Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hat im Dezember 2010 die Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (im Folgenden "CGZP") festgestellt (Beschluss v. 14.12.2010, 1 ABR 19/10). Im Mai 2012 stellte das Bundesarbeitsgericht sodann klar, dass die Tariffähigkeit bereits im Jahr 2003 gefehlt habe und die Tarifverträge der CGZP rückwirkend unwirksam waren (Beschluss v. 22. Mai 2012, 1 ABN 27/12). Gegen diese und weitere Entscheidungen legten 18 Leiharbeitsunternehmen Verfassungsbeschwerde ein. Nach ihrer Auffassung verstieße die rückwirkende Feststellung der Tarifunfähigkeit gegen die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Gebote des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Die Verfassungsbeschwerde blieb ohne Erfolg. Mit Beschluss vom 25. April 2015 (1 BvR 2314/12) verneinte das Bundesverfassungsgericht den gerügten Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Zwar seien im Rechtsstaatsprinzip die Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verankert, weshalb eine echte Rückwirkung von Gesetzen verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig sei. Die Frage der Tariffähigkeit betreffe jedoch die bloße Gesetzesauslegung durch die Gerichte. Diese unterliege nur ausnahmsweise einem Vertrauensschutz, etwa bei einer unvorhersehbaren Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Beschwerdeführer konnten nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts indes nicht auf eine solche Rechtsprechung vertrauen, weil es eine solche zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen nicht gab. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich erstmals im Dezember 2010 mit der Tariffähigkeit der CGZP zu befassen. Das Bundesverfassungsgericht verwies ferner darauf, dass es den Beschwerdeführern an einem schutzwürdigen Vertrauen gefehlt habe. An der Tariffähigkeit der CGZP bestanden bereits im Jahr 2003 erhebliche Zweifel. Die klagenden Unternehmen hätten gleichwohl deren Tarifverträge mit ihren niedrigeren Vergütungssätzen angewandt. Mit den angegriffenen Entscheidungen habe sich daher lediglich ein erkennbares Risiko realisiert.
Praxisrelevanz
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. In deren Folge konnten Leiharbeitnehmer, die nach den Tarifverträgen der CGZP vergütet worden waren, nachträglich eine höhere Vergütung auf Basis des sog. Gleichstellungsgrundsatzes einklagen. Nach dessen § 10 Abs. 4 AÜG können Leiharbeitnehmer vom Verleiher grundsätzlich die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen. Begrenzt waren diese Ansprüche allerdings durch etwaige Verjährungs- und Ausschlussfristen (vgl. BAG, Urteile v. 13.3.2013. 5 AZR 954/11, 5 AZR 146/12, 5 AZR 242/12, 5 AZR 294/12 und 5 AZR 424/12) Die finanziellen Folgen der rückwirkenden Aberkennung der Tariffähigkeit der CGZP gingen für Leiharbeitsunternehmen jedoch über diese Nachzahlungsansprüche hinaus. Für die Differenz zwischen dem tatsächlich gewährten und dem nach dem Gleichstellungsgrundsatz zu gewährendem Arbeitsentgelt waren zudem Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Beiträge zur Unfallversicherung abzuführen (§ 23 Abs. 1 SGB IV, § 150 Abs. 1 SGB VII; vgl. zur Lohnsteuernachhaftung § 42d Abs. 3 EStG i. V. m. § 44 Abs. 2 S. 1 AO). Diese finanziellen Folgen konnten dabei auch die entleihenden Unternehmen treffen. Denn § 28e Abs. 2 S. 1 SGB IV und § 150 Abs. 3 S. 1 SGB VII i. V. m. § 28e Abs. 2 S. 1 SGB IV sehen - auch im Falle der Insolvenz des Verleihers - eine subsidiäre Haftung der Entleiher für Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Bei-träge zur Unfallversicherung vor (vgl. für eine etwaige Lohnsteuerhaftung § 42d Abs. 6 EStG).