[Berlin, ] Wird den Festlegungen eines Baubesprechungsprotokolls nicht widersprochen, können sich hieraus gegebenenfalls neue vertragliche Festlegungen ableiten. Denn im Bauprotokoll enthaltene Festlegungen und Fristen entfalten vertraglich bindende Wirkung, wenn ihnen durch die betroffenen Unternehmen, Ingenieure oder sonstige Baubeteiligten nicht unverzüglich widersprochen wird.
In der Baupraxis gehen die Beteiligten oftmals davon aus, dass Baubesprechungsprotokolle lediglich zu Beweiszwecken erstellt werden, aber keine Wirkung entfalten, wenn sie den Besprechungsinhalt falsch wiedergeben.
Der Bundesgerichtshof hat jedoch zuletzt eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin bestätigt, wonach Bauprotokolle auch bei Abweichungen vom Besprechungsinhalt den Vertragsinhalt verbindlich festschreiben, wenn ihnen nicht rechtzeitig, das heißt unverzüglich, widersprochen wird. Diese Entscheidung ist deshalb von hoher praktischer Bedeutung, weil der Bauablauf und die vertraglichen Pflichten oft an veränderte Umstände angepasst werden müssen, sei es aufgrund von nachträglichen Änderungswünschen des Auftraggebers oder aufgrund von Verzögerungen im Verantwortungsbereich des Auftragnehmers. Teilweise wird ein Bauzeitenplan erst nach Abschluss des Vertrages zwischen den Parteien aufgestellt. Solche Anpassungen oder erstmaligen Festlegungen werden dann in sogenannten Baubesprechungen zwischen den Parteien verabredet. In der Baubranche ist es üblich, dass einer der Besprechungsteilnehmer darüber Protokoll führt und dieses Protokoll nach dessen Erstellung an die übrigen Beteiligten übersendet.
Leitsatz
Erhält der Auftragnehmer zeitnah zu einer Verhandlung das darüber erstellte Protokoll und ist aus diesem eine Abänderung eines Vertrages zu erkennen, ist er in gleicher Weise verpflichtet, den Änderungen zu widersprechen, wie er es wäre, wenn er nach den Vertragsverhandlungen ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben über das Ergebnis der Vertragsverhandlungen erhalten hätte.
Widerspricht der Empfänger dem Verhandlungsprotokoll nicht unverzüglich, so wird sein Schweigen wie eine nachträgliche konkludente Genehmigung behandelt und eine Vereinbarung mit dem Inhalt des Besprechungsprotokolls kommt zustande.
(KG Berlin, Urteil vom 18.09.2012 - 7 U 227/11; BGH, Beschluss vom 11.10.2013 - VII ZR 301/12, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).
Sachverhalt
In einer Baubesprechung verhandelten Auftraggeber und Auftragnehmer über die Frist zur Vorlage der fehlenden Werkstatt- und Montageplanung. Nach der Baubesprechung übersandte der Auftraggeber dem Auftragnehmer ein Protokoll. Laut Protokoll verpflichtete sich der Auftragnehmer zur Übergabe der vollständigen Werkstatt- und Montageplanung bis zu einem bestimmten Datum. Der Auftragnehmer widersprach dem Inhalt des Protokolls nicht, behauptete jedoch im späteren Prozess, eine verbindliche Festlegung der Frist für die Übergabe sei in der Baubesprechung nicht zustande gekommen. Das Protokoll sei falsch.
Nachdem nach Verstreichen der Frist die Werkstatt- und Montageplanung noch immer nicht vollständig vorlag, kündigte der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Vertrag. Nachfolgend verklagte der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Vergütung für nicht erbrachte Werkleistungen abzüglich der ersparten Aufwendungen.
Entscheidung
Das Kammergericht Berlin behandelte die Kündigung des Auftraggebers als Kündigung aus wichtigem Grund. Der Auftragnehmer kann daher keine Vergütung für nicht erbrachte Leistungen verlangen.
Die Parteien haben mit der Frist zur Übergabe der Werkstatt- und Montageplanung im Baubesprechungsprotokoll eine verbindliche Vertragsfrist vereinbart. Es kann dahinstehen, ob in der Baubesprechung tatsächlich eine verbindliche Frist vereinbart wurde. Denn der Auftragnehmer hat dem Inhalt des Protokolls nicht unverzüglich nach dessen Zugang widersprochen. Zwar ist das Baubesprechungsprotokoll kein kaufmännisches Bestätigungsschreiben. Der Handelsbrauch des kaufmännischen Bestätigungsschreibens sei jedoch im Geschäftsleben dermaßen verbreitet, dass er auch zwischen Nichtkaufleuten als Gewohnheitsrecht entsprechende Anwendung findet.
Anmerkung
Das Gericht dehnt die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens auf Baubesprechungsprotokolle aus. Danach wird auch ein abweichender Inhalt des Protokolls verbindlicher Vertragsbestandteil, wenn
vorhergehende Verhandlungen zwischen den Parteien stattgefunden haben, eine Partei die Ergebnisse der Verhandlung in Textform niederlegt und der anderen Partei zeitnah nach den Verhandlungen zur Bestätigung der Ergebnisse übersendet, das Protokoll nicht soweit von dem Ergebnis der Verhandlungen abweicht, dass der Übersender vernünftiger Weise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte, der Empfänger nicht unverzüglich dem Inhalt des Protokolls widerspricht.Zu beachten ist, dass die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens innerhalb der Vertragskette nur die direkten Vertragspartner binden. So kann durch eine Übersendung des Protokolls durch den Architekten an den Auftragnehmer eine Bindung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer entstehen, wenn der Architekt bei der Übersendung als Vertreter des Auftraggebers mit Vertretungsmacht handelt. Oft nehmen jedoch auch Subunternehmer des Auftragnehmers an den Baubesprechungen teil und erhalten das Besprechungsprotokoll direkt vom Architekten oder Auftraggeber. Diese Subunternehmer werden bei einer solchen direkten Übersendung nicht nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens gebunden, da zwischen ihnen und dem Auftraggeber des Generalunternehmers keine direkte Vertragsbeziehung besteht.
Eine Bindung nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens kommt jedoch in Betracht, wenn der Generalunternehmer das an ihn übersandte Besprechungsprotokoll sich durch ein Anschreiben zu Eigen macht und an den Subunternehmer weiterleitet.
Bewertung und Folgen für die Praxis
Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin ist nicht vollkommen neu. Bereits im Jahr 2011 hatte der siebte Senat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass eine Vertragspartei nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens an den Inhalt eines Baubesprechungsprotokolls gebunden wird, wenn sie zu den Verhandlungen ausdrücklich einen Vertreter ohne Vertretungsmacht entsendet und dem Inhalt des Protokolls nicht unverzüglich nach Zugang widerspricht (BGH MDR 2011, 417, 418).
Dennoch gibt die neuerliche Entscheidung Anlass, bestimmte Routinen zu überdenken bzw. andere einzuführen Baupraktiker sollten das ihnen übersandte Protokoll der Baubesprechung nicht unbesehen weglegen, sondern unmittelbar auf inhaltliche Abweichungen des Protokollinhalts vom Besprechungsinhalt kontrollieren und gegebenenfalls unverzüglich widersprechen. Unverzüglich bedeutet etwa, spätestens innerhalb von zwei bis drei Tagen nach Erhalt des Schreibens (Bolz, IBR 2014, 9). Zudem sollte der Zeitpunkt des Widerspruchs aus Beweisgründen dokumentiert werden, z.B. durch einen aussagekräftigen Fax-Sendebericht.