Kündigung wegen menschenverachtender Äußerungen in privaten Chatgruppen

München, 28.08.2023

Der Arbeitgeber erfährt durch einen Mitarbeiter davon, dass in einem privaten Gruppenchat einige seiner Mitarbeiter Äußerungen in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise im Hinblick auf Vorgesetzte und andere Mitarbeiter getätigt haben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte zu entscheiden, ob diese Äußerungen zur Begründung einer verhaltensbedingten Kündigung herangezogen werden können oder sie vielmehr als private Äußerungen aus einem „geschützten Umfeld“ anzusehen sind, so dass keine arbeitgeberseitigen Personalmaßnahmen darauf gestützt werden können.

Berechtigte Vertraulichkeitserwartung nur im Ausnahmefall

In Konstellationen dieser Art stellt sich seit jeher die Frage, ob Äußerungen, die nicht in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers, sondern eher im privaten Umfeld und gegebenenfalls sogar gegenüber Freunden oder sogar Familienmitgliedern als „vertraulich“ angesehen werden müssen und daher per se auch nicht Gegenstand arbeitsrechtlicher Sanktionen sein können. 

Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2023 (AZ: 2 AZR 17/23) können Mitarbeiter indes nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass Äußerungen, die in einer privaten Chatgruppe getätigt werden, ohne arbeitsrechtliche Folgen bleiben. 

In dem von dem BAG entschiedenen Fall hatten sieben Mitarbeiter, die untereinander bereits langjährig befreundet gewesen sind – zwei der Mitglieder waren sogar Brüder – über ihre privaten Smartphones eine Chat-Gruppe gebildet. Dort äußerten sie sich dann in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und Kollegen. Während die Vorinstanzen noch annahmen, dass die Äußerungen Bestandteil einer vertraulichen Kommunikation gewesen seien und dies dem Schutz der Ehre der betroffenen Personen vorgehe, kam das BAG zu dem Ergebnis, dass sich der dann gekündigte Mitarbeiter nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen kann. 

Besondere Darlegung durch den Arbeitnehmer erforderlich

Nur, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den „besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können“, sei die Erwartung, dass die in der Chatgruppe getätigten Äußerungen vertraulich sind und bleiben, berechtigt. Ob eine solche „Sphäre vertraulicher Kommunikation“ angenommen werden kann, hänge von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und der personellen Zusammensetzung der Chatgruppe ab. Werden in einer Chatgruppe rassistische, beleidigende oder sexistische Äußerungen über Kollegen getätigt, müsse der gekündigte Mitarbeiter besonders darlegen, warum er berechtigterweise erwarten durfte, dass der Inhalt der Chatnachrichten den Kreis der Mitglieder nicht verlassen werde.

Praxishinweis

Dass das BAG hier eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung nicht ohne weiteres annimmt, dürfte nicht zuletzt mit der Qualität der konkret getätigten Aussagen zu tun gehabt haben, so dass die Entscheidung des BAG durchaus auch als Statement gegen menschenverachtende und abwertende Aussagen in sozialen Medien begriffen werden kann. Diese stellen keinen rechtsfreien Raum dar. Im Gegenteil, das BAG macht deutlich, dass menschenverachtende Aussagen selbst dann eine (arbeits-)rechtliche Relevanz haben, wenn sie im eher privaten Umfeld getätigt werden; insoweit muss eine „Vertraulichkeitserwartung“ des Mitarbeiters zurücktreten. Es liegt dann an dem Mitarbeiter, darzulegen, warum er in concreto berechtigterweise von einer Vertraulichkeit ausgehen konnte. 

Arbeitnehmer müssen daher grundsätzlich damit rechnen, dass beleidigende, diffamierende, insbesondere aber menschenverachtende Äußerungen in Bezug auf Personen aus dem beruflichen Umfeld ggf. sogar zum Verlust des Arbeitsplatzes führen können. Denn diese wirken letztlich in die betriebliche Sphäre hinein und berühren damit in erheblicher Weise auch die geschützten Interessen des Arbeitgebers, der solche Äußerungen, sofern er davon Kenntnis erlangt, nicht hinnehmen muss. Vielmehr kann er den Ausspruch einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht ziehen.

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