Erneuerbare direkt an der Autobahn? – Neue Besonderheiten für Windenergieanlagen und Solarparks an Bundesfernstraßen nach § 9 Abs. 2b, 2c FStrG

Köln, 14.12.2023

In das Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich (BT-Drs. 20/6879) wurde – neben den zahlreichen Änderungen im Fachplanungsrecht (siehe hierzu das Legal Update „‚Deutschland-Tempo‘“ im Fachplanungsrecht“ vom 21.11.2023) – eine Gesetzesänderung aufgenommen, die § 9 FStrG um Sondervorschriften für Windenergie- und Solaranlagen erweitert. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den bisherigen Status Quo und die Erleichterungen für einen Ausbau erneuerbarer Energien an Autobahnen durch die Änderung des § 9 FStrG.

Status Quo

Grundsätzlich ist die Errichtung von Windenergieanlagen (nachfolgend „WEA“) und Solarparks an Verkehrswegen vom Gesetzgeber beabsichtigt, weil die dortigen Flächen durch die Verkehrswege bereits vorbelastet sind. So sind WEA im Außenbereich generell bauplanungsrechtlich privilegiert. Für Solarparks gilt dies seit dem 11.01.2023, wenn diese in einem Abstand von 200 m zu Autobahnen oder besonderen Schienenwegen errichtet werden (siehe hierzu gesondertes Legal Update vom 24.01.2023). Folglich können WEA und Solarparks aus bauplanungsrechtlicher Sicht auch ohne Bebauungspläne in der Nähe zu Autobahnen errichtet werden.

In der Vergangenheit war bei einer Nähe des Vorhabens zu Bundesautobahnen oder anderen Bundesstraßen insbesondere § 9 FStrG zu berücksichtigen. Dieser sieht vor, dass Hochbauten jeder Art in einer Entfernung bis zu 40 m bei Autobahnen und 20 m bei Bundesstraßen nicht errichtet werden dürfen (sog. Anbauverbotszone des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FStrG). Zudem bedürfen Baugenehmigungen oder nach anderen Vorschriften notwendige Genehmigungen (für WEA also immissionsschutzrechtliche Genehmigungen) der Zustimmung der zuständigen Straßenbaubehörde, wenn bauliche Anlagen längs der Autobahnen in einer Entfernung bis zu 100 m und längs von Bundesstraßen in einer Entfernung bis zu 40 m errichtet, erheblich geändert oder anders genutzt werden sollen (sog. Anbaubeschränkungszone des § 9 Abs. 2 Nr. 1 FStrG). Diese Beschränkungen gelten nicht im Geltungsbereich von Bebauungsplänen, § 9 Abs. 5 FStrG. Auch besteht die Möglichkeit, Ausnahmen von dem Anbauverbot zuzulassen, § 9 Abs. 8 FStrG.

Verfahrens­erleichterung für WEA

Der Gesetzgeber führt in § 9 Abs. 2a FStrG nunmehr eine Fiktion der Zustimmung für Anlagen innerhalb einer Anbaubeschränkungszone ein, wenn die Zustimmung nicht innerhalb von zwei Monaten verweigert wird. 

Für WEA geht der Gesetzgeber noch einen Schritt weiter und schafft das Zustimmungserfordernis des § 9 Abs. 2 FStrG für diese ganz ab, soweit lediglich deren Rotorblätter in die Anbaubeschränkungszone hineinragt. Anstelle des Zustimmungserfordernisses erfolgt lediglich eine Beteiligung der zuständigen Straßenbaubehörde im Verfahren. Allerdings besteht das Zustimmungserfordernis des § 9 Abs. 2 FStrG weiterhin fort, wenn sich der Turm der WEA innerhalb der Anbaubeschränkungszone befindet. Die Verfahrenserleichterung gilt damit lediglich für den Rotor, nicht aber für den Turm der WEA.

Insgesamt führt § 9 Abs. 2b FStrG im Hinblick auf die Genehmigung von WEA zu einer eher beschränkten Verfahrenserleichterung im Vergleich zum Status Quo. Insbesondere ist weiterhin beabsichtigt, dass Nebenbestimmungen zum Schutz des Verkehrs wie Nachweise von Vorkehrungen gegen Kipp- oder Bruchgefahr der WEA, Eisabschaltungen und Anforderungen zu Wartungsintervallen festgesetzt werden können. Inwieweit daher die besondere Aufnahme von WEA in § 9 Abs. 2b FStrG wirklich zu einer Erleichterung im Genehmigungsverfahren führt, bleibt abzuwarten. Da die Zustimmungsfiktion des § 9 Abs. 2a FStrG nicht auf WEA Anwendung findet, ist sogar zu befürchten, dass es zu einer Verzögerung kommt, wenn die Genehmigungsbehörde auf die Stellungnahme der Straßenbaubehörde wartet. Hier sollten Projektentwickler ggf. vermehrt von dem Instrument des § 10 Abs. 5 S. 3 BImSchG Gebrauch machen und eine Entscheidung der Genehmigungsbehörde aufgrund der geltenden Sach- und Rechtslage beantragen.

Ausnahme für Solarparks

Einen echten Paradigmenwechsel nimmt der Gesetzgeber hingegen im Hinblick auf Solarparks vor. Nach dem neuen § 9 Abs. 2c FStrG werden Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie nicht nur vom Zustimmungserfordernis innerhalb der Anbaubeschränkungszone, sondern auch vom Anbauverbot ausgenommen. Dies bedeutet im Ergebnis eine Erweiterung der möglichen Flächenkulisse für Solarparks. Im Ergebnis führt der neue § 9 Abs. 2c FStrG in Verbindung mit der Privilegierung in § 35 Abs. 1 Nr. 8 lit. b) BauGB dazu, dass Solarparks grundsätzlich neben Autobahnen auf einer Fläche von bis zu 200 m errichtet werden können.

An die Stelle von Anbauverbot und -beschränkung tritt für Solaranlagen ebenfalls die Beteiligung der zuständigen Straßenbaubehörde. Diese kann die Aufnahme von Nebenbestimmungen empfehlen, wie beispielsweise solche zur Vermeidung von Blendwirkungen für Verkehrsteilnehmer.

Der Gesetzestext beantwortet die Frage nicht abschließend, ob die Genehmigung für WEA und Solarparks auch trotz der Gesetzesänderungen im Hinblick auf die Belange des § 9 Abs. 3 FStrG (Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs; Ausbauabsichten, Straßenbaugestaltung) bezüglich eines konkreten Vorhabens versagt werden kann. § 9 Abs. 2b, 2c FStrG spricht davon, dass diese Belange beachtet werden müssten. Dabei stehen die Belange neben dem überragenden öffentlichen Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien des § 2 EEG 2023, der explizit im Gesetzestext erwähnt wird. Angesichts dessen wird man nur in besonderen Ausnahmefällen von einer Versagungsmöglichkeit ausgehen können. Zudem steht die Aufnahme von Nebenbestimmungen angesichts des § 2 EEG 2023 unter einem besonderen Begründungserfordernis.

Fazit

Während § 9 Abs. 2b FStrG lediglich in der Praxis wohl geringfügige Verfahrenserleichterungen für WEA bezwecken dürfte, wird durch § 9 Abs. 2c FStrG die Flächenkulisse für Solarparks – im Gleichklang mit der bauplanungsrechtlichen Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 8 lit. b) BauGB – erweitert. Projektentwickler sollten ihre Projekte daraufhin überprüfen, ob angesichts des Wegfalls der Anbauverbotszonen Solarparkprojekte – möglicherweise auch nachträglich – zur Autobahn hin erweitert werden können.

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