Kein gutgläubiger Zweiterwerb von GmbH-Geschäftsanteilen

23.02.2012

[] In der Praxis werden Geschäftsanteile häufig unter Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung (z.B. Kaufpreiszahlung) abgetreten. Bis zum Eintritt der Bedingung erwirbt der (hier sog.) Ersterwerber den Geschäftsanteil noch nicht und wird demzufolge auch noch nicht als neuer Inhaber des Geschäftsanteils in die Gesellschafterliste eingetragen. Nach Einführung des gutgläubigen Erwerbs von GmbH-Geschäftsanteilen durch das MoMiG zum 1. November 2008 (§ 16 Abs. 3 GmbHG) war zu befürchten, dass der ursprüngliche Veräußerer den bereits aufschiebend abgetretenen Geschäftsanteil noch einmal während der Schwebezeit an einen (hier sog.) Zweiterwerber übertragen und dieser gutgläubig den Geschäftsanteil erwerben könne, da allein der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils aus der Gesellschafterliste hervorging. Der Ersterwerber hätte das Nachsehen. Um dies zu verhindern, wurde in der Praxis teilweise bereits unmittelbar nach Beurkundung der aufschiebend bedingten Anteilsübertragung der Gesellschafterliste ein Widerspruch zugeordnet oder sogleich eine neue Liste eingereicht, die auf die aufschiebend bedingte Übertragung hinwies. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Lösungen nunmehr obsolet werden lassen, indem er am 20. September 2011 (NZG 2011, 1268) entschied, dass ein gutgläubiger Zweiterwerb überhaupt nicht in Betracht kommt und das Registergericht eine Gesellschafterliste zurückweisen kann, die einen aufschiebend bedingten Erwerb ankündigt.

Entscheidung des BGH

Hat ein Notar eine Geschäftsanteilsabtretung beurkundet, so hat er unverzüglich nach Wirksamwerden dieser Abtretung eine Gesellschafterliste einzureichen, aus der sich die Veränderungen in den Personen der Gesellschafter ergeben (§ 40 Abs. 2 GmbHG). In dem entschiedenen Fall reichte ein Notar eine geänderte Gesellschafterliste beim Handelsregister ein. Die einzige Änderung der Gesellschafterliste bestand darin, dass hinsichtlich eines Geschäftsanteils die aufschiebend bedingte Abtretung vermerkt wurde. Der Bedingungseintritt war allerdings noch nicht erfolgt, die Abtretung also noch nicht wirksam. Der BGH entschied, dass das Registergericht die Aufnahme einer solchen geänderten Gesellschafterliste zurückweisen darf. Wesentliches Argument war - so der BGH - der eindeutige Gesetzeswortlaut, wonach die Verpflichtung des Notars zur Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste erst mit Wirksamwerden der Veräußerung – als mit Bedingungseintritt – einsetzt. Der BGH verneinte ferner ein praktisches Bedürfnis der Einreichung einer solchen Liste zwecks Vermeidung eines gutgläubigen Zweiterwerbs. Ein solcher komme gar nicht in Betracht.

Nach § 16 Abs. 3 S. 1 GmbHG kann der Erwerber von einem Nichtberechtigten einen Geschäftsanteil gutgläubig erwerben, wenn der Veräußerer als Inhaber in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste steht. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Liste zum Erwerbszeitpunkt weniger als drei Jahre unrichtig und diese Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Außerdem ist ein Gutglaubenserwerb ausgeschlossen, wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist oder der Liste ein Widerspruch zugeordnet worden ist.

Allerdings bestimmt § 161 Abs. 1 BGB, dass bei einer Verfügung unter einer aufschiebenden Bedingung jede weitere Verfügung unwirksam ist. Wird also ein GmbH-Geschäftsanteil aufschiebend bedingt veräußert (z.B. unter dem Vorbehalt der vollständigen Kaufpreiszahlung) und verfügt der ursprüngliche Inhaber über diesen Geschäftsanteil zu einem späteren Zeitpunkt vor Bedingungseintritt noch einmal, so ist diese zweite Verfügung unwirksam. Aus § 161 Abs. 3 BGB ergibt sich jedoch wiederum, dass die Vorschriften über den Gutglaubensschutz Anwendung finden. Es stellte sich deshalb die Frage, ob über § 161 Abs. 3 BGB eine Anwendung des § 16 Abs. 3 GmbHG und damit ein gutgläubiger Erwerb des Zweiterwerbers in Betracht kommt. Dies hat der BGH verneint und klargestellt, dass sich die Gutglaubenswirkung der Gesellschafterliste allein auf die Inhaberschaft des Geschäftsanteils bezieht, nicht jedoch auf die Verfügungsberechtigung. Ein Erwerber kann somit lediglich darauf vertrauen, dass die in der Gesellschafterliste verzeichnete Person Gesellschafter ist. Es besteht allerdings kein Vertrauensschutz dahingehend, ob der Gesellschafter in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist, z.B. durch die Satzung.

Da jedoch der Inhaber eines Geschäftsanteils nach einer aufschiebenden Abtretung nicht mehr verfügungsbefügt ist, könne auch bei einem guten Glauben hinsichtlich der Inhaberschaft des betroffenen Geschäftsanteils dieser nicht wirksam (gutgläubig) erworben werden. Ergänzend stellte der BGH fest, dass aufgrund der begrenzten Gutglaubenswirkung der Gesellschafterliste allein im Hinblick auf die Inhaberschaft auch ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb eines Geschäftsanteils ausgeschlossen ist. Dies bedeutet, dass auch bei Unkenntnis eines Erwerbers hinsichtlich der Belastung eines Geschäftsanteils, z.B. durch ein Pfandrecht, dieses gleichwohl bestehen bleibt, unabhängig vom guten Glauben des Erwerbers.

Praxishinweis

Die Entscheidung stellt klar, dass der Erwerber eines GmbH-Geschäftsanteils, welcher erst mit Eintritt einer aufschiebenden Bedingung übergeht, bereits gesetzlich ausreichend vor nachfolgenden Zwischenverfügungen des Inhabers geschützt ist. Entsprechend wird die Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste oder die Einreichung einer Gesellschafterliste unter Hinweis auf die aufschiebend bedingte Übertragung obsolet und kann von den Registergerichten auch zurückgewiesen werden. Die Entscheidung bedeutet ferner, dass im Rahmen von Geschäftsanteilskäufen sorgfältig überprüft und mit Garantien abgesichert werden muss, dass über den zu erwerbenden Geschäftsanteil nicht bereits früher aufschiebend bedingt verfügt worden ist und dieser auch nicht durch Pfandrechte etc. belastet ist. Der Inhalt der Gesellschafterliste ist insofern keine belastbare Auskunftsquelle.

Dr. Karla Gubalke

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