Initial Coin Offerings (ICOs) - Was ist ein ICO und wie ist ein ICO rechtlich zu bewerten?

14.03.2018

Dr. Oliver Zander, Giulia Kögel


Initial Coin Offerings (ICOs) sind eine neuartige Möglichkeit der Kapitalaufnahme durch Schwarmfinanzierung unternehmerischer Vorhaben. Da die Investoren im Rahmen eines ICOs in einer sehr frühen Phase der Projektentwicklung einsteigen, handelt es sich um extrem spekulative Risikogeschäfte, die zwar mit enormen Gewinnmöglichkeiten, jedoch auch Totalverlustrisiko verbunden sind. Das Konzept ähnelt dem eines klassischen Börsengangs („Initial Public Offering“), ermöglicht jedoch eine Umgehung dessen strenger Regulierung.

Darüber hinaus sind ICOs wesentlich kostengünstiger und schneller durchzuführen, bieten dem Anbieter mehr Flexibilität und verlagern das Geschäftsrisiko fast vollständig auf die Investoren. Insbesondere für Start-Ups stellen ICOs daher eine vorteilhafte Alternative zum IPO dar. Kleinen Firmen oder solchen, die mit unbekannten, unvorhersehbaren und somit besonders risikoreichen Technologien arbeiten, eröffnen sich dadurch zahlreiche Möglichkeiten, die ihnen über traditionelle Finanzierungsmethoden verwehrt blieben. Allein im Jahr 2017 wurden kumulativ fast 3,8 Milliarden Dollar (etwa 3 Milliarden Euro) durch ICOs gesammelt, die Anzahl neu auf den Markt gebrachter Projekte wächst exponentiell.[1]

 

Was sind ICOs ?

Bei einem Initial Coin Offering wird in der Regel eine neue Kryptowährung emittiert, die im Austausch gegen andere Kryptowährungen, staatlich emittierte Währungen oder Dienstleistungen an Interessenten verkauft wird. Diese spezielle Kryptowährung, der sogenannte Token, repräsentiert ein vom Emittenten geschaffenes, übertragbares Recht des Investors gegenüber dem Anbieter. Die praktische Ausgestaltung läuft meist über die Blockchain-Technologie ab, sodass die übertragenen Rechtebündel kryptographisch abgesichert sind. Der inhaltlichen Ausgestaltung dieser Rechte sind theoretisch kaum Grenzen gesetzt.

Ablauf

Bei den zu finanzierenden Projekten handelt es sich in der Regel um Geschäftsideen für neue Blockchain-Applikationen. Der Anbieter verfasst zur Vorbereitung des ICOs zwei Dokumente: Ein sogenanntes „Whitepaper“, dessen Schwerpunkte auf Erläuterungen der Technik, dem betreffenden Markt und der Entwicklung des Projektes liegen, und sogenannte „Terms and Conditions“, in denen die rechtlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Vorhabens konkret beschrieben werden. Vorweg ist anzumerken, dass keine Mindestanforderungen an diese Dokumente bestehen, sodass alle nachfolgenden Angaben in der Praxis optional verwendet werden. Das Whitepaper ist häufig recht umfassend und technisch aufgesetzt. In der Regel wird zunächst eine allgemeine, praktische Problemstellung aufgeworfen. Anschließend wird ein Lösungsweg vorgeschlagen und das betreffende Produkt ausführlich beschrieben. Üblich sind an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit aktuellen Marktdaten und die Erstellung von Wachstumsprognosen. Anschließend werden die technischen Details ausgeführt. Häufig erfolgt eine detaillierte Beschreibung der Systemarchitektur und ihrer Interaktion mit den Benutzern sowie Erläuterungen zur technischen Funktionsweise und Verwendung der Token.

Darüber hinaus hat es sich inzwischen etabliert, die mitwirkenden Projektteammitglieder, Berater und teilweise sogar bereits gewonnene Investoren zu benennen, um einen Eindruck von Persönlichkeit, Verantwortlichkeit und Professionalität zu vermitteln. Hierbei werden in der Regel sogar die beruflichen Felder, bereits gesammelte Geschäftserfahrung sowie Projekte aufgelistet, an denen die Mitwirkenden bereits beteiligt waren. Viele Investoren legen besonders wegen des frühen Einstiegszeitpunktes in das Projekt großen Wert auf ein erfahrenes und multiprofessionelles Team, das im besten Fall bereits Erfolge in der Blockchain-Domäne vorzuweisen hat.

Üblich ist weiterhin eine detaillierte Beschreibung der zukünftigen Entwicklungs-pläne anhand einer EntwicklungsRoadmap. Im besten Fall beinhaltet diese einen konkreten Arbeitsplan für die kommenden 12 bis 18 Monate und sieht einen sogenannten Beta-Launch vor, der die Erstellung erster Prognosen und Fehlerbehebungen erleichtert. Sofern sich das Projekt bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befindet, ist eine Darstellung und Analyse der bereits vorliegenden Erkenntnisse und Erfolge vorteilhaft.

Über das Whitepaper hinaus regeln die Terms and Conditions die rechtlichen Hintergründe des Vorhabens. Es handelt sich dabei in der Regel um allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). In der Praxis bestehen diese neben einigen Basisinformationen zum größten Teil aus Haftungsausschlüssen.

Häufig wird einleitend zunächst angegeben, wer das ICO durchführt und welche Plattform es verwaltet. Relevant ist aufgrund der internationalen Reichweite insbesondere, welche Rechtsordnung auf den Vertrag Anwendung finden soll. Grundsätzlich gilt das Recht des Landes, welches in den Terms and Conditions vereinbart wurde. Sofern keine Vereinbarung vorliegt, wird das Internationale Privatrecht angewandt, sodass das lokale Recht des Emittenten gilt.

Darüber hinaus ist festlegbar, ob die Token erstattungsfähig sind und welche Funktionen sie erfüllen, insbesondere ob sie Stimm- und Mitwirkungsrechte in Hinblick auf das Projekt vermitteln. Bei Token, die bestimmte physische Werte wie Gold oder US-Dollar repräsentieren, ist auf deren tatsächliche Hinterlegung einzugehen. Sofern der Tokensale auf ein bestimmtes Zeitfenster beschränkt sein soll, wird dieses definiert und gegebenenfalls Änderungen vorbehalten.

Viele Anbieter wollen Haftungsausschlüsse erreichen, indem sie ausdrücklich auf die Investitionsrisiken hinweisen, Beratung durch Rechtskundige empfehlen und von einer Investition abraten, sofern keine Erfahrung mit hochriskanten Investments sowie blockchain-basierten Systemen besteht und kein technisches Verständnis des konkreten Projektes vorliegt.

Daneben werden häufig weitreichende Haftungsausschlüsse vereinbart, darunter wegen Schadensersatzansprüchen im Falle finanzieller Verluste jeder Art, der Entstehung steuerlicher oder rechtlicher Verpflichtung der Investoren, sowie jeglicher technischer Fehler, Rechts-änderungen, unvorhersehbarer Ereignisse und Ähnlichem.

Im Übrigen ähneln die Terms and Conditions gewöhnlichen AGB und enthalten gängige Klauseln wie Verzichts-ausschlüsse, Änderungsvorbehalte und salvatorische Klauseln.

Ein Großteil der bereits durchgeführten ICOs nutzt als Plattform die Ethereum-Blockchain, die sich ursprünglich selbst ebenfalls durch ein Initial Coin Offering finanziert hat. Zunehmend finden jedoch auch andere Plattformen wie Stellar, Omni oder Waves Anklang. Das amerikanische Unternehmen Tezos, das mit über 230 Millionen Dollar das zweiterfolgreichste ICO des letzten Jahres durchgeführt hat, hat seine Token beispielsweise auf einer eigenen Blockchain emittiert.

Der Zeitpunkt des eigentlichen Tokenverkaufs, der auch als Tokensale bezeichnet wird, kann theoretisch in jedem Stadium der Projektentwicklung erfolgen. Grundsätzlich sinkt für den Anbieter das Eigenrisiko am Gesamtprojekt, je früher der Tokensale stattfindet. Das extrem hohe Gesamtverlustrisiko in einem frühen Stadium der Projektentwicklung schreckt jedoch häufig Investoren ab und erschwert die Finanzierung.

Vielfach werden daher in der frühen Phase der Projektentwicklung sogenannte Pre-Sales durchgeführt, die durch eine erste Kapitalaufnahme die weitere Entwicklung und Vermarktung des Projektes sowie die Akquisition neuer Investoren ermöglichen. Diese Pre-Sale-Token werden zu reduzierten Preisen angeboten, um sie trotz des erhöhten Risikos für Frühinvestoren interessant zu halten.

Die Markteinführung des Produktes erfolgt unabhängig von der Durchführung eines optionalen Pre-Sales in der Regel erst nach der Durchführung des ICO.

Vorteile

Initial Coin Offerings bieten sowohl für Anbieter als auch für Investoren zahlreiche innovative Vorteile.

So sind sie im Gegensatz zu IPOs verhältnismäßig zügig, einfach und kostengünstig durchführbar. Die Blockchain-Technologie ermöglicht den Aufbau und die Verwaltung eines eigenen Systems für jedes Projekt, innerhalb dessen schnelle und kostengünstige Transaktionen möglich sind. Interaktive Plattformen wie Ethereum vereinfachen den Aufbau solcher Systeme zunehmend, sodass für die Durchführung immer weniger eigene Technikaffinität nötig ist. Die freien Ausgestaltungsmöglichkeiten sowohl in Hinblick auf die Ausführung als auch auf die Token selbst ermöglichen maximale Flexibilität für beide Seiten in jeder Hinsicht.

Speziell für die Anbieter von ICOs haben diese jedoch noch weitere Vorteile. Insbesondere sinkt ihr eigenes finanzielles Risiko, da große Mengen an Kapital gesammelt werden können, noch bevor die Projektentwicklung überhaupt in nennenswertem Umfang Eigenkapital eingefordert hat. Weiterhin können sie durch die internationale Vermarktung und Durchführung über das Internet einen fast unbegrenzten Kreis potenzieller Investoren erreichen. Darüber hinaus profitieren sie davon, dass die Investoren schon vor Markteinführung des Produktes eine feste Kundenbasis bilden, die aufgrund ihrer finanziellen Beteiligung am Fortgang und Erfolg des Produktes stark interessiert ist.

Risiken

Dem gegenüber stehen jedoch auch erhebliche Nachteile und Risiken insbesondere für Verbraucher. Hier ist zunächst auf das extrem hohe Verlustrisiko hinzuweisen. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass durch den einfachen Zugang über das Internet und das Versprechen des schnellen Geldes zahlreiche unerfahrene Investoren angezogen werden. Ein Großteil der Projekte besteht aus komplexen technischen Themen, deren Einschätzung ein vertieftes technisches Verständnis und umfassende Recherche erfordern. Auf der anderen Seite zieht die technische Vereinfachung des ICO-Prozesses an sich zunehmend unprofessionelle Anbieter an. Durch den frühen finanziellen Einstieg in das Projekt ist kaum vorhersehbar, ob es jemals fertiggestellt und gelauncht wird, sich dann vorteilhaft entwickelt oder später scheitert. Dazu kommt, dass es im Falle eines Verlustes nicht selten zum Totalverlust kommt, da der Kryptomarkt extrem volatil und unvorhersehbar ist.

Äußerst problematisch ist darüber hinaus die fehlende Regulierung. So unterliegen beispielsweise die Angaben der Whitepaper in Hinblick auf ihren Inhalt und dessen Glaubwürdigkeit keinerlei Aufsicht.

Weiterhin bergen ICOs durch ihre Internationalität das Risiko erschwerter Rechtsdurchsetzung, da häufig unterschiedliche Rechtsordnungen und Instanzen miteinander kollidieren.

Internationale Reaktionen

Das Modell der Schwarmfinanzierung durch ICOs hat durch sein zügiges Aufkommen und die enormen Geldbeträge, die innerhalb kürzester Zeit eingesammelt wurden, international für Aufsehen gesorgt. In der Kritik stehen insbesondere die mögliche Umgehung bestehender Regulierungen, die hohen Risiken für Verbraucher sowie durch die Gefahren für Betrügereien, Geldwäsche (ATM) und Terrorismusfinanzierung (CFT), die durch die erhöhte Anonymität entstehen.

Die People´s Bank of China hat ICOs 2017 für alle Firmen und Privatpersonen vollständig verboten. Chinesische ICOs wurden angewiesen, die Verdienste aus abgeschlossenen Finanzierungsperioden zurückzuerstatten. Auch Südkorea ist dem Verbot unter Hinweis auf die Gefahren von Betrug und „Gaunereien“ im September 2017 gefolgt.

Während sich somit im asiatischen Raum eine rechtliche Richtung abzeichnet, die ein zeitweises Verbot bis zur Durchsetzung einer geeigneten Regulierung vorsieht, ist die Rechtslage in Europa und den USA noch recht unbestimmt.

Die US-amerikanische Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) hat im Juli 2017 eine Pressemitteilung herausgegeben, wonach auf ICOs möglicherweise die amerikanische Wertpapiergesetzgebung Anwendung finden könnte. Demnach könnte es sich bei den Tokensales um Verkäufe von Anteilen oder Wertpapieren handeln, die denselben Gesetzen und Steuerbedingungen unterliegen, die auch am Aktienmarkt gelten. Eindeutige rechtliche Einschätzungen wurden jedoch nicht abgegeben. Die SEC kündigte eine einzelfallbezogene Bewertungspraxis an. In den USA hat dies dazu geführt, dass Anbieter von ICOs bewusst Bezeichnungen wie „Donation“ oder „Crowd Sale“ verwenden, um zukünftige Probleme mit den Regulierungsbehörden zu vermeiden. Darüber hinaus schließen viele ICOs mittlerweile aus dem selben Grund US-amerikanische Investoren grundsätzlich von der Teilnahme am Coin Offering aus.

Regulierung in Deutschland

Auch die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) haben im November 2017 Verbraucherwarnungen herausgegeben und angekündigt, die rechtlichen Grundlagen im Einzelfall anhand konkreter vertraglicher Ausgestaltungen zu bestimmen. Fraglich bleibt im amerikanischen und europäischen Raum somit insbesondere, inwieweit ICOs den bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen unterliegen.

ICOs bieten eine vorteilhafte Innovation, die durch Regulierungen nicht unangemessen belastet werden sollte. Bestimmte regulatorische Maßnahmen sind jedoch wünschenswert, um die Geldwäsche-, Terrorismusfinanzierungs- und Verbraucherschutzrisiken zu begrenzen.

Darüber hinaus sollte für die Anbieter Klarheit herrschen, welchen gesetzlichen Bestimmungen und Erlaubnispflichten sie bei der Durchführung eines ICOs unterliegen. Aufgrund der umfassenden Gestaltungsmöglichkeiten für die Durchführung von ICOs erscheint eine Regulierung, die alle Fallgestaltungen gleichermaßen starr behandelt, überaus schwierig.

Wünschenswert wäre daher die Entwicklung einer differenzierten, einzelfallbezogenen Bewertungsmatrix. Diese sollte (1) die Regulierungsgebiete identifizieren, an denen die rechtlichen Rahmen zu messen sind, (2) unterschiedliche Typen von Token und ICO-Strukturen definieren und (3) daraus folgend eine konkrete Festlegung rechtlicher und regulatorischer Zuständigkeiten und Rahmenbedingungen im Einzelfall ermöglichen.

Darüber hinaus ist problematisch, dass eine bloße nationale Regulierung durch die rein digitale, internationale Funktionsweise der ICOs schnell an ihre Grenzen stieße. Hier ist ein funktionierendes Konzept internationaler Zusammenarbeit vonnöten. Die Entwicklung einer fallbezogenen Rechtsprechungspraxis wäre insofern von großem Wert.

1. Regulierungsgebiete

Nach deutschem Bankaufsichtsrecht wären Initial Coin Offerings aufsichtsrechtlich insbesondere dann relevant, wenn mit ihnen ein Bankgeschäft oder eine Finanzdienstleistung im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) verbunden wäre. Ferner könnten sich Fragen des Prospektrechts, des Geldwäschegesetzes, des Zahlungs-diensterechts und des Gesellschaftsrechts stellen. Ebenso könnten steuerliche Verpflichtungen entstehen. Schließlich könnte die Anonymität bzw. Pseudonymität der Investoren in mehreren Hinsichten problematisch sein, insbesondere in Hinblick auf Kryptowährungen wie Monero oder ZCash, die dem Nutzer vollständige Anonymität ermöglichen.

Die Anwendbarkeit aufsichtsrechtlicher Regeln richtet sich insbesondere danach, welche Rechte der konkrete Token vermittelt und wie das ICO strukturiert ist.

2. Unterschiedliche Typen von Token und ICO-Strukturen

Vorweg ist anzumerken, dass die nachfolgenden Token-Bezeichnungen weder abschließend bestimmt noch einheitlich definiert sind. Sie sind aufgrund der stetigen Einzelfallprüfung der BaFin rechtlich nicht von Belang und dienen der bloßen Vereinfachung der Darstellungen.

Ein ICO-Token ist eine speziell für das betreffende Projekt emittierte Kryptowährung, die digital ein Recht oder ein Bündel an Rechten repräsentiert. Die schlichteste Form ist hierbei die Repräsentation des bloßen Eigentums am Token. Dieser simple sogenannte Utility-Token vermittelt keinerlei Rechte am Unternehmen, Projekt oder Produkt. Sein Investitionsanreiz ergibt sich aus der rei-nen Aussicht auf eine Wertsteigerung, sollte das dazugehörige Projekt erfolgreich sein und die Nachfrage nach den Token steigen. Ähnlich einer direkten Investition in bereits bestehende Kryptowährungen kann der Token je nach Erfolg oder Misserfolg des finanzierten Projektes im Wert variieren und an Zweitmarktplattformen gegen andere Währungen gehandelt werden.

Darüber hinaus ist jedoch eine weitergehende Bündelung von Rechten möglich. Denkbar sind insofern beispielsweise sogenannte Usage-Token, die ähnlich einem Gutschein oder einer Lizenz Zugang zu oder Nutzungsrechte an einem Produkt oder Service vermitteln. Ein Beispiel hierfür ist das amerikanische Start-Up Protocol Lab, das im Jahr 2017 den mit über 250 Millionen Dollar erfolg-reichsten ICO des letzten Jahres durchgeführt hat. Ihr Filecoin soll zur Währung eines dezentralen Computernetzwerkes werden, in dem Nutzer sich untereinander ungenutzten Speicherplatz vermieten können. Ihre Token repräsentieren Nutzungsrechte an dem auf ihrer Website vermittelten Speicherplatz.

Weiterhin gibt es sogenannte Asset-Token, die Vermögenswerte oder Produkte repräsentieren. So können derartige Token unter anderem das Eigentum an einer Sache verkörpern. Ein Beispiel hierfür ist die chinesische Firma Tether, deren USDT-Token einen Anspruch auf jeweils einen der US-Dollar repräsentiert, den das Unternehmen hält.

Finanzrechtlich interessant sind vor allem die sogenannten Equity- oder Revenue-Token. Sie berechtigen ihren Inhaber ähnlich einer „digitalen Aktie“ zum Empfang von Gewinnausschüttungen und/oder zur Ausübung von Stimm- und Teilhaberech-ten an der Organisation.

Alternativ haben sich auch sogenannte Work-Token etabliert, die von den Anbietern nicht gegen Bezahlung, sondern im Austausch gegen Arbeitsleistungen her-ausgegeben werden. Besonders gängig sind hierbei sogenannte „Advisory-Deals“, bei denen Berater eingestellt werden, deren Beratungsleistung im Rahmen des Tokensales belohnt wird. Dieses Modell maximiert zwar das Interesse der Mitarbeiter am Erfolg des Projektes, schafft aber gleichzeitig Risiken für dubiose Deckgeschäfte. So werden häufig sogenannte „Influencer“ als vermeintliche Berater eingestellt, die tatsächlich lediglich Marke-tingvorteile bringen sollen. Praktiziert wird ebenso ein Verkauf der Token an Influencer mit einem Discount von bis zu 90 % auf den regulären ICO-Preis.

3. Rechtliche Klassifizierung der Token nach Typ

Token als Finanzinstrumente, § 2 Abs. 4 WphG


Die BaFin hat in einem aktuellen Hinweisschreiben Stellung zur aufsichtsrechtlichen Einordnung von ICO-Token als Finanzinstrumente im Bereich der Wertpapieraufsicht genommen.  Demnach ist einzelfallbezogen zu prüfen, ob es sich bei den Token um Finanzinstrumente im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes handelt.

Laut BaFin kann der Token je nach Ausgestaltung sowohl als (a) Wertpapier (§ 2 Abs. 4 Nr. 1 WpHG, als (b) Anteil an einem Investmentvermögen (§ 2 Abs. 4 Nr. 2 WpHG) oder als (c) Vermögensanlage (§ 2 Abs. 4 Nr. 7 WpHG) einzuordnen sein.  Darüber hinaus kann ein Token auch den Basiswert für ein (d) derivatives Geschäft (i.S.v. § 2 Abs. 3 WpHG) bilden, wodurch das derivative Geschäft als Finanzinstrument einzuordnen wäre.

Für die Einordnung als Finanzinstrument i.S.d. WpHG ist die Einordnung des Token als Rechnungseinheit i.S.d. § 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 7 KWG nicht entscheidend.

Token als Wertpapier, § 2 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 WpHG


Nach dem Wortlaut der § 2 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 WpHG hängt die Klassifizierung eines Token als Wertpapier von folgenden Voraussetzungen ab: Der Token muss (1) übertragbar sowie (2) am Finanz- bzw. Kapitalmarkt handelbar sein. Darüber hinaus muss er (3) Rechte verkörpern. Handelt es sich bei dem Token um ein Zahlungsinstrument, schließt dies die Wertpapiereigenschaft aus. 

Die BaFin sieht Kryptowährungsplattformen grundsätzlich als Finanz- bzw. Kapitalmärkte an. Jeder Token, der auf Zweitmarktplattformen handelbar ist, kann diese Voraussetzung folglich erfüllen.

Mit Ausnahme der Utility-Token, die keinerlei Rechte vermitteln, kann somit jeder Token grundsätzlich ein Wertpapier i.S.d. WpHG sein. Diesbezüglich genügt es laut BaFin für die Erfüllung der Voraussetzungen, wenn der Token Gesellschafterrechte, schuldrechtliche oder mit beiden vergleichbare Rechte vermittelt. Eine Verbriefung des Token ist zur Klassifizierung als übertragbares Wertpapier nicht erforderlich, solange der Inhaber anderweitig dokumentiert wird. Ausreichend ist hierfür die Dokumentation mithilfe der Distributed-Ledger-Technologie, wozu auch die in der Praxis vielfach eingesetzte Blockchain-Technologie gehört.

Sofern der Token nach den hier genannten Voraussetzungen als Wertpapier i.S.d. § 2 Abs. 1 WpHG zu klassifizieren ist, ist diese Eigenschaft auch maßgeblich für die Eröffnung des Anwendungsbereiches weiterer einschlägiger Kapitalmarktgesetze sowie EU-Verordnungen (z.B. MAR), welche auf den hier diskutierten Begriff des „übertragbaren Wertpapiers“ Bezug nehmen. Darüber hinaus gelten die obigen Ausführungen ebenso in Hinblick auf die Einordnung als Wertpapier i.S.d. § 2 Nr. 1 WpPG.

Token als Anteil an einem Investmentvermögen, § 1 Abs. 1 KAGB


Darüber hinaus kann der Token je nach den Einzelfallumständen auch als Anteil an einem Investmentvermögen (§ 1 Abs. 1 KAGB) einzuordnen sein. Dies wäre dann der Fall, wenn der Token ein Recht an einem Organismus für gemeinsame Anlagen vermittelt, der nach einer bestimmten Anlagestrategie das von den Tokeninhabern eingesammelte Geld investiert und nicht selbst ein operativ tätiges Unternehmen darstellt.

Repräsentiert der Token daher etwa einen Anteil an einem Vermögen, das in Aktien oder in Sachwerte (z.B. Immobilien) investiert, wäre der Anleger vermittels des Token an einem Investmentfonds beteiligt, so dass die Regelungen des KAGB einschlägig wären.

Token als Vermögensanlage, § 1 Abs. 2 VermAnlG


Im Einzelfall können Token subsidiär auch als Vermögensanlagen i.S.d. § 1 Abs. 2 VermAnlG und somit als Finanzinstrument i.S.d. WpHG zu klassifizieren sein. Dies setzt voraus, dass der Token weder als Wertpapier, noch als Anteil an einem Investmentvermögen anzusehen, sowie dass die Annahme der Gelder nicht als Einlagegeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG) zu qualifizieren ist. Je nach rechtlicher Ausgestaltung kann der Token auch als Unternehmensbeteiligung (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 VermAnlG), partiarisches Darlehen (Nr. 3), Nachrangdarlehen (Nr. 4), Genussrecht (Nr. 5) oder als sonstige Anlage (Nr. 7) anzusehen sein.

Token als Rechnungseinehit, § 1 Abs. 11 KWG


Die BaFin definiert bisher als Finanzinstrumente in Form von Rechnungseinheiten gemäß § 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 7 Alt. 2 KWG „alle nicht auf gesetzliche Zahlungsmittel lautende Werteinheiten, die die Funktion von privaten Zahlungsmitteln bei Ringtauschgeschäften haben, sowie jede andere Ersatzwährung, die aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen als Zahlungsmittel in multilateralen Ver-rechnungskreisen eingesetzt wird.“ Token könnten folglich als Rechnungseinheiten und damit als Finanzinstrumente nach dem KWG angesehen werden, wenn sie neben dem Emittenten auch von Dritten als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Dies wäre aber auch nach der Definition der BaFin nur dann der Fall, wenn der konkrete Token eine hinreichend weite Akzeptanz als Währung gefunden hat. Dies ist allenfalls in Hinblick auf den Bitcoin diskussionswürdig. Von einzelnen Anbietern geschaffene Token werden jedenfalls gegenwärtig nicht als Zahlungsmittel akzeptiert und stellen daher kein Finanzinstrument im Sinne von Rechnungseinheiten dar.

4. Rechtsfolgen der Klassifizierung

Ist ein Token nach den oben genannten Grundsätzen als Wertpapier, als Anteil an einem Investmentvermögen, als Vermögensanlage oder derivatives Geschäft einzuordnen, sind für die Durchführung des ICOs die jeweils einschlägigen rechtlichen Regelungen zu beachten.

In Betracht kommen je nach Ausgestaltung alle erlaubnispflichtigen Tatbestände wie das Bankgeschäft (etwa in der Form des Emissionsgeschäfts), Finanzdienstleistungen (etwa in der Form der Finanzportfolioverwaltung), das Investmentgeschäft, die Erbringung von Zahlungsdiensten und sogar das Versicherungsgeschäft.

Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen sind für diese Geschäfte sehr unterschiedlich. Je nach Ausgestaltung des ICOs kann die Beantragung einer Zulassung als Finanzdienstleistungsinstitut gemäß § 32 KWG oder die Verwaltung des durch die Token gebildeten Investmentvermögens durch eine Kapitalverwaltungsgesellschaft nach den Regeln des KAGB erforderlich werden. Gerade für die Phase der Einsammlung des Kapitals werden Prospektpflichten zu beachten sein.

Es ist daher wesentlich, gleich am Anfang eines ICO-Projekts dieses im Hinblick auf die einschlägigen kapitalmarktrechtlichen Regelungen so zu strukturieren, dass nur die aufsichtsrechtlichen Regelungen anwendbar werden, die von den Initiatoren des ICO auch erfüllt werden können. So dürfte etwa die Gründung eines Finanzdienstleistungsinstituts für die Durchführung eines ICOs in der Regel unverhältnismäßig sein, da die Kosten für die Gründung und Verwaltung eines Instituts erheblich sind. Die Verwaltung eines durch Token gebildeten Investmentvermögens durch eine Service-KVG oder die Begebung einer Vermögensanlage erscheint dagegen kostengünstiger und damit realistischer.

Da im Bank- und Kapitalmarktrecht die Nichteinhaltung der regulatorischen Vorgaben durch Strafen sanktioniert sind, sollte man sich bei einem in Deutschland oder Europa beabsichtigten ICO frühzeitig auch um die regulatorischen Belange kümmern.

Ist ein Token nach den oben genannten Grundsätzen als Wertpapier, als Anteil an einem Investmentvermögen, als Vermögensanlage oder derivatives Geschäft einzuordnen, sind für die Durchführung des ICOs die jeweils einschlägigen rechtlichen Regelungen zu beachten.

In Betracht kommen je nach Ausgestaltung alle erlaubnispflichtigen Tatbestände wie das Bankgeschäft (etwa in der Form des Emissionsgeschäfts), Finanzdienstleistungen (etwa in der Form der Finanzportfolioverwaltung), das Investmentgeschäft, die Erbringung von Zahlungsdiensten und sogar das Versicherungsgeschäft.

Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen sind für diese Geschäfte sehr unterschiedlich. Je nach Ausgestaltung des ICOs kann die Beantragung einer Zulassung als Finanzdienstleistungsinstitut gemäß § 32 KWG oder die Verwaltung des durch die Token gebildeten Investmentvermögens durch eine Kapitalverwaltungsgesellschaft nach den Regeln des KAGB erforderlich werden. Gerade für die Phase der Einsammlung des Kapitals werden Prospektpflichten zu beachten sein.

Es ist daher wesentlich, gleich am Anfang eines ICO-Projekts dieses im Hinblick auf die einschlägigen kapitalmarktrechtlichen Regelungen so zu strukturieren, dass nur die aufsichtsrechtlichen Regelungen anwendbar werden, die von den Initiatoren des ICO auch erfüllt werden können. So dürfte etwa die Gründung eines Finanzdienstleistungsinstituts für die Durchführung eines ICOs in der Regel unverhältnismäßig sein, da die Kosten für die Gründung und Verwaltung eines Instituts erheblich sind. Die Verwaltung eines durch Token gebildeten Investmentvermögens durch eine Service-KVG oder die Begebung einer Vermögensanlage erscheint dagegen kostengünstiger und damit realistischer.

Da im Bank- und Kapitalmarktrecht die Nichteinhaltung der regulatorischen Vorgaben durch Strafen sanktioniert sind, sollte man sich bei einem in Deutschland oder Europa beabsichtigten ICO frühzeitig auch um die regulatorischen Belange kümmern.

5. Haftung

Da ICOs in aller Regel über das Internet mit weltweitem Adressatenkreis durchgeführt werden, stellt sich für den Initiator eines ICO die Frage, ob er mit seinem ICO in ein Land ausweichen kann, das für das ICO keine oder nur geringfügige aufsichtsrechtliche Regeln vorsieht. Soweit sich das ICO auch an Anleger in Deutschland bzw. Europa richtet, unterfallen die relevanten Handlungen jedoch auch dem deutschen bzw. europäischen Aufsichtsrecht. Solange der Initiator sich nicht in Deutschland oder Europa aufhält, kann das Aufsichtsrecht nur schwer durchgesetzt werden. Dies ändert sich aber dann, wenn etwa Vermögensgegenstände des Initiators sich in Deutschland oder Europa befinden.

Neben den aufsichtsrechtlichen Regeln ist die Frage nach der zivilrechtlichen Haftung zu beachten. Auch wenn es bislang keine deutsche Rechtsprechung zu ICOs gibt, liegt es nahe, dass die seit den 70er Jahren angewendeten, durch Gerichte entwickelten Regeln zur Prospekthaftung unproblematisch auf ICOs Anwendung finden. Danach haftet der Initiator sowie die hinter dem Angebot stehenden Personen („Hintermänner“) für die Vollständigkeit und Richtigkeit des von ihnen herausgegebenen Prospekts. Dass der Prospekt heute „Whitepaper“ heißt, ändert an seiner haftungsrechtlichen Einordung als Prospekt nichts. Denn das Whitepaper informiert den potentiellen Anleger genauso wie ein Prospekt (etwa bei den ehemaligen geschlossenen Fonds) über die Investitionsmöglichkeit. Wenn sich das Whitepaper daher als unrichtig oder als unvollständig erweist, käme eine Haftung der Initiatoren und all der Personen in Betracht, die ein wirtschaftliches Interesse am ICO haben und die Einfluss auf die Gestaltung des Whitepapers nehmen konnten. Dies spielt insbesondere für die Personen eine Rolle, die sich auf der Webseite eines ICO-Initiators etwa als „Senior Adviser“ o.ä. abbilden lassen. Hier kommt nach den Regeln der Prospekthaftung im weiteren Sinne eine Haftung für die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens in Betracht.

Es ist daher ratsam, das White Paper sorgfältig nach den von der Rechtsprechung entwickelten Regeln zur Richtigkeit und Vollständigkeit von Prospekten zu entwerfen – jedenfalls dann, wenn die Initiatoren oder Senior Adviser in Deutschland ansässig sind.

Zusammenfassung

Entgegen der oft geäußerten Meinung, ICOs bewegten sich im quasi rechtsfreien Raum, sind jedenfalls dann, wenn der ICO von Deutschland oder Europa aus stattfindet, zahlreiche rechtliche Regelungen zu beachten. Die Frage der Anwendbarkeit der aufsichtsrechtlichen Regeln entscheidet sich an der im Detail festzulegenden Struktur des ICOs. Insofern ist es entscheidend, frühzeitig auch das Aufsichtsrecht zu berücksichtigen.

Neben dem Aufsichtsrecht empfiehlt sich allerdings auch ein Blick auf die Rechtsprechung zur Prospekthaftung etwa bei geschlossenen Fonds. Selbst wenn das Aufsichtsrecht keine prospektrechtlichen Vorgaben bereit halten sollte, steht zu erwarten, dass die Rechtsprechung etwa auf das Whitepaper in den erwartungsgemäß nicht ausbleibenden Haftungsfällen ganz ähnliche Grundsätze anwenden wird.

[1] “Coin Desk Tracker”, https://www.coindesk.com/ico-tracker / https://www.coinist.io/cumulative-ico

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