Referentenentwurf zur Verschärfung des allgemeinen Befristungsrechts

Hamburg, 09.06.2021

BefristungsrechtKurz vor Ende der 19. Legislaturperiode hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen Referentenentwurf zur Änderung des allgemeinen Befristungsrechts vorgelegt (Stand: 14.04.2021). Das erklärte Ziel ist, die Befristung von Arbeitsverträgen ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes und sog. Befristungsketten, die durch eine Aneinanderreihung mehrerer befristeter Arbeitsverträge entstehen, zu begrenzen.

Was soll sich ändern?

Der Referentenentwurf enthält unter anderem Regelungen zur Verkürzung der zulässigen Höchstdauer für sachgrundlose Befristungen, einer Quote für solche Befristungen sowie einer Höchstgesamtdauer für Befristungen mit Sachgrund. Geplant sind insbesondere die nachfolgenden Änderungen:

  • Die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes soll künftig für die Dauer von 18 Monaten statt bislang zwei Jahren zulässig sein. Bis zu dieser Gesamtdauer soll eine einmalige statt einer dreimaligen Verlängerung möglich sein.
  • Die sachgrundlose Befristung bleibt zur Begrenzung von Befristungsketten weiterhin auf Neueinstellungen beschränkt. Der Referentenentwurf lässt eine Klarstellung dazu vermissen, wann nicht mehr von einer rechtlich relevanten Vorbeschäftigung auszugehen ist. Die Grenze für eine solche „sehr lange zurückliegenden“ Vorbeschäftigung dürfte nach Rechtsprechung des BAG wohl bei 20 Jahren liegen. Auch bleibt unklar, wann genau eine ebenfalls unerhebliche „ganz anders geartete Tätigkeit“ vorliegt. Rechtssicherheit besteht also nach wie vor nicht.
  • Arbeitgeber, die in der Regel mehr als 75 Arbeitnehmer beschäftigen, sollen maximal 2,5 % ihrer Arbeitnehmer sachgrundlos befristen dürfen. Zu beachten ist, dass der Referentenentwurf auf den Arbeitgeber und nicht auf Betriebe abstellt. Der maßgebliche Berechnungszeitpunkt soll der erste Kalendertag des vorangegangenen Quartals sein. Befristungen, die vor Inkrafttreten des neuen Befristungsrechts geschlossen oder verlängert werden, bleiben bei der Berechnung des Befristungsanteils außer Betracht.
  • Zur Durchsetzung der Befristungsquote ist ein Zitiergebot vorgesehen, wonach in der schriftlichen Befristungsabrede anzugeben ist, ob es sich um eine sachgrundlose Befristung bis zur Höchstdauer von 18 Monaten oder um einen Fall der Befristung nach der Gründung eines Unternehmens oder der Befristung eines älteren, zuvor beschäftigungslosen Arbeitnehmers handelt. Fehlt diese Angabe, kann sich der Arbeitgeber nicht mehr auf eine sachgrundlose Befristung berufen.
  • Daneben sollen Kettenbefristungen weiter begrenzt werden. Die Befristung eines Arbeitsvertrags mit Vorliegen eines sachlichen Grundes soll unzulässig sein, wenn die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber eine Höchstdauer von fünf Jahren überschreitet. Auf die Höchstdauer sind Zeiten anzurechnen, in denen der Arbeitnehmer bereits zuvor bei demselben Arbeitgeber befristet beschäftigt war, soweit diese nicht mehr als drei Jahre zurückliegen. Dies gilt auch für Zeiten, in denen der Arbeitnehmer demselben Arbeitgeber als Leiharbeitnehmer überlassen war. Bislang sieht das TzBfG keine zeitliche Höchstgrenze für Befristungen vor, die durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sind. Das BAG nimmt lediglich in Extremfällen eine sog. institutionelle Rechtsmissbrauchskontrolle vor.

Welche Folgen ergeben sich für die Praxis?

Falls der Referentenentwurf tatsächlich angenommen wird, hätte dies weitreichende Konsequenzen für die Praxis:

Beispielsweise dürfte ein Unternehmen, welches insgesamt 100 Arbeitnehmern in mehreren Betrieben beschäftigt, künftig nur noch Arbeitsverhältnisses mit zwei Arbeitnehmer sachgrundlos befristen. Bei Überschreiten des zulässigen Befristungsanteils würde jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen gelten. Dies schafft Rechtsunsicherheit.

Unternehmen mit 75 oder weniger Arbeitnehmern dürften zwar weiter mit beliebig vielen Arbeitnehmer sachgrundlose Befristungen vereinbaren. Die geplante Verkürzung der zulässigen Höchstdauer für sachgrundlose Befristungen und die Höchstgesamtdauer für Befristungen mit Sachgrund würde sich jedoch auch erheblich auf die Personalplanung solcher kleiner- und mittelständischer Unternehmen auswirken.

Auch das geplante Zitiergebot ist problematisch. Gibt der Arbeitgeber in der Befristungsabrede künftig eine sachgrundlose Befristung an, kann er die Befristung im Falle eines etwaigen Befristungskontrollverfahrens später nicht mehr hilfsweise auf das Vorliegen eines Sachgrundes stützen. Bislang spielt es keine Rolle, ob in der Befristungsabrede ein anderer Sachgrund oder eine sachgrundlose Befristung als Rechtfertigungsgrund genannt wird. Es ist es ausreichend, dass der sachliche Grund bei Vertragsschluss objektiv vorliegt. Dies wäre zukünftig nicht mehr möglich.

Darüber hinaus schafft die Befristungsquote erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Arbeitgeber mit mehreren Betrieben müssten zukünftig die sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse betriebsübergreifend im Blick behalten und die einzelnen Betriebe müssten ihre Personalplanung miteinander abstimmen.

Das Gesetzesvorhaben trägt die Handschrift eines längst überkommenen Bilds der Arbeitswelt. Der Referentenentwurf verkennt, dass das arbeitsrechtliche Instrument der Befristung – gerade in unsicheren Zeiten - den Berufseinstieg fördert. In Krisenzeiten wie derzeit Arbeitgeber davon abzuhalten, Personal einzustellen, weil man ihnen eine dauerhafte statt einer mittelfristigen Planung abverlangt, wird dazu führen, dass Unternehmen darauf verzichten, diese Einstellungen vorzunehmen. Damit ist wirklich niemandem gedient. 
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