Nach Klimaklage gegen französische Großbank: Übertragbarkeit auf den deutschen Finanzsektor?

Frankfurt am Main / Köln, 30.05.2023

Am 23. Februar 2023 wurde durch drei NGOs (Friends of the Earth France, Notre Affair à Tous und Oxfam France) Klage gegen die BNP Paribas S.A. („BNP“) vor einem Pariser Gericht erhoben.

Bei dieser Klage handelt es sich um die weltweit erste Klimaklage, die gegen eine Großbank gerichtet ist. Daher stellt sich auch für den deutschen Bankensektor die Frage, ob ein erhöhtes Risiko für Klagen nach französischem Vorbild kurz- oder mittelfristig besteht.

Hintergrund

Rechtsgrundlage der Klimaklage ist das 2017 verabschiedete französische Loi sur le devoir de vigilance (dt.: Überwachungspflichtengesetz), mit welchem der Artikel L. 225-102-4 in das französische Handelsgesetzbuch eingefügt wurde. Hiernach haben u.a. bestimmte in Frankreich tätige Unternehmen einen Überwachungsplan aufzustellen und umzusetzen, in welchem konkret zu beschreiben ist, wie sie Menschen-rechts- und Umweltverstöße verhindern wollen. Sofern ein solcher Plan nicht ordnungsgemäß formuliert ist oder es nicht gelingt, solche Verstöße wirksam zu bewerten und abzumildern, kann das Unternehmen für die Schäden auch zivilrechtlich haftbar gemacht werden.

Der Vorwurf der NGOs lautet im konkreten Fall wie folgt:

Verstöße gegen das Loi sur le devoir de vigilance durch Kreditvergabe für fossile Brennstoffe sowie Fehlender Nachweis der konkreten Planung zur Ermittlung, Abschwächung und Vermeidung von Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel.

BNP hat bereits entgegnet, dass man sich darauf konzentriere, die Finanzierung erneuerbarer Energien zu beschleunigen und Kunden bei der Umstellung auf erneuerbare Energiequellen zu unterstützen, um dem Pariser Abkommen zu entsprechen. Es sei jedoch nicht möglich sofort alle Finanzierungen für fossile Brennstoffe einzustellen.

Das organisierte Prozessieren durch NGOs dürfte zunehmend beliebter werden. Das Verfahren gegen BNP folgt einer Reihe zuvor erhobener Klimaklagen – nun jedoch erstmals mit einer Großbank auf der Gegenseite.

Der internationale Bankensektor spielt bei den aktuellen Herausforderungen des Klimawandels aufgrund der Finanzierung von Energiepro-dukten eine entscheidende Rolle. Bereits ca. 126 Banken weltweit sind daher der „Net-Zero Banking Alliance“ der Vereinten Nationen beigetreten. Bei der Umsetzung dieser „Net Zero“ Strategie häufen sich jedoch praktische Probleme und Kritik von Verbänden.

Transfer in die deutsche Jurisdiktion?

Für eine mögliche Verfolgung derartiger Klimaklagen in Deutschland dürfte es derzeit jedoch bereits an einer Rechtsgrundlage fehlen.

1. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Seit dem 1. Januar 2023 gilt für Unternehmen in Deutschland das LkSG, als Pendant zum französischen Loi sur le devoir de vigilance, wonach die Unternehmen zur Sorgfalt im Hinblick auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz entlang der gesamten Lieferkette verpflichtet sind. Bei Verstößen können zwar im Einzelfall Bußgelder drohen, eine mit dem französischen Gesetz vergleichbare unmittelbare zivilrechtliche Haftung unter dem Gesetz ist indes nicht vorgesehen. Im Blick zu behalten ist aber, dass das LkSG Sorgfaltspflichten statuiert, die Dritte schützen und über die Deliktsregelung des § 823 Abs. 2 BGB zu einer Außenhaftung von Unternehmen und Organen führen können.

2. Deutscher Corporate Governance Kodex 2022 (DCGK)

In der aktuellen Fassung des DCGK ist u.a. die Empfehlung an den Vorstand enthalten, auch ökologische und soziale Ziele angemessen zu berücksichtigen und die mit den Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Risiken und Chancen aber auch deren Auswirkungen zu identifizieren und zu bewerten. Bei diesen Unternehmensstrategien handelt es sich jedoch lediglich um Empfehlungen – eine Verpflichtung bzw. Haftung bei Nichtbeachtung erwächst hieraus nicht. Bemerkenswert ist jedoch, dass nach Empfehlung A.5 im Lagebericht die wesentlichen Merkmale des gesamten internen Kontrollsystems und des Risikomanagement-systems beschrieben werden sollen und zur Angemessenheit und Wirksamkeit dieser Systeme Stellung genommen werden soll. Ferner ist nach Empfehlung C.1 vorgesehen, dass der Aufsichtsrat nicht nur ein Kompetenz-profil für das Gesamtgremium erarbeitet, das auch Angaben zur Expertise in Bezug auf Nachhaltigkeitsfragen umfassen soll; vielmehr ist erforderlich, dass auch der Stand der Umsetzung in Form einer Qualifikationsmatrix in der Erklärung zur Unternehmensführung offengelegt wird. Diese Erklärungen können Anlass für Klagen sein, die sich an gängige Anlegerschutzklagen anlehnen.

3. Deliktsrecht

Bisherige Klimaklagen stützten sich freilich vermehrt auf das Deliktsrecht als Anspruchs-grundlage. Bei bisherigen Verfahren zeigte sich jedoch, dass für den Nachweis des kausalen Zusammenhangs zwischen unternehmerischer Handlung und möglichen Umweltschäden auf Klägerseite sehr hohe Hürden gesetzt sind. Allerdings kann Deliktsrecht, wie erwähnt, mit dem drittschützenden LkSG verknüpft werden, und neben Schadensersatz- auch Unterlassungs- oder Handlungsansprüche eröffnen.

Einfluss der Klimaklagen und Rechtsentwicklung

Auch wenn die länderspezifischen Regelungen die gleiche inhaltliche Stoßrichtung verfolgen, sich aber in ihren Umsetzungsmöglichkeiten unterscheiden, dürfte der Klage gegen BNP nicht nur für Frankreich, sondern auch für die Europäische Union ein nicht unerheblicher Einfluss beikommen.

Es finden sich viele Bezugspunkte des französische Loi sur le devoir de vigilance innerhalb des Vorschlags der (EU) Corporate Sustainability Due Dilligence Diretive (CSDDD), der von der EU-Kommission am 23. Februar 2022 angenommen wurde und sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindet.

Der Vorschlag zielt darauf ab, u.a. große Unternehmen zu nachhaltigem Verhalten und zur Achtung der Menschenrechte zu verpflichten. Insbesondere müssen die Unternehmen die Sorgfaltspflicht in ihre gesamte Unternehmenspolitik integrieren, um tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt in der gesamten Lieferkette zu ermitteln und zu verhindern.

Zudem sieht der Vorschlag für den Fall, dass diese Verpflichtungen nicht erfüllt werden, einen doppelten Mechanismus von öffentlichen Sanktionen und zivilrechtlicher Haftung – entsprechend dem Grundprinzip des französischen Loi sur le devoir de vigilance – vor (Art. 22 CSDDD-E). Die nationalen Haftungsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie sollen zwingend sein und Vorrang haben in Fällen, in denen das anzuwendende Recht nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist (Art. 22 Abs. 5 CSDDD-E). Aufgrund dessen dürfte auch die französische Rechtsprechung – und damit auch die Rechtsanwendung in der konkret zu entscheidende Klage gegen BNP – bei der Umsetzung der künftigen Richtlinie und deren Auslegung mittelbar Beachtung finden.

Status quo & Ausblick

Es scheint zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht, die konkreten Auswirkungen der Klage gegen BNP auf den deutschen Bankensektor vorherzusagen. In Anbetracht der möglichen Schaffung eines Präzedenzfalles und somit auch einer Auslegungsgrundlage für die zukünftige CSDDD sollte das Verfahren jedoch aufmerksam verfolgt werden.

Zu beachten ist, dass die (voraussichtlich Ende 2023) verabschiedete CSDDD noch in das deutsche Recht umgesetzt werden muss. Hierbei obliegt es dem deutschen Gesetzgeber bei der Transformation der CSDDD u.a. folgende Fragen prozess- und materiell-rechtlicher Natur abschließend zu beantworten:

  1. Konkretisierung – Klarer Pflichtenkatalog und weitestgehende Vermeidung von auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffen, wie sie u.a. in den Nachhaltigkeitsvorschriften der Offenlegungs-VO (EU-VO 2019/2088) und Taxonomie-VO (EU-VO 2020/852) enthalten sind;
  2. Anwendbares Recht – Anwendung einer möglichen deutschen Haftungsnorm bei grenzüberschreitenden Sachverhalten im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1, Art. 16 ROM II-VO;
  3. Kausalität – Konkrete Regelungen zu schadensrechtlichen Kausalitätsanforderungen einer gegenwärtigen oder zukünftig drohenden Rechtsverletzung; insbesondere in Bezug auf die Frage, inwieweit eine Kreditvergabe im Zusammenhang mit kohlenstoffintensiven Projekten ursächlich für umweltschädlichen Treibhausgasemissionen sein kann;
  4. Beweislast – Eine Regelung zur Beweislastverteilung hinsichtlich dem Nachweis angemessener schadensvermeidender Gegenmaßnahmen wird in dem Entwurf der CSDDD derzeit nicht vorgesehen, sondern die konkrete Ausgestaltung dem nationalen Gesetzgeber überlassen (ErwG 58). Dies wird entscheidend für die Art und Weise der Berechnungs- und Offenlegungsprozesse von Treibhausgasemissionen bei Finanzierungs- und Investitionstätigkeiten der Banken sein.

Es kann wohl frühestens 2025 mit der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht gerechnet werden. Angesichts der politischen Bemühungen ist den Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche bereits jetzt zu raten, bestehende interne Prozesse anzupassen und mit dem derzeitigen Vorschlag der CSDDD in Einklang zu bringen.

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