Kündigung wegen Krankheit: Vom Sinn und Unsinn des Betrieblichen Eingliederungsmanagements

15.07.2016

Problematik

Die Messlatte für eine wirksame Kündigung wegen Krankheit liegt hoch. Damit eine krankheitsbedingte Kündigung im Kündigungsschutzstreit erfolgreich verteidigt werden kann, ist vor Ausspruch der Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen (im Folgenden BEM): Ein Arbeitgeber muss, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist, mit Zustimmung und Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers die Möglichkeiten klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.

Da sich die gesetzlichen Vorgaben maßgeblich in dieser Aussage erschöpfen, sind die übrigen Anforderungen an die Durchführung eines BEM der umfangreichen Rechtsprechung zum BEM zu entnehmen. Teilweise überspannt die Rechtsprechung die Anforderungen allerdings derart, dass sich faktisch ein Kündigungsverbot ergibt.

Praxisrelevanz

Auf Grund der teilweise überzogenen Anforderungen der Rechtsprechung kann sich der Arbeitgeber Fehler bei der Durchführung des BEM nicht leisten.

Verfahren

Kern des BEM ist das BEM-Gespräch, zu dem der Arbeitnehmer schriftlich eingeladen werden muss. Das Einladungsschreiben sollte sorgfältig erstellt werden, u.a. ist über Datenschutzaspekte aufzuklären. Kleinste Fehler rächen sich. Das BEM ist als „ergebnisoffener Suchprozess“ durchzuführen. Das bloß formale Abhaken als Etappe vor Ausspruch der Kündigung reicht nicht aus, um der Kündigung wegen Krankheit zur Wirksamkeit zu verhelfen. Es muss vielmehr ernsthaft nach Lösungsmöglichkeiten gesucht werden. Über den Inhalt des BEM-Gespräches sollte ein ausführliches Protokoll erstellt werden, das bestenfalls vom Arbeitnehmer gegengezeichnet wird. Abhängig von den Umständen des Einzelfalles, z.B. wenn nach der Durchführung eines BEM-Gespräches eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt worden ist oder das BEM-Gespräch zum Zeitpunkt des Kündigungsentschlusses bereits einige Zeit zurückliegt, fordern Arbeitsgerichte sogar eine mehrmalige Durchführung des BEM.

Beteiligte

Am BEM zu beteiligen sind stets der betroffene Arbeitnehmer (ggfs. auch sein Rechtsbeistand) sowie Vertreter des Betriebsrates. Darüber hinaus ist die Einbeziehung des Betriebsarztes ratsam. Bei einem schwerbehinderten Arbeitnehmer sind darüber hinaus die Schwerbehindertenvertretung sowie das zuständige Integrationsamt einzubeziehen. Weitere Stellen, die ggfs. in das BEM-Verfahren einzubeziehen sind, sind der Integrationsfachdienst, der medizinische Dienst der Krankenkassen, die örtlichen gemeinsamen Servicestellen sowie die Berufsgenossenschaften.

Folgen fehlerhaften BEMs

Im Falle eines unterlassenen bzw. eines fehlerhaften BEM ist die krankheitsbedingte Kündigung nicht per se unwirksam. Allerdings stellen die Arbeitsgerichte in diesem Fall erheblich erhöhte Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers, z.B. im Hinblick auf Anpassungsmöglichkeiten des bisherigen Arbeitsplatzes oder alternative Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem anderen Arbeitsplatz. Dieser erhöhten Darlegungs- und Beweislast wird der Arbeitgeber nur selten gerecht werden können. Er kann sich ohne ein BEM nicht einfach auf pauschale Aussagen, wie z.B. dass es keine alternativen Einsatzmöglichkeiten gebe, zurückziehen.

Fazit

Selbst wenn der Arbeitgeber bereits alle denkbaren Lösungsmöglichkeiten erschöpfend geprüft hat und daher ein BEM als überflüssig erachtet, sollte vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung stets ein BEM durchgeführt werden. Angesichts der teilweise überzogenen Anforderungen der Rechtsprechung gilt hierbei der Grundsatz: lieber mehr als weniger.

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