[Frankfurt, ] Spätestens seit der Danosa-Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil vom 11. November 2010 - C-232/09) ist mehr denn je zweifelhaft, ob Fremdgeschäftsführer einer GmbH (also solche, die keine Anteile an der Gesellschaft halten) nicht doch als Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne anzusehen sind. Dies kann in dieser Pauschalität zwar nicht generell bejaht werden, es ändert aber nichts daran, dass sich der Status von Fremdgeschäftsführern in den letzten Jahren gewandelt hat. In oben zitierter Danosa-Entscheidung stellte der EuGH fest, dass eine schwangere Geschäftsführerin von ihrer Position nicht abberufen werden könne, wenn die Abberufungsentscheidung im Wesentlichen auf der Schwangerschaft beruht. Dies sei mit den Grundsätzen der Mutterschutzrichtlinie (92/85/EWG) unvereinbar.
In zwei jüngeren Entscheidungen hat der EuGH diese Linie nun fortgeschrieben und festgestellt, dass Fremdgeschäftsführer bei der Feststellung des Schwellenwerts einer Massenentlassung (98/59/EG) zu berücksichtigen seien (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2015 – C-229/14 (Balkaya)) sowie Fremdgeschäftsführer auch Arbeitnehmer im Sinne der VO (EG) 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sein können (EuGH, Urteil vom 10. September 2015 – C-47/14 (Holterman)).
Allen Entscheidungen gemein ist, dass ihnen eine Richtlinie oder Verordnung zugrunde lag, die den Arbeitnehmerbegriff unionsrechtlich bestimmt. Im Hinblick auf nationale Rechtsnormen, die nicht der Umsetzung europäischen Rechts dienen, sollte es deshalb dabei bleiben, dass Fremdgeschäftsführer in der Regel nicht als Arbeitnehmer anzusehen sind.
In jedem Fall müssen Arbeit- bzw. Dienstgeber die Entwicklung der Rechtsprechung im Hinblick auf die Arbeitnehmerstellung von Fremdgeschäftsführern sehr genau im Blick behalten. Es spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmerstatus von Fremdgeschäftsführern einer GmbH zukünftig in weiteren Fallkonstellationen, in denen es um die Anwendung von Arbeitnehmerschutzvorschriften geht, denen der europarechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde liegt, festgestellt werden wird.
Handlungsempfehlung:
Vor jeder arbeitsrechtlichen Maßnahme, von der auch ein Fremdgeschäftsführer betroffen ist, ist konkret zu prüfen, ob das anwendbare nationale Recht der Umsetzung europäischen Rechts dient. Falls dies der Fall ist, ist zu prüfen, ob ein Fremdgeschäftsführer unter den jeweiligen unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fällt.
Eine insoweit fehlerhafte Beurteilung kann nicht nur zur Unwirksamkeit der konkreten Maßnahme gegenüber dem Fremdgeschäftsführer führen, sondern im „worst case“ auch sämtliche Maßnahmen gegenüber sonstigen betroffenen Arbeitnehmern hinfällig machen (bspw. im Falle einer fehlenden Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG, obwohl der maßgebliche Schwellenwert erst unter Berücksichtigung des Fremdgeschäftsführers überschritten war).