Dekarbonisierung im Bausektor - Berücksichtigung des CO2-Schattenpreises im öffentlichen Beschaffungswesen

Frankfurt am Main, 05.03.2024

Bild zum Thema KlimaschutzÖffentliche Bauvorhaben sollen klimabewusster werden. Sowohl der Bundes- als auch die überwiegende Mehrheit der Landesgesetzgeber haben erkannt, dass sie einen unbegrenzt fortschreitenden Klimawandel nicht tatenlos hinnehmen dürfen: Sie haben entsprechende Klimaschutzgesetze erlassen und dabei auf internationale Erkenntnisse, insbesondere den Dokumentationsstandard des GHP-Protokolls, zurückgegriffen. 

Klimaschutz und öffentliche Beschaffung

Aktuell sind die Auswirkungen der Klimaschutzgesetze im öffentlichen Beschaffungswesen, insbesondere im Bereich der Beschaffung von Bauleistungen, nur vereinzelt wahrnehmbar. Aufgrund der hohen Klimarelevanz des Bausektors wird sich dies kurzfristig aber ändern. 

Auch die Bauwirtschaft hat bereits reagiert und stellt Piloten/Muster für die Berücksichtigung des Klimaschutzes im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung sowie der Vergabeverfahren zur Verfügung. In Ansehung der großen Marktmacht der öffentlichen Hand im Hoch- und Tiefbau sowie der derzeitigen Marktlage wird der Markt in Bewegung geraten. 

Internalisierung von Umweltkosten 

Sowohl der Bund als auch die meisten Länder haben in ihren jeweils relevanten Gesetzen den Gedanken der „Internalisierung von Umweltkosten“ aufgegriffen. Bei der Internalisierung von Umweltkosten werden Wirtschaftsgütern oder Leistungen zusätzlich zum Marktpreis Kosten hinzugerechnet, die den durch die jeweilige Leistung verursachten Umweltschäden[1] entsprechen. Durch die betroffene Leistung verursachte Schäden sollen bewertet und dem Marktpreis (fiktiv beziehungsweise für die Bewertung des Preises) zugeschlagen werden. Dadurch soll der einzelne Anbieter oder Nachfrager zu einem umweltbewussten Verhalten veranlasst werden, da die dadurch bewirkten (Wertungs-)Preise die Kosten der Produkte und Dienstleistungen – inklusive der Emissionsverbräuche – zutreffend abbilden. Mit anderen Worten erfolgt innerhalb der Bewertung der Angebotspreise ein Ausgleich dafür, dass umweltbelastende Produkte und Leistungen nach derzeitigem Stand in der Regel günstiger angeboten werden können. Dazu greift die öffentliche Hand auf das Instrument des sogenannten CO2-(Schatten-)Preises zurück. 

Überwiegend diskutierter Lösungsansatz für die Praxis 

Normierte Vorgaben für die Berechnung eines CO2-Preises und dessen Wertung in Vergabeverfahren fehlen. Derzeit wird insbesondere der nachfolgende Ansatz diskutiert:

Schritt 1: Ermittlung des CO2-Preises 

CO2e Preis =  (CO2e) * Preis pro CO2e (€)

GWP (CO2e)

Das sogenannte „Global Warming Potential (GWP)“ bietet eine Richtgröße beziehungsweise einen Charakterisierungsfaktor, der die Auswirkung von Treibhausgasen, die von der angebotenen Leistung des Bieters ausgehen, auf die Erwärmung der bodennahen Luftschicht im Verhältnis zu demjenigen von Kohlendioxid über einen bestimmten Zeitraum beschreibt.[2] Nicht jedes Treibhausgas hat die gleiche Wirkung. Der Faktor soll den möglichen Einfluss des durch die angebotene Leistung erzeugten Treibhausgases auf die Erderwärmung quantifiziert darstellen. 

Das GWP wird üblicherweise in der Maßeinheit „CO2-Äquivalent (CO2e)“ gemessen und angegeben. Dazu hat der Auftraggeber festzulegen, für welche Leistungsbereiche eine solche Angabe erfolgen soll. Dabei kann der jeweilige Bereich das gesamte Spektrum des Lebenszyklus (Rohstoffgewinnung, Herstellung, Errichtung, Nutzung, Ende des Lebenszyklus) und auch nur bestimmte Gegenstände der Gesamtleistung (Bauteile, Nutzung von Fahrzeugen, Primärenergie) abstellen. Freilich muss der jeweilige Aspekt auch von dem Bieter mit Blick auf die Emission von Treibhausgasen beeinflussbar sein, um einen Bieterwettbewerb zu erzeugen. Dazu eignen sich beispielsweise Leistungsbereiche, in denen die Bieter die verwendeten Materialien oder Konstruktionsprozesse angeben müssen. Für die Berechnung des GWP muss der Auftraggeber klare und transparente Vorgaben festlegen, um die Vergleichbarkeit der Angebote zu gewährleisten.

Preis pro CO2e

Ein CO2e hat keinen allgemeinen, naturgegebenen, durch Angebot und Nachfrage ermittelbaren Preis. Es handelt sich vielmehr um einen Preis, dessen Höhe die Bedeutung widerspiegelt, die der Auftraggeber dem Ziel der Treibhausgasreduktion beziehungsweise dem Klimaschutz zumisst. Je höher der Preis pro CO2e ausfällt, desto höhere Anreize werden für den Markt gesetzt, durch Innovation und Investitionen dem Klimaschutz Rechnung zu tragen. Abseits zwingender normativer Vorgaben hat der Auftraggeber innerhalb der durch das allgemeine Willkürverbot gesetzten Grenzen einen Gestaltungsspielraum. Derzeit dürfte die Spanne einer sinnvollen und auch sachgerechten Festlegung des Preises von 45 Euro[3] bis 809 Euro[4] reichen.

Schritt 2: Ermittlung des Wertungspreises

Wertungspreis= Angebotspreis + CO2e Preis

Der Wertungspreis ergibt sich nach Berechnung des CO2-Preises aus seiner Summe mit dem sonstigen Angebotspreis (typischerweise auf Basis der DIN 276) /den sonstigen (Lebenszyklus-)Kosten. 

Klimarelevanz und Baubranche 

Gerade die Baubranche bemüht sich – auch abseits der öffentlichen Beschaffung –, den Ansatz der Internalisierung von (externen) Umweltkosten voranzutreiben. In dieser Branche gelten naturgemäß Besonderheiten. Verbindliche Vorgaben zur Bestimmung des CO2e existieren jedoch auch hier nicht. Es gibt aber eine Reihe anerkannter Bilanzierungsstandards und Datenbanken, die bei der Erstellung einer Umweltbilanz, der Bemessung der CO2e und der Nachweisführung/Prüfung herangezogen und der Bewertungsmethode in Vergabeverfahren zugrunde gelegt werden können:

  • Regelungen des Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude (QNG)[5]
  • Umweltbilanzsoftwares (Auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e. V. findet sich eine Übersicht von Softwareanbietern.[6])
  • Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declarations (EPD)) 
  • Durchschnittswerte der jeweiligen Leistung oder Produktkategorie in ÖKOBAUDAT[7] 
  • Vorgaben des Level(s)-Bewertungs- und Berichtsrahmens[8]

Ausblick 

Allein aufgrund der Marktmacht der öffentlichen Hand wird der durch die Klimagesetze gesetzte Impuls Auswirkungen auf die gesamte Baubranche haben. Dabei ist auch davon auszugehen, dass der Gedanke der Internalisierung von Umweltkosten vermehrt auch in die Bestimmungen von Förderbescheiden einfließen und auf diese Art und Weise auch private Akteure verpflichten wird. 


 

[1] Siehe dazu insbesondere: Methodenkonvention zur Ermittlung von Umweltkosten des Umweltbundesamts, https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/methodenkonvention-umweltkosten

[2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/Glossar/gwp.html;1.2.ENV-2020-00029-02-01-DE-TRA-00.pdf (europa.eu), S. 6.

[3] § 13 Abs. 1 S. 3 KSG i.V.m. § 10 Abs. 2 BEHG

[4] https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/gesellschaftliche-kosten-von-umweltbelastungen#gesamtwirtschaftliche-bedeutung-der-umweltkosten

[5] https://www.qng.info/

[6] https://www.dgnb.de/filestorages/Downloads_unprotected/dokumente/uebersicht-der-oekobilanztools-mit-angaben-der-herstellenden.pdf.

[7] https://www.oekobaudat.de/no_cache/datenbank/suche

[8] https://environment.ec.europa.eu/topics/circular-economy/levels_de

Newsletter Icon

Keine Neuigkeiten von
GÖRG verpassen.

Zur Newsletter-Anmeldung

goep_0459_290622

Einige der von uns gesetzten Cookies dienen dazu, bestimmte Funktionen unserer Webseiten zu ermöglichen, insbesondere zur Steuerung des Cookie-Banners (damit dieses bei Ihren erneuten Besuchen nicht immer wieder angezeigt wird). Diese Cookies enthalten keine personenbezogenen Daten, insbesondere nicht Ihre IP-Adresse. Andere Cookies, die zu Analysezwecken gesetzt werden (siehe hierzu auch den Abschnitt „Web-Analyse-Tools“), helfen uns zu verstehen, wie Besucher mit unseren Webseiten interagieren. Diese Cookies dienen dazu, die Nutzung unserer Webseiten statistisch zu erfassen und zum Zwecke der Optimierung unseres Angebotes auszuwerten. Die Analyse-Cookies werden bis zu 13 Monate gespeichert.

Save Cancel OK Tracking ablehnen Datenschutzerklärung