Wirksamkeit einer Kündigung wegen Verbalattacken auf Prozessbevollmächtigten der Arbeitgeberin?

19.01.2015

Leitsatz

Ruft der Arbeitnehmer, ein hochqualifizierter Akademiker, während eines laufenden Arbeitsgerichtsprozesses um eine leistungsabhängige Vergütung unter Umgehung seines eigenen Anwalts den Anwalt des Arbeitgebers an und beschimpft diesen, dass er sich durch Verbreitung der Lügen und Verleumdungen des Arbeitgebers im Prozess lächerlich mache und seine Anwaltszulassung riskiere, so liegt darin ein Vorgang, der grundsätzlich als wichtiger Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist.

(LAG Köln, Urteil vom 23.Januar 2014 - 7 Sa 97/13)

Sachverhalt

Das LAG Köln hatte in der Berufungsinstanz unter anderem über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und ordentlichen Kündigung sowie über einen Auflösungsantrag der beklagten Arbeitgeberin zu entscheiden.

Am 1. März 2012 rief der Kläger den Prozessbevollmächtigten der beklagten Arbeitgeberin eigenmächtig unter Umgehung seines eigenen Prozessbevollmächtigten an. In diesem Telefonat warf er dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten vor, er verbreite im Prozess Lügen und Verleumdungen über ihn. Zudem habe er - der Prozessbevollmächtigte der Beklagten - die Beklagte „nicht im Griff“. Mit Verbreitung der Lügen und Verleumdungen mache sich der Prozessbevollmächtigte lächerlich. Das Telefongespräch dauerte ca. 20 Minuten. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich sowie hilfsweise ordentlich. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Die Beklagte stellte in diesem Kündigungsschutzverfahren hilfsweise einen Auflösungsantrag. In erster Instanz hielt das ArbG die außerordentliche sowie ordentliche Kündigung für unwirksam und wies den Auflösungsantrag ab.

Entscheidung

Der Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil hat das LAG lediglich hinsichtlich des Auflösungsantrags stattgegeben. Die außerordentliche sowie auch ordentliche Kündigung sind nach Ansicht des LAG unwirksam. Zwar seien die Äußerungen des Klägers gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten geeignet, einen wichtigen Grund darzustellen. Bei dem Prozessbevollmächtigten handele es sich nicht um eine beliebige Drittperson. Vielmehr habe die Beklagte diesen aufgrund eines langjährig bestehenden Vertrauensverhältnisses ausgewählt, sie in einer hochsensiblen Personalangelegenheit gegenüber dem Kläger zu vertreten. Der Prozessbevollmächtigte handele aufgrund der ihm erteilten Vollmacht unmittelbar anstelle der Beklagten.

Entscheidend sei allerdings, dass die in dem Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorgebrachten Verbalattacken in erster Linie unmittelbar gegen die Beklagte selbst gerichtet gewesen seien. Mit dem Vorwurf, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten verbreite Lügen und Verleumdungen, meine der Kläger nicht, der Prozessbevollmächtigte habe diese eigenmächtig und ohne Auftrag der Beklagten geäußert. Die Vorwürfe würden den Anwalt inhaltlich nur insoweit treffen, dass er die von der Beklagten stammenden Lügen und Verleumdungen im Prozess weitergebe. Zudem bringe der Kläger zum Ausdruck, der Prozessbevollmächtige riskiere infolge dieser Lügen und Verleumdungen seine Anwaltszulassung und setze sich der staatsanwaltlichen Verfolgung aus.

Dennoch verstoße die Kündigung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dem Kläger komme zugute, dass er als Partei des Prozesses ein emotionaleres Verhältnis zu dem Prozessstoff entwickle. Zudem sei der Beklagten ein Mitverschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Eskalation des Telefonats zuzurechnen. Der Prozessbevollmächtige hätte es nicht zu einem inhaltlichen Gespräch - insbesondere von derartiger Dauer - mit dem Kläger kommen lassen dürfen. Dies ergebe sich aus standesrechtlichen Gründen.  

Das LAG gab schließlich dem Auflösungsantrag der Beklagten nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG aufgrund des Telefonats sowie weiterer Geschehnisse statt.

Anmerkung

Die Entscheidung des LAG Köln ist dahingehend zu begrüßen, dass Beleidigungen des Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers sowie diesem gegenüber getätigte Beleidigungen des Arbeitgebers an sich geeignet sind, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob auch allein gegen den Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers gerichtete Beleidigungen, an sich geeignet sein können, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen. Dies dürfte nach den Ausführungen des LAG Köln zu bejahen sein. So hat das LAG Köln im Rahmen der Entscheidung dargelegt, dass der Prozessbevollmächtigte des Arbeitgebers quasi wie ein Geschäftsführer oder ein anderer bei ihr fest angestellter Repräsentant dem Arbeitnehmer gegenüber tritt. Auch eine grobe Beleidigung von Vorgesetzten sowie leitenden Mitarbeitern kann eine außerordentlich fristlose Kündigung rechtfertigen.

Gegen die Entscheidung des LAG Köln scheint Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden zu sein. So ist das Verfahren derzeit beim BAG anhängig (Az: 9 AZN 617/14). Es bleibt somit abzuwarten, wie das BAG im Falle der Stattgabe der Beschwerde entscheiden wird.

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