[Köln, ] Ein Arbeitgeber darf den Stellenbewerber grundsätzlich nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Der Arbeitnehmer hat insoweit ein „Recht zur Lüge“.
Sachverhalt
Der Kläger bewarb sich als Lehrer an einer Hauptschule. Vor der Einstellung wurde er aufgefordert, auf einem Vordruck zu erklären, ob er vorbestraft sei, um zu versichern, dass gegen ihn kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig sei bzw. innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen sei. Der Kläger machte – obwohl in der Vergangenheit gegen ihn einige Ermittlungsverfahren geführt und wieder eingestellt worden sind – keine Angaben. Später erfuhr die Schule durch einen anonymen Hinweis von den Ermittlungsverfahren. Der zwischenzeitlich eingestellte Lehrer wurde daraufhin wieder fristlos gekündigt.
Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Kündigung als unwirksam angesehen (BAG, 15.11.2012, 6 AZR 339/11). Der Kläger sei im Bewerbungsverfahren nicht verpflichtet gewesen, auch Auskünfte hinsichtlich eingestellter Ermittlungsverfahren zu geben. Das BAG verwies auf das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Aus der Wertordnung des Grundgesetzes folge, dass das Persönlichkeitsrecht eines Bewerbers – sofern es eingestellte Ermittlungsverfahren betrifft – gegenüber dem Informationsinteresse des potenziellen Arbeitgebers vorrangig sei. Dies folge auch aus § 53 Bundeszentralregistergesetz (BZRG). Danach dürfen sich Straftäter auch dann als unbestraft bezeichnen, wenn gegen sie eine relativ geringfügige Strafe verhängt worden ist (z. B. eine Geldstrafe mit nicht mehr als 90 Tagessätzen). Dies gelte erst recht für eingestellte Ermittlungsverfahren.
Anmerkung
Im Bewerbungsgespräch stellt sich Bewerbern mitunter die Frage, ob bei bestimmten Fragen gelogen werden darf. Anerkannt ist dies zum Beispiel für die Frage nach einer Schwangerschaft oder der Gewerkschaftszugehörigkeit. Auch die Frage nach einer Schwerbehinderung wird teilweise als unzulässig angesehen. Aus einer unwahren Antwort dürfen einem Arbeitnehmer dann keine Nachteile erwachsen. Lügt hingegen der Arbeitnehmer bei einer zulässigen Frage, die überdies von Bedeutung für das künftige Arbeitsverhältnis ist, droht ihm unter Umständen sogar die nachträgliche Anfechtung des Arbeitsverhältnisses. Daran kann unter anderem gedacht werden, wenn eine erhebliche Vorstrafe verschwiegen wird (z. B. ein Betrugsdelikt bei einer Buchhaltungskraft oder Alkoholdelikte bei Kraftfahrern).