Klauseln zur beabsichtigten Abgeltung gesetzlicher Urlaubsansprüche sind regelmäßig Bestandteil von Aufhebungsverträgen oder arbeitsgerichtlichen Vergleichen. Oftmals wird dabei die folgende Formulierung verwendet: „Alle Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“
Eine solche Klausel hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jetzt mit der Entscheidung vom 3. Juni 2025 (Az. 9 AZR 104/24) für unwirksam erachtet, da eine Regelung zum „Verzicht“ oder zur Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommt.
Sachverhalt
Der Arbeitnehmer verlangte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seiner ehemaligen Arbeitgeberin die Abgeltung seines gesetzlichen Mindesturlaubs für das Jahr 2023 von insgesamt sieben Tagen.
Der Arbeitnehmer war seit Jahresbeginn 2023 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsunfähig erkrankt, weshalb er seinen Urlaub nicht nehmen konnte. Beide Parteien einigten sich im März 2023 im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2023 gegen Zahlung einer Abfindung. Das Arbeitsverhältnis sollte zu diesem Zeitpunkt somit noch ca. einen Monat fortdauern. In Ziffer 7 des Prozessvergleichs hieß es: „Alle Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“ Nach Abschluss des Prozessvergleichs erhob der Arbeitnehmer Klage auf Abgeltung des Urlaubs.
Entscheidung
Das BAG gab der Klage statt und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:
Der Urlaubsanspruch sei nicht durch Ziffer 7 des Prozessvergleichs erloschen. Die Abgeltungsklausel stelle einen nach § 134 BGB in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG nichtigen Urlaubsverzicht des Arbeitnehmers dar, weil dadurch die (theoretisch noch mögliche) Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs im verbleibenden Beschäftigungsmonat ausgeschlossen werde.
Dies gelte selbst dann, wenn, wie hier, bei Abschluss des Vergleichs schon feststehe, dass der gesetzliche Mindesturlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr in natura in Anspruch genommen werden kann.
Auch ein wirksamer Tatsachenvergleich im Sinne von § 779 BGB, auf den das Abweichungsverbot nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG nicht anzuwenden ist, sei nicht geschlossen worden. Ein solcher Tatsachenvergleich setze voraus, dass zwischen den Parteien Unklarheit über den Sachverhalt besteht – etwa, ob Urlaub tatsächlich genommen wurde. Das war hier nicht der Fall: Aufgrund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers war unstreitig, dass der Urlaubsanspruch weiterhin bestand.
Auch dem Einwand der Arbeitgeberin, der Arbeitnehmer verstoße aufgrund der Geltendmachung entgegen dem geschlossenen Prozessvergleich gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), kam das BAG nicht nach, da die Arbeitgeberin nicht auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertrauen dürfe.
Fazit und Praxishinweise
Die dargestellte und bislang regelmäßig in Aufhebungsverträgen und Prozessvergleichen enthaltene Abgeltungsklausel kann - solange das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet ist - so nicht mehr in Bezug auf noch offenen gesetzlichen Mindesturlaub genutzt werden.
Im noch laufenden Arbeitsverhältnis kann weder der gesetzliche Mindesturlaub noch ein erst später (mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses) entstehender Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs ausgeschlossen werden. Hintergrund ist der Schutzzweck des gesetzlichen Mindesturlaubs. Dieser dient der Erholung und Regeneration und damit dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer – er soll daher nicht zur Disposition stehen. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht ein Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Ab diesem Zeitpunkt kann der Erholungszweck des Urlaubs nicht mehr erreicht werden.
Aus der Entscheidung folgt jedoch auch, dass Abgeltungsklauseln nicht generell unwirksam sind:
Maßgeblich ist insbesondere der Zeitpunkt der Vereinbarung. Nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann die genannte Klausel weiterhin genutzt werden, da der Urlaubsabgeltungsanspruch bereits entstanden ist und als reiner Geldanspruch der Disposition der Parteien unterliegt.
Von besonderer Bedeutung ist zudem die Unterscheidung zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und vertraglichem Zusatzurlaub: Das strenge Abweichungsverbot des
§ 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG gilt nur für den gesetzlichen Mindesturlaub (20 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Woche). Für einen darüberhinausgehenden vertraglichen Zusatzurlaub sind abweichende Regelungen im Rahmen eines Aufhebungsvertrags oder eines Prozessvergleichs auch während des laufenden Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zulässig.
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