BAG: Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer werden bei Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG nicht berücksichtigt

19.01.2015

Leitsatz

Zeiten, während derer ein Leiharbeitnehmer in den Betrieb des Entleihers eingegliedert war, sind in einem späteren Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Entleiher regelmäßig nicht auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen. (BAG, Urteil vom 20.Februar 2014 – 2 AZR 859/11)

Sachverhalt

Das BAG hatte im Rahmen dieser Entscheidung über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung zu urteilen. Die Klägerin war vom 1. September 1997 bis zum 31. Oktober 2009 als Verkaufsstellenverwalterin/erste Verkäuferin in einer Filiale des Einzelkaufmanns Anton Schlecker beschäftigt. Da diese Filiale zum 31.Oktober 2009 geschlossen wurde, schlossen die Klägerin und Anton Schlecker einen Aufhebungsvertrag. In diesem Aufhebungsvertrag vereinbarten sie, dass der Resturlaubsanspruch der Klägerin mit zur Schlecker XL-GmbH genommen werde. Diese war zumindest bis zu ihrer Insolvenzeröffnung mit dem ebenfalls insolventen Einzelkaufmann Anton Schlecker rechtlich verflochten. Die Klägerin war anschließend vom 2. November 2009 bis zum 31. Januar 2009 als Leiharbeitnehmerin aufgrund eines mit der M GmbH vereinbarten Leiharbeitsvertrags in einer Filiale der Schlecker XL-GmbH tätig. Mit Wirkung zum 1. Februar 2010 schloss die Klägerin sodann mit der Schlecker XL-GmbH einen Arbeitsvertrag. Sie war auch weiterhin in dem bereits zuvor eingesetzten XL-Markt der Schlecker XL-GmbH beschäftigt. Mit Schreiben vom 7. Juli 2010 kündigte diese jedoch das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2010 ordentlich.

Die Klägerin erhob dagegen Kündigungsschutzklage. Sie vertrat die Ansicht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Das KSchG finde Anwendung, da die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG aufgrund anzurechnender Vorbeschäftigungszeiten erfüllt sei. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Entscheidung

Das BAG konnte mangels Entscheidungsreife nicht abschließend entscheiden. Daher hob es das Berufungsurteil auf und verwies es zur erneuten Verhandlung an das LAG zurück.

Im Rahmen dieser Entscheidung urteilte das BAG, dass vorherige Beschäftigungszeiten eines Arbeitnehmers als Leiharbeitnehmer im Betrieb des Entleihers bei Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG keine Berücksichtigung finden. Für dieses Normverständnis spreche zunächst der Wortlaut des § 1 Abs. 1 KSchG. So knüpfe die Norm an den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber als Betriebsinhaber und nicht an eine tatsächliche Beschäftigung im Betrieb oder Unternehmen an. Auch aus dem Sinn und Zwecke der Wartezeit - die Erprobung einer auf Dauer angelegten vertraglichen Bindung - folge eine solche Auslegung. Der Zweck der Regelung könne nur erfüllt werden, wenn der Arbeitgeber im Rahmen eines mit ihm begründeten Arbeitsverhältnisses sowohl die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers als auch dessen sonstiges zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung erforderliches Verhalten aus eigener Kenntnis beurteilen könne. Diese Möglichkeit habe der Entleiher allerdings bei Leiharbeitnehmern nicht. Der Entleiher nehme die Arbeitgeberfunktionen lediglich teilweise wahr. Daher könne er nicht beurteilen, ob der Leiharbeitnehmer seinen Mitwirkungs- und Nebenpflichten bei der Lohnzahlung, der Entgeltfortzahlung bei Krankheit und der Urlaubsgewährung nachkomme.

Das BAG wies die Revision zurück, da die Unanwendbarkeit des allgemeinen Kündigungsschutzes nach §§ 1 ff. KSchG noch nicht abschließend beurteilt werden konnte. So habe das LAG noch nicht geprüft, ob die Beschäftigungszeiten aufgrund konkludenter vertraglicher Vereinbarung zu berücksichtigen seien. Sofern dies abgelehnt wird, sei ferner zu prüfen, ob die seitens der Beklagten vorgenommene Berufung auf die Wartezeit rechtsmissbräuchlich ist.

Anmerkung

Aus Arbeitgebersicht ist das Urteil sehr erfreulich. Der Arbeitgeber erhält auf diese Weise die Möglichkeit den vorher bereits in seinem Betrieb tätig gewordenen Arbeitnehmer entsprechend dem Zweck des § 1 Abs. 1 KSchG hinreichend zu erproben.

Dennoch ist zu beachten, dass das BAG der Berücksichtigung eines Leiharbeitsverhältnisses im Rahmen der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG keine generelle Absage erteilt hat. Vielmehr hat das BAG ausdrücklich klargestellt, dass eine Berücksichtigung aufgrund konkludenter Vereinbarung möglich ist. Insofern ist - aus Arbeitgebersicht - Vorsicht geboten. Zwar bedürfe es für die Annahme einer derartigen konkludenten Vereinbarung besonderer Anhaltspunkte. Allerdings könne ein gewichtiges Indiz für eine solche Vereinbarung schon darin liegen, dass der Wechsel des Arbeitnehmers zu einem verbundenen Unternehmen allein auf der Initiative des Arbeitgebers beruhe und die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu annähernd gleichen Arbeitsbedingungen und ohne Vereinbarung einer Probezeit erfolge.

 

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