[] In seinem Urteil vom 8. Februar 2010 (II ZR 94/08) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Satzung einer Aktiengesellschaft vorsehen kann, dass der Versammlungsleiter umfassend ermächtigt wird, das Frage- und Rederecht der Aktionäre in der Hauptversammlung zeitlich angemessen zu beschränken.
Zulässig ist auch die Bestimmung von angemessenen konkreten Zeitrahmen für die Gesamtdauer der Hauptversammlung und die auf den einzelnen Aktionär entfallenden Rede- und Fragezeiten, welche dann im Einzelfall vom Versammlungsleiter nach pflichtgemäßem Ermessen zu konkretisieren sind. Ebenfalls zulässig ist die Einräumung der Möglichkeit, den Debattenschluss um 22.30 Uhr anzuordnen und mit den Abstimmungen zu den Tagesordnungspunkten beginnen, um eine Beendigung der Hauptversammlung noch am selben Tag sicherzustellen.
Der Versammlungsleiter hat bei der Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens die konkreten Umstände der Hauptversammlung zu beachten. Er hat sich insbesondere an den Geboten der Sachdienlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung zu orientieren, ohne dass dies in der Satzungsbestimmung ausdrücklich geregelt werden muss.
Der BGH hob mit dieser Entscheidung das Berufungsurteil des OLG Frankfurt vom 12. Februar 2008 auf, das eine satzungsmäßig geregelte zeitliche Beschränkung des Frage- und Rederechts als einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG ansah. Denn nach Auffassung des Berufungsgerichts dürfe in der Satzung auf der Grundlage des § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG nur das Verfahren zur Einschränkung des Frage- und Rederechts geregelt werden; das Frage- und Rederecht dürfe jedoch nicht durch eine Satzungsbestimmung in zeitlicher Hinsicht beschränkt werden.
Dem folgte der BGH nicht und hielt die Satzungsregelung über die Ermächtigung des Versammlungsleiters, das Frage- und Rederecht der Aktionäre in der Hauptversammlung zeitlich angemessen zu beschränken, für wirksam.
Die im Rahmen des UMAG im Jahr 2005 in das Aktiengesetz aufgenommenen Regelung des § 131 Abs. 2 Satz 2 bestimmt, dass die Satzung oder die Geschäftsordnung den Versammlungsleiter ermächtigen kann, das Frage- und Rederechts des Aktionärs zeitlich angemessen zu beschränken, und Näheres dazu zu bestimmen.
Der BGH begründete seine Entscheidung, eine zeitliche Beschränkung des Frage- und Rederechts für zulässig zu erachten, damit, dass eine entsprechende Satzungsregelung (i) vom Wortlaut des § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG gedeckt sei und (ii) dem Sinn und Zweck der Regelung dient. Sinn und Zweck der Regelung des § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG sei es, den Missbrauch des Frage- und Rederechts durch einige wenige Aktionäre, die später oftmals daraus Anfechtungsgründe hergeleitet und dann ihre Interessen eigenmächtig auf Kosten der Gesellschaft durchgesetzt haben, zu verhindern. Die Regelungskompetenz für eine satzungsmäßige Ermächtigung an den Versammlungsleiter, das Frage- und Rederecht zu beschränken liegt bei der Hauptversammlung, die hierüber in bestimmten Grenzen autonom entscheiden soll.
Aktiengesellschaften sollten in Erwägung ziehen, Beschlussvorschläge zur Beschränkung des Frage- und Rederechts der Aktionäre im Wege einer Satzungsänderung bei anstehenden Hauptversammlungen auf die Tagesordnung zu setzen.
Nachfolgend haben wir den Satzungswortlaut der vom BGH für zulässig erachteten Beschränkung des Frage- und Rederechts dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Zulässigkeit der Beschränkungen des Frage- und Rederechts der Aktionäre auch von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt und die konkrete Satzungsformulierung in jedem Einzelfall im Rahmen der Vorbereitung der Hauptversammlung rechtlich überprüft werden sollte.
Beschränkung des Frage- und Rederechts der Aktionäre in der Hauptversammlung
(1) Der Versammlungsleiter hat das Recht, das Frage- und Rederecht der Aktionäre zeitlich nach der Maßgabe des Folgenden zu beschränken:
Ist nach der Tagesordnung (einschließlich etwaiger Minderheitsverlangen nach § 122 AktG) nur über die Gegenstände Verwendung des Bilanzgewinns, Entlastung der Mitglieder des Vorstands, Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats, Wahl des Abschlussprüfers und Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien oder einzelne dieser Gegenstände Beschluss zu fassen, kann der Versammlungsleiter das Frage- und Rederecht der Aktionäre in solcher Weise zeitlich beschränken, dass die Hauptversammlung insgesamt nicht länger als sechs Stunden dauert. Bei der Berechnung der Dauer der Hauptversammlung bleiben die Zeiträume außer Betracht, die auf Unterbrechungen der Hauptversammlung und die Rede des Vorstands sowie die Ausführungen des Versammlungsleiters vor Beginn der Generaldebatte entfallen. Ist nach der Tagesordnung (einschließlich etwaiger Minderheitsverlangen nach § 122 AktG) auch über andere Gegenstände als nach Buchstabe a) Beschluss zu fassen, kann der Versammlungsleiter das Frage- und Rederecht der Aktionäre in solcher Weise zeitlich beschränken, dass die Hauptversammlung insgesamt nicht länger als zehn Stunden dauert. Buchstabe a) Satz 2 gilt entsprechend. Der Versammlungsleiter kann die Rede- und Fragezeit eines Aktionärs je Wortmeldung auf 15 Minuten beschränken und, wenn sich im Zeitpunkt der Worterteilung an den Aktionär mindestens drei weitere Redner angemeldet haben, auf zehn Minuten. Der Versammlungsleiter kann die Rede- und Fragezeit, die einem Aktionär während der Versammlung insgesamt zusteht, auf 45 Minuten beschränken. Die Beschränkungen nach Buchstaben a) bis c) können vom Versammlungsleiter jederzeit, auch zu Beginn der Versammlung angeordnet werden. Beschränkungen nach Maßgabe der vorstehenden Buchstaben a) bis d) gelten als angemessen im Sinne des § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG.(2) Unabhängig von dem Recht des Versammlungsleiters, das Frage- und Rederecht der Aktionäre nach Maßgabe von Abs. 1 zu beschränken, kann der Versammlungsleiter um 22:30 Uhr des Versammlungstags den Debattenschluss anordnen und mit den Abstimmungen zu den Tagesordnungspunkten beginnen. Nach Anordnung des Debattenschlusses sind in den Fällen des Satzes 1 weitere Fragen nicht mehr zulässig.
(3) Das Recht des Versammlungsleiters, das Frage- und Rederecht der Aktionäre über die Bestimmungen in Abs. 1 und 2 hinaus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen oder nach Maßgabe sonstiger in der Rechtsprechung anerkannter Grundsätze einzuschränken, bleibt von den Regelungen in Abs. 1 und 2 unberührt."