Entscheidung
Sind Arbeitnehmer längere Zeit erkrankt, kommt dem in § 84 Abs. 2 SGB IX geregelten BEM-Verfahren eine große Bedeutung zu. In unserem Legal Update vom Mai 2015 hatten wir bereits auf eine neue Entscheidung aufmerksam gemacht, welche die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zum Inhalt hatte. Zwischenzeitlich ist eine weitere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum BEM veröffentlicht worden. Diese ist von enormer praktischer Bedeutung, soweit es um die ordnungsgemäße Einladung des Arbeitnehmers zu einem BEM geht.
Leitsatz
Es ist die Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung eines BEM zu ergreifen. Voraussetzung eines ordnungsgemäßen BEM ist eine ordnungsgemäße vorherige Unterrichtung des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber ist danach verpflichtet, den Arbeitnehmer auf die Ziele des BEM sowie auf die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen (Urteil vom 20.11.2014, 2 AZR 755/13).
Praxisrelevanz
Der Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung stellt hohe Anforderungen an die Darlegung der Kündigungsgründe. Die Gerichte prüfen stets, ob eine Kündigung verhältnismäßig ist. Dies setzt i.d.R. die Durchführung eines ordnungsgemäßen BEM voraus. Anderenfalls kann eine Kündigung nur im Ausnahmefall Bestand haben (z.B. wenn die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit eindeutig ist). Diesen Nachweis wird man in der Praxis selten erbringen können. Umso wichtiger ist, dass nachgewiesen werden kann, dass ein ordnungs-gemäßes BEM durgeführt wurde oder - wenn sich der Arbeitnehmer weigert - ein solches ernsthaft versucht wurde. Voraussetzung ist die Unterrichtung über die Ziele des Verfahrens. Hierfür ist es nicht ausreichend, den bloßen Gesetzeswortlaut zu wiederholen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass sensible personenbezogene Daten verwendet werden, insbesondere Krankheitsdaten (§ 3 Abs. 9 BDSG). Dementsprechend ist es keineswegs ausreichend, dem Arbeitnehmer lapidar mitzuteilen, er solle zum BEM erscheinen. Es empfiehlt sich, eine schriftliche Unterrichtung mit Empfangsbekenntnis. Folgende Formulierung dürfte ausreichen:
"[…] In dem BEM möchten wir gemeinsam mit Ihnen, dem Betriebsrat, der Schwerbehindertenvertretung, dem Integrationsamt und dem Betriebsarzt klären, wie Ihre Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann, auch mit Blick auf die Erhaltung des Arbeitsplatzes. Im Fokus steht Ihre Weiterbeschäftigung. Das Verfahren ist ergebnisoffen, so dass sie aktiv Vorschläge bringen können. In dem Verfahren möchten wir besprechen, aufgrund welcher gesundheitlicher Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist. Außerdem möchten wir gemeinsam mit Ihnen herausfinden, ob Möglichkeiten bestehen, die gesundheitlichen Einschränkungen künftig zu verringern.
Wir möchten Sie ferner ausdrücklich darauf hinweisen, dass personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG erhoben und gespeichert werden. Insbesondere liegen dem BEM Ihre Krankheitsdaten zugrunde. Aus diesen Daten ergibt sich, in welchen Zeiträumen Sie arbeitsunfähig waren.
Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass die Teilnahme am BEM freiwillig ist. […]"