Referentenentwurf eines Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes – Neue Impulse für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft?

Köln, 23.07.2025

Klimaneutral produzierter Wasserstoff ist von großer Bedeutung für ein resilientes, wirtschaftliches und zukunftsfähiges, treibhausgasneutrales Energiesystem der Zukunft. In Wasserstoff und dessen Folgeprodukten (Ammoniak, Methanol oder synthetisch hergestellten Kraft- und Treibstoffen) lässt sich aus erneuerbaren Energien produzierter Strom speichern, über lange Strecken transportieren und insbesondere in Wirtschaftssektoren einsetzen, in denen eine direkte Elektrifizierung technisch nicht realisierbar, ineffizient und ökonomisch nicht darstellbar ist. 

Dies gilt insbesondere für die Schwerindustrie (Stahl-, Zement- und Chemieindustrie) oder den Schwerlastverkehr (Seeschifffahrt, etc). Gleichzeitig erhöht die Einbindung von Wasserstoff die Resilienz des nationalen Energiesystems, reduziert die Abhängigkeit von Energieimporten und trägt zur Treibhausgasneutralität bei.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) hat am 08.07.2025 den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Beschleunigung der Verfügbarkeit von Wasserstoff und zur Änderung weiterer rechtlicher Rahmenbedingungen für den Wasserstoffhochlauf sowie zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften veröffentlicht. 

Das Gesetzesvorhaben wurde bereits von der vorherigen Bundesregierung erarbeitet und in das parlamentarische Verfahren eingebracht (vgl. BT-Drucks. 20/11899). Das Gesetz durchlief im Juni 2024 die erste Lesung im Bundestag und wurde zur Vorlage an den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen. Aufgrund des Bruchs der Ampelkoalition konnte dieses aber nicht mehr verabschiedet werden.

Mit dem nun veröffentlichten Referentenentwurf unternimmt das BMWE eine neue Initiative, um das Gesetzesvorhaben umzusetzen. Dabei greift der Referentenentwurf wesentliche Inhalte des früheren Gesetzesvorhabens auf, nimmt jedoch auch einige Anpassungen vor. Zur Privilegierung von Wasserstoffprojekten wird festgelegt, dass diese Vorhaben der Wahrung der öffentlichen Sicherheit dienen und an ihnen ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Ferner sollen verschiedene Änderungen der Verfahrensregelungen unterschiedlicher behördlicher Verfahren bei der Planung und Genehmigung von Schlüsselvorhaben der Wasserstoffinfrastruktur die Dauer dieser Verfahren verkürzen und Vereinfachungen schaffen.

Wasserstoff-beschleunigungs-gesetz

Zweck und Anwendungsbereich

Zweck dieses Gesetzes ist die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für den vereinfachten und beschleunigten Auf- und Ausbau einer Wasserstoffinfrastruktur insbesondere für die Erzeugung, die Speicherung und den Import und den Transport von Wasserstoff (§ 1 WasserstoffBG-RefE). Die direkte Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien ist im Vergleich zur Nutzung von Wasserstoff mit geringeren Umwandlungsverlusten verbunden und soll prioritär zum Einsatz kommen. Im Zuge der Transformation Deutschlands zur treibhausgasfreien Volkswirtschaft sollen verstärkt Wasserstoff und dessen Derivate eine zentrale Rolle spielen, erneuerbare Energie zu speichern und zu transportieren. Ist eine direkte Elektrifizierung von Industrieprozessen nicht möglich, wird Wasserstoff daher zukünftig eine zentrale Rolle bei der Dekarbonisierung der Industrie zukommen.

Der sachliche Anwendungsbereich des WasserstoffBG-RefE ist wiederum weit angelegt: So ist das Gesetz u.a. anzuwenden auf die Zulassung von Elektrolyseuren zur Erzeugung von Wasserstoff, Anlagen zur Speicherung von Wasserstoff sowie Anlagen zur Dehydrierung von flüssigen organischen Wasserstoffträgern inklusive ihrer jeweiligen Nebenanlagen (§ 2 Abs. 1 WasserstoffBG-RefE). Daneben sind vom Anwendungsbereich auch Direktleitungen von Energieerzeugungsanlagen zu Wasserstoffanlagen umfasst (§ 2 Abs. 1 Nr. 13 WasserstoffBG-RefE). Im Vergleich zum Entwurf der vorherigen Bundesregierung wird die Definition von Maßnahmen, die für den Betrieb der Wasserstoffleitungen erforderlich sind, weiter gefasst. Der Referentenentwurf umfasst nun neben „Verdichtern“ auch „Einrichtungen“ zum Betrieb der Wasserstoffleitungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 11 WasserstoffBG-RefE).

Der Referentenentwurf erfasst sowohl Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff an Land als auch im Küstenmeer (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 10 WasserstoffBG-RefE). Anlagen, die sich in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) befinden, sind vom WasserstoffBG-RefE allerdings ausgenommen und unterliegen damit weiterhin den spezielleren Vorgaben des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG).

Überragendes öffentliches Interesse

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 WasserstoffBG-RefE sollen Errichtung und Betrieb von Anlagen oder Leitungen im Sinne des § 2 Abs. 1 WasserstoffBG-RefE im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen, wobei § 4 Abs. 2 und 3 WasserstoffBG-RefE hiervon partielle Ausnahmen machen.

Dass an der Realisierung von Wasserstoffvorhaben ein überragendes öffentliches Interesse besteht, wird im Entwurf vor allem mit der Vielseitigkeit von Wasserstoff begründet. So kann Wasserstoff insbesondere in der Stahlherstellung direkt als Energieträger verwendet werden. Darüber hinaus kann Wasserstoff als Transport- und Speichermedium für Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen eingesetzt werden. Zudem dient der zügige Hochlauf der nationalen Wasserstoffbranche der Erreichung der nationalen und europäischen Zielsetzungen im Energie- und Klimabereich. Wasserstoff bildet mithin ein „Schlüsselelement“ der Energiewende. 

Rechtstechnisch ist die Regelung des § 4 Abs. 1 WasserstoffBG-RefE wie ihre Parallelbestimmungen in § 2 EEG als Abwägungsdirektive zu qualifizieren. Das bedeutet, dass die Zulassungsbehörden dem Interesse an der Realisierung eines Wasserstoffvorhabens im Verhältnis zu anderen betroffenen Interessen und Schutzgütern (z.B. Denkmal-, Landschafts-, Naturschutz) in aller Regel Vorrang einräumen müssen

Verhältnis zu wasserwirtschaftlichen Belangen

Eine Ausnahme des § 4 Abs. 2 WasserstoffBG-RefE betrifft wasserrechtliche Zulassungsverfahren betreffend die Wasserentnahme durch Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff und Anlagen zur Speicherung von Wasserstoff. Auf diese Verfahren ist die Abwägungsdirektive nicht anzuwenden, wenn durch die Wasserentnahme die öffentliche Wasserversorgung oder der Wasserhaushalt erheblich beeinträchtigt werden kann. Ausreichend ist hierfür bereits eine wahrscheinliche Beeinträchtigung. 

Diese Regelung soll vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung der Wasserversorgung als Aufgabe der Daseinsvorsorge, § 50 Abs. 1 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG), mögliche Konflikte bei Wasserknappheit vermeiden. Eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Wasserversorgung liegt nach dem Referentenentwurf immer vor, wenn die öffentliche Trinkwasserversorgung als Kernbestandteil der öffentlichen Wasserversorgung tangiert werden kann. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes setzt die Reduzierung von Wasser in Wassermangelgebieten oder klimaschutzrelevanten Gebieten voraus.

Verfahrensrechtliche Regelungen

Der Referentenentwurf enthält zudem verschiedene Regelungen, durch die das Zulassungsverfahren beschleunigt, vereinfacht und digitalisiert werden soll. 

Durch die §§ 5 - 7 WasserstoffBG-RefE sollen Vorschriften des Bundesimmissionsschutzrechts sowie des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) jeweils für Genehmigungsverfahren betreffend Anlagen und Leitungen im Sinne des § 2 Abs. 1 WasserstoffBG-RefE modifiziert angewendet werden, sodass hier ebenfalls eine Verfahrensbeschleunigung ermöglicht wird. Insbesondere wird die Äußerungsfrist für Anlagen, die ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchlaufen und der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen, auf zwei Wochen verkürzt (§ 5 WasserstoffBG-RefE). Die Öffentlichkeitsbeteiligung erstreckt sich damit auf sechs Wochen, bestehend aus einem Monat Auslegungsfrist und zwei zusätzlichen Wochen Auslegungsfrist. 

Rechtsschutz gegen Zulassungsentscheidungen

Schließlich enthält der WasserstoffBG-RefE Regelungen zum Rechtsschutz gegen Zulassungsentscheidungen für Wasserstoffvorhaben. 

So sollen Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen Zulassungsentscheidungen für Vorhaben im Sinne des § 2 WasserstoffBG-RefE zukünftig keine aufschiebende Wirkung mehr entfalten (§ 9 Abs. 1 WasserstoffBG-RefE). 

Darüber hinaus wird geregelt, dass erstinstanzliche Entscheidungen über Streitigkeiten, welche die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Elektrolyseuren im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 WasserstoffBG-RefE mit einer Leistung von mindestens 30 MW sowie von Dampf-, Wasser oder Stromleitungen im Anwendungsbereich des Gesetzes betreffen, direkt vom Oberverwaltungsgericht zu treffen sind. Das Oberverwaltungsgericht ist ebenfalls zuständig für Speicher ab einer Speicherkapazität von 25 Tonnen Wasserstoff (§ 10 Abs. 1 WasserstoffBG-RefE). Dadurch wird vermieden, dass bereits kleine, oberirdische Speicher der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts unterliegen. Zudem wird mit dem Schwellenwert ein Gleichlauf zum Schwellenwert bei Elektrolyseuren hergestellt.

Für weitere Streitigkeiten im Anwendungsbereich dieses Gesetzes ist in Ergänzung des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO erst- und letztinstanzlich das Bundesverwaltungsgericht zuständig, § 10 Abs. 2 WasserstoffBG-RefE. Damit soll der Instanzenzug in allen Streitigkeiten außer solchen verkürzt werden, die die Errichtung, den Betrieb oder die Änderung von Elektrolyseuren mit einer Leistung von weniger als 30 MW und Speichern von weniger als 25 Tonnen Wasserstoff betreffen.

Weitere Gesetzesänderungen    

Der Referentenentwurf sieht zur Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens Änderungen des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) vor – im Gegensatz zum vorherigen Regierungsentwurf, der lediglich Maßgaben für das WHG-RefE enthielt. Besonders hervorzuheben ist die geplante Einführung eines § 11c Abs. 2 WHG-RefE, der im Regelfall eine Frist von sieben Monaten für die Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung nach § 8 WHG für ein Vorhaben gem. § 2 Abs. 1 WasserstoffBG-RefE vorsieht. Zudem wird gem. § 70b Abs. 2 S. 1 WHG-RefE auf den Erörterungstermin gem. § 73 Abs. 6 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) verzichtet. Die Möglichkeit, im Rahmen des Anhörungsverfahrens Einwendungen geltend zu machen, bleibt unbenommen.

Zudem wird der für die Energiewende erforderliche Gleichlauf von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien mit Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff ermöglicht. So sieht etwa § 16c Abs. 3 BImSchG-RefE vor, dass die § 16b Abs. 1, 2 und 4 BImSchG auf Anlagen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 WasserstoffBG-RefE anzuwenden sind. Zudem gilt das Zustimmungserfordernis nach § 9 Abs. 2 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) nicht für Anlagen zur Erzeugung, zur Speicherung oder zum Import von Wasserstoff, vorausgesetzt, dass die zuständige Straßenbaubehörde im Rahmen der für diese Anlagen erforderlichen Genehmigungs- oder Anzeigeverfahren beteiligt wird. 

Die VwGO wird hinsichtlich der erweiterten Zuständigkeiten von Oberverwaltungsgerichten und Bundesverwaltungsgericht angepasst.   

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