussstrom der fluktuierenden erneuerbaren Erzeugung angesichts des nur langsam voranschreitenden Netzausbaus zur Vermeidung von Netzengpässen und damit verbundenen Einspeisemanagementmaßnahmen beitragen. Jedoch sind für den Verbrauch des Stroms bei der Umwandlung in erneuerbare Gase je nach Einzelfallkonstellation unterschiedliche Entgelte und Umlagen zu entrichten.

I. Ausgangslage bei Netzentgelten

Nach der Übergangsregelung des § 118 Abs. 6 Satz 1 EnWG sind nach dem 31.12.2008 neu errichtete Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie, die ab 04.08.2011, innerhalb von 15 Jahren in Betrieb genommen werden, für einen Zeitraum von 20 Jahren ab Inbetriebnahme hinsichtlich des Bezugs der zu speichernden elektrischen Energie von den Entgelten für den Netzzugang freigestellt. Pumpspeicherkraftwerke, deren elektrische Pump- oder Turbinenleistung nachweislich um mindestens 7,5 Prozent oder deren speicherbare Energiemenge nachweislich um mindestens 5 Prozent nach dem 04.08.2011 erhöht wurden, werden gemäß § 118 Abs. 6 Satz 2 EnWG für einen Zeitraum von zehn Jahren ab Inbetriebnahme hinsichtlich des Bezugs der zu speichernden elektrischen Energie von den Entgelten für den Netzzugang freigestellt. Dies gilt gemäß § 118 Abs. 6 Satz 3 EnWG jedoch nur dann, wenn die elektrische Energie zur Speicherung in einem elektrischen, chemischen, mechanischen oder physikalischen Stromspeicher aus einem Transport- oder Verteilernetz entnommen und die zur Ausspeisung zurückgewonnene elektrische Energie zeitlich verzögert wieder in dasselbe Netz eingespeist wird.

Bis zum 16.05.2019 war in § 118 Abs. 6 Satz 7 EnWG vorgesehen, dass die vorstehenden Sätze 2 und 3 nicht für Anlagen gelten, in denen durch Wasserelektrolyse Wasserstoff erzeugt oder in denen Gas oder Biogas durch wasserelektrolytisch erzeugten Wasserstoff und anschließende Methanisierung hergestellt worden ist. Demnach waren für den bei der Umwandlung der Energie in Gas verbrauchten Strom keine Netzentgelte zu zahlen.

II. Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG)

Durch das am 17.05.2019 in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung des Energieleitungsbaus (BGBl. 2019, Teil 1, Nr. 19, S. 706 f.) wurde diese Netzentgeltbefreiung abgeschafft. Nach der Neufassung des Satzes 7 wurden auf Anlagen, in denen durch Wasserelektrolyse Wasserstoff erzeugt oder in denen Gas oder Biogas durch wasserelektrolytisch erzeugten Wasserstoff und anschließende Methanisierung hergestellt worden ist, die Sätze 1, 3 und 6 nur noch dann angewendet, soweit der erzeugte Wasserstoff oder das erzeugte Gas zur Stromerzeugung eingesetzt werden (BT-Drs. 19/8913, S. 31).

Die Netzentgeltbefreiung sollte somit auch bei P2G künftig von der Rückverstromung des erzeugten Gases oder des Wasserstoffes abhängen. Nach dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie beabsichtigte der Gesetzgeber damit, die Vorschrift entsprechend ihrem Sinn und Zweck klarer zu formulieren. Der historische Gesetzgeber habe vorgesehen, dass P2G-Anlagen hinsichtlich der Netzentgeltpflicht für den Strombezug des umzuwandelnden Stroms genauso zu behandeln seien wie Pumpspeicherkraftwerke. Im Vergleich mit diesen könne daher sinnvollerweise nur die Bedingung der Einspeisung in „dasselbe Netz“ für P2G-Anlagen nicht gelten, da andernfalls hinter jeder P2G-Anlage direkt ein Gaskraftwerk errichtet werden müsse, in dem rückverstromt und wieder in „dasselbe“ Stromnetz eingespeist werde. Die pauschale Unanwendbarkeit der Sätze 2 und 3 gehe daher fehl (BT-Drs. 19/9027, S. 16 f.).

Der Gesetzgeber begründete das Erfordernis der Rückverstromung allein mit dem Vergleich zu Pumpspeicherkraftwerken und hatte dabei offenbar allein den Gesichtspunkt der Energiespeicherung von P2G-Anwendungen vor Augen. Der Aspekt der sektorübergreifenden Nutzung von P2G im Rahmen der Sektorenkopplung blieb dabei jedoch außen vor. Denn bei dem Einsatz von „grünem Wasserstoff“ soll dieser aber ggf. weiterverarbeitet und als alternativer Kraftstoff eingesetzt werden. In diesen Fällen wird die Energie also gerade nicht rückverstromt.

III. Energiedienstleistungsgesetz

Auf die entsprechende Kritik der Verbände und einiger Länder hat der Gesetzgeber nun umgehend reagiert. Er hat die Änderung im Rahmen des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen wieder zurückgenommen (BT-Drs. 19/11186). Die Übergangsvorschrift des § 118 Abs. 6 Satz 7 EnWG wird nun wieder so gefasst, wie sie bis zum Inkrafttreten der NABEG-Novelle gegolten hat. Nach der Begründung der Ausschussdrucksache (BT-Drs. 19/11186, S. 11) sollen die Rahmenbedingungen für P2G-Anwendungen nun zunächst mit den betroffenen Interessenvertretern, Ländern und Verbänden erörtert werden.

Das Energiedienstleistungsgesetz wurde am 28.06.2019 vom Bundestag beschlossen. Nach Art. 5 Abs. 3 des Änderungsgesetzes tritt die Regelung zudem rückwirkend zum 17.05.2019 in Kraft. Im Ergebnis gilt § 118 Absatz 6 Satz 7 EnWG damit ohne Unterbrechung in seiner ursprünglichen Fassung weiter (BT-Drs. 19/11186, S. 12).

IV. Auswirkungen für die Praxis

Ob allein durch die Wiedereinführung der Netzentgeltbefreiung der Ausbau von P2G-Anlagen gefördert werden kann, erscheint zweifelhaft. Schließlich umfasst die Netzentgeltbefreiung nach § 118 Abs. 6 EnWG jedenfalls nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 20.06.2017 - EnVR 24/16 – juris, Netzentgeltbefreiung III) nicht die Konzessionsabgabe und die gesetzlich veranlassten Umlagen (die KWK-Umlage nach § 26 KWKG, die Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV, die Offshore-Haftungsumlage nach § 17f EnWG und die Umlage für abschaltbare Lasten nach § 18 AbLaV). Nach Auffassung des BGH dienen diese Umlagen lediglich dazu, entweder Mindererlöse des Netzbetreibers aus dem Netzbetrieb zu kompensieren oder die Kosten für geleistete Zahlungen an Dritte an die Letztverbraucher weiterzureichen. Deren Vereinnahmung erfolge somit lediglich anlässlich der Erhebung der Netzentgelte, indes nicht für die Netznutzung. Entsprechendes gelte für die Konzessionsabgaben nach der Konzessionsabgabenverordnung (BGH, Beschl. v. 20.06.2017 - EnVR 24/16 – juris, Rz. 13).

Eine Befreiung von den gesetzlichen Umlagen und sonstigen Abgaben hängt daher auch weiterhin von den im konkreten Einzelfall unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen ab. Dies gilt insbesondere für die EEG-Umlage, die mit derzeit 6,405 Cent/kWh (2019) den größten Strompreisbestandteil ausmacht. Nach derzeitiger Rechtslage kommt eine Befreiung gemäß § 61l Abs. 2 EEG 2017 nur im Fall der Rückverstromung des zuvor erzeugten Gases in Betracht. Das Gleiche gilt gemäß § 27b KWKG für die KWKG-Umlage. Auch die KWKG-Umlage entfällt somit nur, wenn das Speichergas rückverstromt wird.

Mit der Anforderung der Rückverstromung privilegieren die Normen derzeit ebenfalls allein den Aspekt der Energiespeicherung bei P2G-Anwendungen. Dies erscheint jedoch wie bereits aufgezeigt im Hinblick auf die Sektorenkopplung gerade nicht zielführend. Vielmehr sollte zur Harmonisierung der unterschiedlichen Normen auch in diesen Zusammenhang auf das Erfordernis der Rückverstromung verzichtet werden.

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