Vor Kurzem hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Cheat-Software dann nicht zu einer Verletzung des Urheberrechts an einem Computerspieleprogramm (Spielesoftware) führt, wenn diese Cheat-Software nicht den Quellcode der Spielesoftware kopiert oder verändert (BGH Urt. v. 31.07.2025 – I ZR 157/21).
Auch wenn das Urteil nunmehr in diesem Bereich rechtliche Klarheit schafft, ist doch zu beachten, dass es sich bei dem zugrundeliegenden Sachverhalt um Technik aus dem Jahre 2010 handelte, welche mittlerweile längst überholt ist.
Angesichts der rasanten technischen Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) stellt sich die Frage, welche Gefahren hieraus für Spieleunternehmen entstehen und wie sich diese effektiv zur Wehr setzen können.
Hintergrund zu Cheats
Bei Cheats in Videospielen handelt es sich um Mittel, welche eingesetzt werden, um sich einen (unfairen) Vorteil zu verschaffen. Diese reichen von einfachen Tastenkombinationen in Singleplayerspielen, mit welchen der Spieler beispielsweise Gegenstände freischalten kann, ohne sie erst freispielen zu müssen, bis hin zu komplexen, eigenen Softwareanwendungen. Die erstgenannte Form von Cheats ist für die Spieleentwickler relativ unproblematisch, weil der Spieler sich höchstens selbst um den Spielspaß beraubt, sich die freigeschalteten Gegenstände selbst erarbeiten zu müssen.
Wesentlich problematischer sind allerdings Cheats in Multiplayerspielen, da sie dort nicht nur das Spielerlebnis des Nutzers der Cheats beeinflussen, sondern auch die anderen Mitspieler beeinträchtigen. So existiert für „Ballerspiele” (Shooter-Games) schon seit jeher Cheat-Software, welche es dem Nutzer ermöglichen, andere Spieler blitzschnell zu erkennen und automatisch zu treffen. Hierfür liest die Cheat-Software, üblicherweise die vom Spiel im Hintergrund übermittelten Positionen der Spieler aus, und passt dann die Zieleingabe des Nutzers entsprechend an. Diese Form der Cheats nutzt also Informationen, welche den Spielern eigentlich nicht zur Verfügung stehen und verändert dann entsprechende Variablen im Spieleprogramm, um dem Nutzer einen unfairen Vorteil zu verschaffen. Dies führt zu Frust bei den anderen Spielern und gefährdet damit das Spiel als solches. Die Spieleentwickler sind sich dieser Gefahr seit jeher bewusst und haben im Laufe der Zeit immer bessere Methoden entwickelt, um die Nutzer dieser Cheat-Software zu erkennen und zu sperren. Darüber hinaus gehen die Spieleentwickler (wie auch im jüngsten Urteil des BGH) direkt gegen die Entwickler solcher Cheat-Software vor.
Neue Risiken durch KI
Durch KI werden diese Maßnahmen der Spieleentwickler in Zukunft sehr wahrscheinlich vor neue Herausforderungen gestellt werden.
Bisher waren die meisten Cheat-Software darauf angewiesen, ihre Informationen durch ein paralleles Auslesen des Spiels zu gewinnen. Das ist zwar sehr effektiv, kann aber durch entsprechende „Anti-Cheat-Software” der Spieleentwickler erkannt werden.
Was aber, wenn in Zukunft die Cheat-Hersteller auf andere Möglichkeiten zurückgreifen? Beispielsweise könnte neuartige Cheat-Software mithilfe von Bilderkennungssoftware direkt das auf dem Fernseher oder Monitor gezeigte Bild auslesen und basierend darauf reagieren. Hierdurch wäre es nicht mehr nötig, in das Spieleprogramm selbst einzugreifen, sondern es würden nur Informationen genutzt, welche dem Spieler selbst zur Verfügung stehen. Allerdings hat die KI hierbei eine wesentlich schnellere Reaktionszeit als der Mensch. Wo Menschen optische Reize innerhalb von 13 Millisekunden verarbeiten, braucht eine KI meist nur 0,5 Millisekunden.
Ein solches Vorgehen wäre mit dem bisherigen Stand der Technik nur schwer zu erkennen, da die meisten Anti-Cheat-Programme parallel zur Spielesoftware laufen und den Computer der Spieler auf verdächtige (Cheat-) Software überwachen. Wenn nun aber die Cheat-Software mit Bilderkennungssoftware auf einem anderen Computer betrieben wird und vom Spieler lediglich das Bild des Spiels übermittelt bekommt (wie es beim Streaming schon seit Langem üblich ist), sind diese bisherigen Programme machtlos.
Um dem entgegenzuwirken, müssen sich die Spieleentwickler ebenfalls anpassen. Neben der Möglichkeit, ebenfalls KI zur Erkennung der Nutzer von Cheat-Software einzusetzen, kann auch rechtlich gegen die Entwickler dieser Cheats vorgegangen werden.
Rechtlicher Rahmen
Da diese neuartige Cheat-Software nicht in das jeweilige Spiele-Programm eingreift, wird schwerlich auf das Urheberrecht zurückgegriffen werden können. Zwar könnte es sich bei der Übertragung des Bildes des Spiels um eine unerlaubte Vervielfältigung gemäß § 16 Abs.1 UrhG hinsichtlich der urheberrechtlich geschützten grafischen Gestaltung des Spiels handeln. Diese ist aber nicht in jedem Fall gegeben und würde auch durch den Spieler und nicht den Cheat-Entwickler begangen. Da ein rechtliches Vorgehen gegen die Entwickler der Cheat-Software als Multiplikatoren den größten Effekt erzielt, muss nach Möglichkeiten gesucht werden, ihnen effektiv den Vertrieb der Cheat-Software zu untersagen.
Eine effektive Möglichkeit ist hierbei ein Unterlassungsanspruch aufgrund des lauterkeitsrechtlichen Mitbewerberschutzes nach §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG.
So hat schon der BGH mit seiner Entscheidung „World of Warcraft II“ (BGH Urt. v. 12.1.2017 – I ZR 153/14) klargestellt, dass das Anbieten von Cheat-Software unter bestimmten Umständen eine unlautere Handlung in Form der gezielten Behinderung von Mitbewerbern darstellen kann.
Eine solche unlautere gezielte, Behinderung des Wettbewerbers liegt dann vor, wenn die Handlungen eines Mitbewerbers die wettbewerblichen Entfaltungsweisen eines Wettbewerbers über das übliche Maß hinaus beeinträchtigen und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale vorliegen. Solche Unlauterkeitsmerkmale können dann vorliegen, wenn die Cheat-Software einen gezielten Verstoß gegen rechtsverbindliche Spielregeln des Spieleentwicklers darstellt. Diese rechtsverbindlichen Spielregeln sind nichts anderes als die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Spieleentwicklers, die er seinen Spielern vorgibt. In der Tat enthalten die meisten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (oder Nutzungsbestimmungen) bei Computerspielen entsprechende Regelungen, welche die Spieler dazu verpflichten, keine Cheat-Software zu benutzen oder anderweitig den Spielablauf zu beeinflussen, um sich einen unfairen Vorteil zu verschaffen.
Darüber hinaus ist eine Einwirkung auf das Produkt eines Mitbewerbers dann regelmäßig als unlauter anzusehen, wenn dabei Schutzmaßnahmen unterlaufen werden, welche vor einer solchen Einwirkung schützen sollen.
Eben diese Voraussetzungen können durch die Verwendung von KI-gestützter Cheat-Software erfüllt sein. So wird eine Verwendung solcher Software in den meisten Fällen von den (sehr breit aufgestellten) AGB verboten sein, so dass die Verwendung des Cheat-Programms einen Verstoß gegen rechtsverbindliche Spielregeln darstellt. Zusätzlich wird man schon in der gesamten Funktionsweise dieser neuartigen Cheat-Software eine gezielte Umgehung von Schutzmaßnahmen erkennen können.
Zusammenfassung
Es sprechen also gute Argumente dafür, dass auch diese neuartigen Risiken von KI-gestützten Cheat-Software mithilfe von bestehenden Rechtsnormen begegnet werden kann. Hierbei ist jedoch immer eine Einzelfallbetrachtung notwendig. Insbesondere sollten sich Spieleentwickler vertieft mit der richtigen Formulierung ihrer AGB auseinandersetzen, da es elementar darauf ankommt, ob diese wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind. Ist dies nicht der Fall, würde die Verwendung von Cheat-Software schon nicht gegen rechtlich wirksame Spielregeln verstoßen, was eine Anwendung des lauterkeitsrechtlichen Mitbewerberschutzes ausschließen könnte.